Wir haben Eve Bernhard, das neue Sternchen am deutschen Surfhimmel, gebeten, eine kleine Geschichte über Ihre temporäre Wahlheimat Carcavelos in Portugal zu schreiben. Lest selbst wie schön das Leben in dort sein kann.
Hier noch ein paar Infos zu Eva:
Alter: 23 Jahre
Surft seit: 7 Jahren
Wohnort: Mainz
Keine Sponsoren (aber Semiseco hat mir ein sehr schönes Brett gemacht)
Contests: ADH 2009/2010/2011, DM 2009
Der Strand von Carcavelos ist ein ca. 1,5km breiter Küstenstreifen. Dieses Stück Meeresufer lässt im Frühjahr, Herbst und Winter sämtliche Surferherzen höher schlagen und dient im Sommer, zumindest gefühlt, jedem Lisboneto (Anm.d.Red.Bewohner Lissabons) als Zufluchtsort vor der städtischen Sommerhitze, die in Portugal schon ziemlich unangenehm werden kann.
So erlebt man hier einen Beach-Lifestyle deluxe, auf den selbst so mancher Californian Dude neidisch sein könnte: sportlende, schwitzende Muskelprotze, eingeölte Opis, coole Surferdudes und Mädels in knappen Bikinihöschen wie man sie sonst nur von Brasilianerinnen kennt.
Genau dieser Ort ist auch das Epizentrum der portugiesischen Surfszene. Surfzeitschriften, Surfmarken und Co haben ihren Sitz hier um die Ecke und ein Großteil der portugiesischen Surfpros kommt, wohnt und surft an der Linha (Küstenstreifen zwischen Lissabon und Caiscais). Die Linha ist ein ganz besonderer Ort. Nirgens sonst treffen weltklasse Surfbedingungen, wunderschöne Steilküsten, mondäne Villen und haufenweise teure Autos aufeinander wie hier. Wenn die Welle in Carcavelos „on“ ist, dann können schon mal mehrere Hundert Leute im Line up sitzen, aber stellt man sich gut mit den Locals bekommt man schon seine Wellen. Ronny Russel, zu seiner Zeit gemeinsam mit Gerry Lopez einer der Pipeline- Poniere, kam einmal vor langer Zeit nach Europa gereist und war von Carcavelos dermaßen begeistert, dass er den Spot als die portugiesische Pipeline bezeichnete!
Genau in diesem Ort liegt die Rua dos Miosótis. In dieser Straße gibt es einen Kindergarten. Neben diesem Kindergarten gibt es ein Spielparadies für große Kinder. Eine Villa voller internationaler Studenten oder einfach nur „Da House“.
Das Leben im Haus kann man sich vorstellen wie in einer MTV- Show. Man kommt vom Surfen zurück und betritt das Grundstück, Leute skaten im Pool. Man läuft ein wenig weiter, an den Bananenstauden vorbei und Leute spielen Tischtennis. Man schlendert ein wenig weiter, an einigen Zimmern vorbei die sich im Nebengebäude befinden und erreicht den Hinterhof, wo sich Orangenbäume, Grill und Tische befinden. Auf den Stühlen hängen überall Neoprenanzüge und auf der Mauer sind ein paar Booties zum Trocknen aufgereiht. Man läuft ein wenig weiter, am Poolhaus vorbei und Leute liegen am Pool, rutschen und springen von der Mauer ins kühle Nass, während im Hintergrund jemand Saltos auf dem Trampolin springt. Man betritt das Haus, läuft durch das Wohnzimmer und in der Fernsehecke liegt jemand auf der Matrazenwiese und schaut Surffilme. Man geht in die Küche und Leute bereiten Essen vor. Man gesellt sich einfach irgendwo dazu oder man geht die Treppen hinauf und zieht sich in sein eigenes Reich zurück und erholt sich von dem anstrenden Leben. Oberhaupt des Hauses ist João Alexandre aka. Dapin – eine portugiesische Surflegende, ein Typ der auch noch mit über 40 radikaler surft als du dir in deinen wildesten Träumen vorstellen kannst. Zu Fuß sind es 10 Minuten zum Strand. Egal welche Bedingungen, irgendwo ist hier immer irgendetwas surfbares zu finden. Um die Ecke befinden sich noch jede Menge andere Top Spots wie Santo Amaro, Parede, Sao Pedro, Guincho oder Praia Grande. Natürlich ist es ganz nützlich dass Dapin überall seine persönlichen Wellenberichte vor Ort hat.
Wenn das ganze Surferleben und das Spielhaus nerven, ist man mit dem Zug innhalb von einer halben Stunde im Herzen Lissabons. Hier findet man alles.Von Kultur pur bis zu heftigen Partynächten- Ein paar Drinks im Bairro Alto sind ein muss und bei Bierpreisen von einem Euro können es auch schon mal ein paar mehr werden, ohne dass der Geldbeutel all zu sehr leidet. Irgendwann zu später Stunde, wenn die Bars im Bairro schließen, kann man in einen der vielen Clubs der Stadt weiterziehen und bis zum Sonnenaufgang die Füße wund tanzen. Auch tagsüber ist das Bairro Alto sehr interessant, Skateläden, Grafittiläden, Second- Hand Shops und vieles mehr reihen sich nebeneinander, außderdem wohnen und flanieren dort die stylishten Menschen der Stadt. Der perfekte Ort um Kultur und Party zu verbinden ist die LX-Factory direkt unter der Ponte 25 de Abril, die vom gleichen Archtitekten wie die in San Francisco entworfen wurde und dieser sehr ähnelt. Hier findet man Kunstausstellungen, stylishe Bars, Fotostudios, Plattenlabels, altnernative Restaurants und Clubs.
Das Nachtleben der Stadt ist berühmt und berüchtigt, hier kann man auch schon mal dem ein oder anderen „deutschen“ Surfpro wie Marlon Lipke oder Nicolau von Rupp über den Weg laufen.
Wer es ein bisschen romantischer mag, der sollte nach Sintra fahren und sich die Märchenschlösschen und Villen anschauen die auf einem Berg, inmittten eines vermoosten Waldes stehen. Vom Schloss auf der Bergspitze hat man einen unglaublichen Blick auf die gesamte Küste und ihre Wellen.
Wer kein Bock mehr auf Stadt- und Partyleben und die städtische Crowd beim Surfen hat, setzt sich einfach ins Auto und fährt etwas nördlich ins „World Surf Reserve“ Ericeira oder die „Capital da Onda“ (Wellenhaupstatdt) Peniche. Wer noch mehr Ruhe sucht, fernab von den vielen Surfcamps in Peniche und Co, der sollte sich in Richtung Süden nach Sines begeben, wo man das portugiesiche Pendant zu Trestels ohne große Crowd surfen kann.
Hört sich alles perfekt an, da muss es doch irgendwo einen Haken geben denkt ihr euch? Na ja, einer würde mir da spontan einfallen: Das Wasser ist kalt! Im Winter kann es schon manchmal echt ungemütlich werden und auch im Sommer geht ohne Neo nichts. Wobei dieses Jahr im Mai schon Leute in Boardshorts beim Surfen gesichtet wurden… JA! – Es gibt definitv schlechtere Orte um ein bisschen Zeit zu verbringen als die Hauptstadt unserer portugiesischen Freunde!
text+fotos: eva bernhard
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