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Travel Stories

Byron Bay


On the beaten Track
On the beaten Track

Byron Bay am östlichsten Zipfel Australiens ist der Traum eines jeden reisen-den Surfers. Schneeweisse Sandstrände, perfekte Surf-Spots, in denen sich Delfine tummeln, und Wassertemperaturen wie in der heimischen Badewanne. Doch die -Idylle des einstigen Hippie-Dorfs ist in Gefahr.

Der Ort hat durch den überhand nehmenden Tourismus viel von seinem ursprünglichen Charme verloren. Die Grundstückspreise explodieren, im Wasser ist mehr los als im örtlichen Supermarkt, der süsse Duft des Hippie-Haschs wabert immer seltener durch die Strassen. Um herauszufinden, wie schlimm die Lage wirklich ist, schickten wir unseren australischen Schreiberling D.C. Green auf den ausgetretenen Pfad.

Kleine Stadt, grosser Schatten
Um den Wandel des bei Surfern und Backpackern sehr beliebten Hippie-Städtchens aufzuzeigen, müssen wir zunächst mal zurück in die Vergangenheit blicken – fluuuuuuux… so, wir sind in der Vergangenheit. Eine -beeindruckende Geräuschkulisse bestimmt die Szenerie des vulkanischen Regenwalds. Die Zirpen zirpen, überall kreucht’s und fleucht’s, es ist erdrückend heiss. Wasserfälle erzeugen atemberaubende Regenbogen in der Luft und… halt, was ist das? Ein Arakwal- Eingeborener versucht, mit seinem Bumerang ein Känguru zu erlegen. Aber spulen wir die Zeit wieder 1.000 Jahre vor. Es ist immer noch das Paradies, das Captain Cook 1770 auf -einer seiner Expeditionen entdeckte. „Ich glaube, ich nenne dieses bezaubernde Stück Land Cape Byron!“ Sprach’s und nahm einen Schluck aus seiner Buddel Rum. Nach ihm kamen mehr und mehr weisse Entdecker, Bauern, Goldschürfer, alle auf der Suche nach ihrem Glück. Knapp 200 Jahre später bestand Byron Bay in den 60ern des letzten Jahrhunderts hauptsächlich aus einem grossen Schlachthof, der das Vieh aus dem fruchtbaren Hinterland verarbeitete. Diese Fleischfabrik war der einzige industrielle Zweig in dieser Gegend, verschandelte aber zugleich den Ort. Der üble Geruch von totem Tier verbreitete sich je nach Windrichtung durch Byron Bay. Als die Fabrik 1980 schliesslich dichtmachte, befürchteten viele, der Geruch des Todes würde sich nun auf die ganze Ortschaft niederlassen. Die Grosszahl der Arbeitsplätze ging verloren, und wer wegkonnte, -verliess den Ort. Nur einige Hippes blieben. Die, die sich nicht völlig dem Rauchkraut hingaben, wurden aus der Not heraus geschäftstüchtig und wandelten den Flecken in den, der er heute ist: ein Ort, der Surf-Geschichte geschrieben hat und zum Hot Spot travelnder Backpacker mutiert ist.

The Old Locals
Um herauszufinden, wie die Locals die Wandlung ihrer Heimat sehen, treffe ich David „Sput“ Keevers. Er ist gerade dabei, seinen Surf-Shop „Byron Bay Longboards“ abzuschliessen, und macht Feierabend. Sput, der an dem Tag geboren wurde, als der sowjetische Satellit Sputnik 1958 in den Orbit geschossen wurde, ist einer der Locals, die hier vom ersten Tag an surfen.
Die 60er und 70er waren für Sput die goldenen Jahre des Sports in dieser Gegend, die wirtschaftliche Lage hingegen katastrophal. „Niemand wollte hierher kommen“, erinnert sich Sput. „Am ,Jetty‘ stank es so nach totem Tier, nicht auszuhalten! Als irgendwann auch noch der Schlachthof die Pforten schloss, dachten viele Leute, dass die Stadt dem Untergang geweiht wäre.“

