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Highland Open 2007

Thurso ist sicher kein Ort, an dem man für immer leben wollte: zu einsam, zu kalt, zu schottisch. Trotzdem fühlt man sich hier von der ersten Minute an sofort wie zu Hause. Diese kleine verschlafene Stadt am Ende der zivilisierten Welt hat etwas, was schwer in Worte zu fassen ist. Vielleicht ist es, dass zwei der besten Wellen Europas in unmittelbarer Nähe laufen. Vielleicht ist es auch, dass die Stadt sich grösstenteils den Entwicklungen der modernen Welt entziehen konnte. Vielleicht sind es aber auch nur die guten Erinnerungen, die ich vom letzten Jahr mit herbringen konnte. Wie dem auch sei, ich freu‘ mich auf die zweite Runde des kältesten Contests der Welt: die O’Neill Highland Open 2007!

Zwischen den alten Gemäuern der verwinkelten, engen Strassen herrscht eine Ruhe, die den gestressten Grossstadtmenschen fast erdrückt. Drei Tage nach Contest-Ende laufe ich durch Thursos leere Gassen in Richtung Hafen, um mir noch Notizen zu dem Event zu machen. Ich schlendere durch die Fussgängerzone, was ungefähr 30 Sekunden dauert. Vorbei an einem Dudelsackspieler, dessen Blick mich unmissverständlich auffordert, ein paar Penny in seinen Hut zu schmeissen. Leider bin ich völlig blank, schaue verlegen auf den Boden und gehe einen Schritt schneller weiter. Als ich um die Ecke einer Häuserzeile biege, erspähen mich vier Mädels. Sie passen zum Klischee schottischer Mädels wie die Faust aufs Auge: weisser, fast „durchsichtiger“ Teint, die Haare rostrot und die Hüften ausladend wie der Traktor von Bauer McCancy. Erst kichern sie, dann kommen sie näher und fragen mit hartem schottischen Akzent: „Ore yu famos?“ – „Excuse me?“, frage ich zurück. „Ore yu famos?!“ Der Ton wird ernster. Ah, ob ich berühmt bin! „Ähh… yes!“, kommt es aus mir heraus. Wir schauen uns alle fünf verwundert an, dann kichern wir um die Wette. Keine Ahnung, warum ich das gerade gesagt habe, aber als ich mich wenige Meter weiter auf die Hafenmauer setze, aufs Meer schaue und über den Zwischenfall nachdenke, wird mir bewusst, was hier eigentlich in den letzten Tagen passiert ist.

Die O’Neill Highland Open vom 24. April bis zum 02. Mai, einer von insgesamt sieben Six Star WQS Events der Tour, lockten 192 der besten Surfer der Welt in diesen sonst von Gott und der Welt verlassenen Ort. Darunter Jungs aus Tahiti, Hawaii, Brasilien, Kalifornien und Australien, die ob der 15.000 US-Dollar Preisgeld für den Sieger, 125.000 Dollar Gesamtpreisgeld und wichtigen 3.000 Punkte nicht lange überredet werden brauchten, in ihre 6/5er-Neos zu springen. Was für ein Flash für die Surfer, hier die 8 °C kalten Fluten zu rippen! Aber was musste erst in den Köpfen der gelangweilten Dorfjugend vorgehen? Mit einem Mal schlug in ihrer Stadt ein verrückter Mob an bunten Charakteren auf und zog die Stadt komplett auf Links. Ihre Kneipen verwandelten sich zu pulsierenden Grossstadtbars und an jeder Ecke wurde gefeiert. Das musste für die sein wie damals die Erfindung des Farbfernsehens. Gott sei Dank erwachte aber nicht nur das Nachtleben aus seinem Dornröschenschlaf, auch der Ozean präsentierte sich pünktlich zum Contest-Beginn von seiner besten Seite.

Und so starteten bei strahlendem Sonnenschein und für Schottland frühsommerlichen Temperaturen die ersten Heats über dem Riff von Brims Nest. Brims feuerte aus allen Rohren und ein Pro nach dem nächsten verschwand in der eisigen Barrel. Die Highland Open waren im vollen Gange. Die ersten Runden wurden schnell durchgezogen und daran sollte sich auch in den nächsten drei Contest-Tagen nichts ändern. Das Wetter hielt, die Sonne lachte vom blauen Himmel und die Winterjacke konnte getrost im Rucksack bleiben. Die Pros, unter ihnen Freesurf-Wunderkind Dane Reynolds, WCT-Neuling Bernardo Miranda und Jarred Howse sowie einige weitere WCT-Charger und Nachwuchsstars, zerhackten die Wellen wie der Schotte sein Lamm. Unsere Hoffnung Marlon Lipke, der auskuriert von seiner Schulterverletzung wie ein Highlander-Schwert die Wellen zerschnitt, schaffte es leider nicht über die Runde der besten 96 hinaus. Er verlor knapp gegen seine Kontrahenten Odirlei Coutinho aus Brasilien und Jean Sebastien Estienne aus Guadeloupe. Am vierten Tag erhöhte Matt Wilson, der Contest-Direktor der Highland Open, noch mal das Tempo und zog bis zum späten Abend alle Heats durch. Der Swell sollte schon am nächsten Tag dramatisch kleiner werden.

Und so wurde noch spät am Abend das Finale zwischen den beiden Australiern Jarred Howse und Nathan Hedge eingeläutet. Da der Swell schon jetzt an Kraft verlor und sich die Sonne bedrohlich nah über das Meer senkte, musste Jarred zehn Minuten nach seinem Halbfinalsieg über den Südafrikaner Jordy Smith wieder ins Wasser. Vor einigen dutzend einheimischen Zuschauern und einer grossen Gruppe australischer Surfer, die gebannt von der Felsplatte aus das Finale beobachteten, schenkten sich die beiden Freunde im 35 Minuten langen Finale nichts. Hedge brachte sich sofort in Pole Position und nutzte seine Priority auf den Wellen geschickt aus. Als das finale Signal der Sirene den Contest beendete, gab Contest-Sprecher Dave Mailman nur wenige Sekunden später den stolzen Gewinner bekannt. Bei der Siegerehrung bekam Nathan Hedge als Siegerpokal ein riesiges Highland-Schwert in die Hand gedrückt. „Es hat riesig Spass gemacht, da draussen gegen meinen Kumpel Jarred zu surfen! Die Aussies haben hier in Schottland sehr gut abge- schnitten und ich bin stoked, dass ich gewinnen konnte. Jetzt habe ich nur ein Problem: Wie bekomme ich dieses riesige Schwert nach Hause..?“

Die letzten wellenlosen Tage haben wir auf traditionell schottische Art mit einer Partie Golf, einem Ausflug zu den Orkney Islands und viel Völkerverständigung in den Pubs von Thurso zu Guinness und Haggis (gefüllter Schafsmagen) verbracht. Und nun sitze ich hier auf meiner Mauer am Hafen und geniesse den letzten Tag der Ruhe. Schon verrückt, wie sich ein Dorf innerhalb von nur einer Woche völlig umkrempeln kann und es wenig später sofort wieder in seinen Ursprung zurückfällt. Morgen geht’s weiter nach Island (siehe ab Seite 44) und ich bin gespannt, ob Wasser noch kälter sein kann als hier.

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