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Noch vor gar nicht allzu langer Zeit galten in dänischen Line-Ups drei Leute schon als Crowd. Doch diese Zeiten sind an den Stränden von Hvide Sande, Nørre Vorupør oder Klitmøller längst vorbei. Bullis stehen jedes Wochenende Tür an Tür an den mehr oder weniger öffentlichen Parkplätzen. Im Wasser paddeln locker 20 Leute um den besten Platz am Peak Und das unabhängig von der Jahreszeit. Wie schon einige unserer europäischen Nachbarn müssen wir uns damit abfinden, dass Surfen zum Gesellschaftssport geworden ist.

Müssen wir das? Warum nicht einfach mal neue Wege gehen? Bei rund 450 Kilometern Dänischer Nordseeküste dürfte nicht viel dagegen sprechen, in der Nähe der bekannten Spots noch leere Line-Ups zu entdecken.
Nur – wie findet man diese?

An einem tristen Mittwochnachmittag besuchen mich Katrin, Basti und Stefan in meiner kleinen Kieler Wohnung zur Krisensitzung. Das Pfingstwochenende steht vor der Tür und keiner ist von dem Gedanken begeistert, wieder einer von vielen zu werden. Also, wo können wir hin? Wo gibt’s Wellen für uns allein? Und wie kommen wir dorthin? „Der Bulli schafft’s höchstens noch bis zur Grenze. Ganz bestimmt überlebt er keinen Surf Trip zu unbekannten Spots durch Dünen und Buckelpisten!“ – „Was ist denn mit deinem alten Herrn? Hat der sich nicht gerade einen neuen Geländewagen zugelegt..?“ Schnell wird aus dem traurigen Treffen in meinem Wohnzimmer eine euphorische Spot-Search-Maschinerie.

Während Basti am Telefon seinen Vater überredet, den 4 Wheel Drive rauszurücken, checkt Stefan die Wellenkarten auf www.surforecasts.com. Klickt man dort auf Europa, hat man im Menü „Swell – Scripps wave model“ die Wahl zwischen „5 day animated wave height“ und „5 day animated wave peak period“. Beides hört sich komplizierter an, als es ist. Während die Wave-Height-Karte die Höhe der Wellen (in Fuss) zeigt und kleine Pfeile ihre Richtung angeben, zeigt die Peak-Period-Karte den Abstand zwischen den einzelnen Wellenkämmen. Je weiter diese auseinander liegen, desto mehr verfärbt sich die Karte von Blau über Grün und Gelb bis Rot und desto höher die Wahrscheinlichkeit auf geordnete Wellen. Wenn beide Karten zur gleichen Zeit vor der dänischen Küste ihre Farbe verändern, ist höchste Eile angesagt, den Karren mit Boards zu beladen. Ideal ist ein starkes und lang anhaltenes Tiefdruckgebiet nördlich von Schottland. Solche Tiefs sind unsere Garanten für ordentliche Druckwellen und schicken den Swell zwischen Schottland und Norwegen direkt bis an die dänische Nordküste. Allerdings sind diese Wetterlagen nicht die Regel. Häufiger kommt es vor, dass ein Tief über England ranrauscht. Dann macht sich der Swell auf den Weg aus Westsüdwest. Allerdings muss er sich so durch den Ärmelkanal quetschen, was oft weniger kraftvolle Wellen vor Dänemark zur Folge hat. Wir haben Glück, das Tief ist zu Besuch über Norwegen. Im Sekundentakt schiebt sich der digitale Swell in Richtung dänische Nordküste vor. „Ein gutes Zeichen, Freunde!“

Katrin hängt derweilen am Handy und quetscht ihren dänischen Exfreund nach Spots aus. Wörter wie „Sandbänke“, „Molen“, „Gezeiten“ und „Meeresboden“ schwirren durch den Raum – wichtige Schlagwörter für die erfolgreiche Spot Search, vor allem an einer Sandküste. So verändern Sandbänke ihre Lage von Sturm zu Sturm. Hvide Sande ist dafür das beste Beispiel. Vor fünf Jahren ein guter Spot, veränderte ein fetter Wintersturm die Sandbänke so, dass keine ordentliche Welle mehr lief. Doch seit gut einem Jahr ist alles wieder im Lot. Hat wohl wieder ordentlich gestürmt. Auch Molen sind an den dänischen Küsten unverzichtbare Helfer, um den Wind von den Wellen fern zu halten.