Sput erinnert sich an die Anfänge des heutigen Byron: „Mein Kumpel John Cornell gründete Mitte der 80er das berühmte ,Beach -Hotel‘, an dem heute kein Surfer oder Backpacker nüchtern vorbeikommt. Das ,Beach Hotel‘ war damals der Startschuss für das heutige Byron Bay. Der Ruf von guten Partys und traumhaften Stränden lockte reichere, zivilisiertere Touristen aus den Grossstädten wie Sydney in die Stadt. Und plötzlich floss wieder Geld in die leeren Stadtkassen.“ Auch der Backpacker-Tourismus startete in jener Zeit. „Heute kommen jeden Tag im Schnitt 2.000 Besucher an! Das Hotel und die Surf-Industrie bauten Byron Bay wieder auf. Dieser Umschwung vertrieb viele Hippies, doch die, die blieben, wurden Geschäftsleute – und nicht selten Multimillionäre.“ Dennoch macht der Wandel in Byron Bay Sput Sorgen: „Wenn ein Swell auf die Strände trifft, sind -locker mal 200 bis 300 Surfer bei ,The Pass‘ im Wasser! Früher kanntest du jeden mit Namen und man hatte gegenseitigen Respekt. Heute ist man nur noch eine Nummer und wird nicht mehr als Local behandelt.“ Er schüttelt dabei den Kopf und schliesst die Ladentür ab. „Aber ich darf mich nicht beschweren, schliesslich verdiene ich mein Geld mit den Touristen “, lacht er.

Ich verabschiede mich von Sput und fahre weiter zu dem Mann, der nicht nur Byron Bay, sondern die gesamte Welt des Surfens nachhaltig beeinflusst hat. Bob McTavishs Einfluss auf die australische Surf-Szene durch die Shortboard-Re-volu-tion war seinerzeit gigantisch. Nicht nur in Australien, weltweit waren seine Bretter der Zukunft weit voraus. Aus den klassischen, behäbigen Longboards entwickeltete er innerhalb kürzester Zeit immer radikalere Shortboards. Ironischerweise treffe ich den Shortboard-Pionier in seinem nagelneuen Longboard-Showroom in Byron Bays Industriepark.

Bob surfte die Wellen von Byrons Main Beach das erste Mal, als er dort 1956 mit seiner Familie Urlaub machte. „Damals gab es hier schon eine echte Surf-Szene“, erinnert er sich. Bobs nächste Erinnerung an Byron ist, wie er sich mit 27 anderen Kumpels in ein 1920er-Cabrio quetschte, noch ein Board mit reinschob und sie runter zu „The Pass“ fuhren. „Yvonne Prendergast, eine Fotografin aus der Zeit, schoss davon ein Foto und schickte es der amerikanischen ,Surfer‘. Das war wahrscheinlich das erste Mal, dass Byron im Zusammenhang mit Surfen international in einem Magazin auftauchte.“

Nicht alle seine Geschichten haben einen spassigen Hintergrund. So erinnert er sich, wie ein paar seiner Jungs ein starkes Seil an einem Pick-up befestigten und das andere Ende an einem der Häuser hier, die auf Holzpfähle gebaut wurden. „Sie rissen es einfach vom Sockel! Es fiel platt runter wie ein alter Pfannenkuchen.“ Das war der Anfang des Protests gegen die immer höheren Grundstückspreise.

„Neben den Immobilenhaien waren auch ihre Pendants im Wasser schon immer ein Thema in Byron. Ich erinnere mich, wie ich zusammen mit -meinen Eltern am alten Pier stand und wir diesem Typen zuschauten. Er spiesste gerade ein Rinderherz an einem Haken auf und angelte damit. Plötzlich biss ein grosser Hai an, so dass der ganze Pier wackelte. Nachdem sich der Hai ausgetobt hatte, zog der Typ ihn rüber zur Bootsrampe und liess ihn dort einfach verrotten, einfach so, ohne Grund. Wir vermieden es, in der Gegend zu surfen, weil das ganze Blut noch mehr Haie anlockte. Bei ,Wategos‘ und ,The Pass‘ war das Wasser sehr flach und man konnte die Haie rechtzeitig erkennen. Bei ,The Pass‘ hatten wir immer einen Spotter sitzen, der rechtzeitig Alarm gab. Das war für uns ganz -normal. Alles in allem hatten wir hier in Byron drei tödliche Angriffe und ein paar dutzend, bei denen die Leute überlebten.“

1968 zog Bob schliesslich nach Byron. „Wir mieteten uns eine alte Farm für drei Australische Dollar die Woche und versorgten uns mit Selbstangebautem. Viele von uns Surfern arbeiteten in An-derson’s Schlachthof. Ein paar Tage am Stück Schweine herumzuschubsen reichte, um einen Monat leben zu können. Damals hätte man drei Hektar Land oben über Lennox Head für 3.000 Dollar kaufen können. Wir meinten nur immer: ,Nee, wir finden noch was Günstigeres.‘ Aber das haben wir leider nie…“

Bob hat eine einfache Philosophie, um mit dem heutigen Massentourismus umzugehen: „Ich versuche, Byron jeden Tag so zu sehen, wie die Touristen es tun, und nicht wie ein alter, verbitterter Local nur über die heutigen Zeiten zu schimpfen. Ich versuche, die Schönheit des Orts jeden Tag aufs Neue in mich einzusaugen. Ich fahre oft langsam durch die Stadt, geniesse all die schönen Cafés und leckeren Restaurants.“ Bob schwelgt kurz in Erinnerungen und schreckt plötzlich auf: „Mist, jetzt muss ich aber los, ich bin mit meiner Frau verabredet!“ Mit einem festen Händedruck und einem zufriedenen Grinsen lässt er mich vor seinem Showroom stehen und fährt davon.

Der Surf Industry King
Meine Tour geht weiter. Um herauszufinden, wie andere alteingesessene Locals den Wandel in Byron Bay sehen, treffe ich mich mit Gary Timperley, dem heutigen Surf-Mogul des Orts.

Vor 30 Jahren in den Anfängen professionellen Surfens nannte man Gary den „Gun Man“. Er gewann den Queensland-Titel von 1979 bis ’83. Er räumte alles ab, was es zu gewinnen gab, und tourte sogar auf der World Tour mit. Als Gary mit 24 Jahren am Höhepunkt seiner Karriere war, starb sein Vater und Gary fragte sich, ob er eigentlich alles richtig machte. Garys Vater und Grossvater waren beide Mechaniker. Ihre Werkstatt stand am heutigen Kreisel der Hauptstrasse, Byrons Hauptverkehrsader. Auch Gary und sein Bruder Mark machten in der Werkstatt eine Ausbildung zum Mechaniker. „Aber die Finger so richtig schmutzig gemacht habe ich mir eigentlich nie“, sagt Gary, während er aus seinem Büro über den Kreisel schaut. Er fragte sich, ob Pro-Surfen wirklich seine Zukunft wäre. Die Zukunft von Byron Bay sah ebenfalls düster aus, der Schlachthof hatte gerade dichtgemacht. Aber wie John Cornell mit dem „Beach Hotel“ kam auch Gary zu dem Schluss, dass Byron eine Zukunft hätte, wenn auch ohne ihn als Mechaniker. Also riss er die Werkstatt seines Vaters ab und baute an Byrons prominentester Stelle einen Surf-Shop.

Nach diesem ersten Shop hat Gary im Laufe der Jahre mit der Entwicklung des Surfens weitere Shops eröffnet. Heute ist Gary 48 Jahre alt und Vater zweier surfender Söhne. Er hat ausgesorgt. Sein lokales Empire besteht aus dem „Big Ka-hu-na“-Shop am Kreisel (verkauft Longboards), dem „Es-cape Byron“ (Street-, Surfwear) gegenüber vom „Big Kahuna“, dem „Bay Area“-Surf-Shop (Surfboards, Zubehör) und dem Billabong-Surf-Shop, in dem Gary Lizenznehmer ist. Als unangefochtener König von Byrons Surf-Industrie hat Gary eine andere Meinung zu den Veränderungen in Byron Bay als seine Vorredner: „Die Leute hier heulen gerne rum und regen sich über die Crowds auf. Aber es gibt nach wie vor genug Platz im Line-up. Du kannst es den Leuten nicht übel nehmen, dass sie an diese Küste ziehen bzw. hier ihren Urlaub verbringen wollen. Wir würden es nicht anders machen! Das ist das Leben. Es bringt Veränderungen mit sich.“

The Charger
Vom Geschäftsmann Gary fahre ich weiter zum Pro-Surfer. Kieren Perrow surft auf der WCT, ist 30 Jahre alt und liebt es, sich in richtig grossen Wellen auszutoben. Er wurde in Byron geboren und lebt jetzt mit seiner Frau Danielle und Sohn Toth im friedlichen Viertel Suffolk Park, wo ich ihn antreffe.