Ausserdem halten sie die Strömung in Grenzen. Schliesslich wollen wir surfen und nicht nur paddeln. Die Topographie, sprich die Gestaltung, des Meeresbodens ist grundsätzlich entscheidend für die Wellenausbeute. Während zum Beispiel einige der nord- und ostfriesischen Inseln mitten im flachen Wattenmeer liegen und surfbare Wellen bis dahin nur bei Flut durchkommen, liegt der Meeresboden kurz vor der dänischen Nordküste um einiges tiefer. Ideal für kraftvolle Wellen, da sie in ihrer Geschwindigkeit von nichts aufgehalten werden. Allerdings sind Infos zu den Meerestiefen nicht so leicht zu bekommen. Wer es ganz genau wissen möchte, sollte sich an das Bundesamt für Seefahrt und Hydrographie wenden. Dort gibt es Seehandbücher, in denen man sich über dieses Thema erkundigen kann. Die Locals vor Ort nach Tipps zu fragen ist aber wie so oft sicher die günstigere und bessere Lösung. Doch genug der Theorie, worauf warten wir noch? Los geht’s…

Früh am nächten Morgen steht der Suzuki Jimny gepackt vor der Tür. Unser erstes Ziel ist der 50 Kilometer lange Küstenstreifen zwischen Vejers Strand und Hvide Sande. Eine Sandbank reiht sich hier an die nächste. Kurz hinter Varde biegen wir von der Landstrasse 181 ab. Zwischen den Dünen bleiben wir immer wieder stehen, um das stürmische Meer nach den besten Peaks abzusuchen. Yes, schnell in die Neos. Die ersten kalten Wellen des Tages machen uns wieder frisch.

Nach dieser Early Morning Session geht es wieder zurück auf die N181 Richtung Torsminde. Viele unterschiedliche Molen schützen in dem kleinen Fischerdorf auf dem schmalen Küstenstreifen zwischen dem Nissum-Fjord und der offenen See die Wellen vor dem Wind, so dass sie sauber über die Sandbänke brechen können. Nach einem kurzen Stopp beim örtlichen Bäcker springen wir auch hier an einer Mole ins Wasser, die den Wind fern hält. Saubere, aber leider kraftlose Wellen schälen sich um das Molenende und so zieht es uns nach einer kurzen Session weiter.

Drittes Ziel ist das Gebiet zwischen Fjaltring und Ferring. Abseits der 181 liegen Beachbreaks, Molen und Steilküsten. Das lässt auf gute Wellen in schwer zugänglichem Terrain schliessen und so auf eine Soul Session mit den Freunden.

Doch noch in Torsminde bekommen wir Tipps vom ansässigen Fischer, dass Thyborøn, das Dorf am äussersten Ende der Harboør Tange, funktionieren soll. Abgeschnitten vom Rest Jütlands trumpft diese Landzunge mit einer Mole nach der nächsten auf. Mit diesen Infos fliegen wir die 181 hoch. Gerade rechtzeitig, um perfekt kopfhohe Wellen serviert zu bekommen. Der Swell hat sichtlich zugenommen. Frierend, aber völlig gestoked kommen wir nach einer kleinen Ewigkeit aus den eisigen Fluten gestolpert. Es ist schon Abend und nach einem heissen Tee und doppelter Portion Pølser fallen wir völlig erschöpft in unsere Schlafsäcke.

Früh am nächsten Morgen lassen wir diesen Traum-Spot links liegen und befriedigen lieber weiter unseren Erkundungsdrang. Das nächste Ziel auf unserer Karte ist der Landzipfel südlich von Agger. Wegen Sandaufspülungen rund um Agger bilden sich immer wieder neue Sandbänke in dieser Gegend. Am Ende eines einsamen Feldwegs haben wir wieder Glück.

Nach einer netten Session machen wir uns schliesslich auf den Weg zu unserem letzten Ziel: die lang gezogene Küste der Jammerbugt rund um Løkken, nördlich der gewohnten Spots Nørre Vorupør und Klitmøller. Die wenig bevölkerte und mit viel Fahrerei verbundene Bucht ist für die meisten Wochenend-Surfer zu weit. Gerade deshalb sind auch hier wieder einsame Breaks für uns garantiert.

Auf dem Rückweg nach Kiel lassen wir die Wellen der letzten Tage nochmal an uns vorbeiziehen. Einhellige Meinung: Die Suche hat sich gelohnt.

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