Befragt man Kieren zu seinem Heimatort, sagt er, während er Rühr-
ei vom Kinn seines Sohns wischt: „Byron hat den Mythos eines Hippie-Dorfs längst verloren. Heute ist es eher Yuppieville. Ein Freund von mir, der hier in Byron arbeitet, hat bereits 450.000 Dollar auf die hohe Kante legen können, trotzdem ist die Chance, dafür ein Stück Land zu bekommen, gleich null. Toth’ Generation wird es noch schwerer haben.“ Er wuschelt seinem Sohn durch die Haare. „Sie werden wohl wegziehen müssen, die ältere Generation hat es versaut. Und selbst für Touristen ist es hier tough geworden, es sei denn, du bist ein low budget reisender Backpacker oder superreich. Für normale Familien gibt es hier so gut wie kein Angebot. Die Infrastruktur ist ebenfalls eine Katastrophe. Es gibt nur eine einzige Hauptstrasse durch den Ort und keine Umgehung. Echt schlimm, es hätte schon vor Jahren an einer Lösung gearbeitet werden müssen! Im Sommer kommt es zum kompletten Stillstand. Alle müssen an dem einen Kreisel vorbei und der -Verkehr staut sich schon heute oft bis zum einige Kilometer entfernten Highway. Aber jede Entscheidung der Regierung ruft sofort den Protest einiger Bürger auf den Plan. Da Byron auf Sumpfland gebaut wurde, würde eine Umgehungsstrasse automatisch ein Stück davon zerstören. Und einige Leute sind einfach gegen alles. Dennoch muss man sagen, dass Byron trotz all der Menschen noch immer das Flair einer Kleinstadt besitzt. Die Leute sind sehr engagiert, kreativ und lieben ihren Ort. Das überträgt sich.“

Tomorrow’s Superstar?
Am Abend treffe ich mich zu guter Letzt mit Garrett Parkes. Er hat gera-
de „Fluch der Karibik“ geschaut, laut Garrett ist der Film überbewertet. Eine Woche vor unserem Treffen surfte er in der Under 16 Division der ISA World Junior Championships, die er ohne grosse Mühe gewinnen konnte. Die Titelblätter der lokalen Tageszeitungen coverten den Sieg des „Kelly and the Young Guns 3“-Stars, was ihn stolz, aber auch etwas unsicher mache: „Irgendwie finde ich es Scheisse, überall in den Zeitungen zu stehen. Wenn ich hier ganz normal ins Wasser gehe, erwarten alle immer 100 Prozent von mir. Ausserdem verpasse ich durch das Contest-Surfen so viel Stoff in der Schule, dass ich ständig hinterher rennen muss. Neulich kam ich aus Portugal wieder und lief straight in eine Woche voller Prüfungen, ohne dafür gelernt haben zu können. Ich verpasse ungefähr 40 Prozent des -Unterrichts.“

Garrett ist ein typischer Oz Grommet. Dünn, frech, mit einer Zahnspange und strohblonden Haaren. Das Umfeld, in dem Garrett aufwächst, ist der Traum eines jeden Contests surfenden Jugendlichen: Sein surf-verrückter Dad shapt Bretter und war Kneeboarding Champ, er selbst hat ein Trampolin im Garten und seine eigene Surfboard-Signature-Linie, das „Garrett Parkes Grommet Performance Surfboard“. „Als ich mit dem Surfen anfing, gab es noch keine Bretter für mich, also hat mir mein Vater ein 4’8” geshapt.“ Heute, mit stolzen 51 Kilogramm, surft er 5’5er und 5’6er. Aber das, was seiner Karriere am besten tut, ist sein Heimatort. „Byron ist super! Ich kann surfen, skaten und abhängen, alles ist so entspannt.“

Wenn man ihn zu den Crowds befragt, antwortet Garrett: „Es kommen so unfassbar viele Backpacker hierher. Sie kommen alle, um zu feiern und am Strand abzuhängen. Ich kümmere mich nicht weiter um die, aber ich freue mich schon darauf, wenn ich auch bald in die Nightclubs darf.“ Sein Gesicht durchzieht ein schelmisches Grinsen. Garrett erzählt, dass es aber noch einen grösseren Hassle in Byron Bay gebe als die Backpacker. „,The Pass‘ ist voll von Longboardern. Die meisten verstehen nicht, dass sie eine echte Ge-fahr für die anderen darstellen. Es gibt keine Regeln mehr, jeder versucht einfach, sein Ding durchzuziehen, ohne sich an die Regeln zu halten. Das suckt!“ Als sich das Interview dem Ende neigt, kommt Mama Karen um die Ecke. Sie will sicherstellen, dass auch alles mit rechten Dingen vonstatten geht und ihr Sohn artig ist. „Er ist ein echter Profi!“, sage ich ihr und ihre Augen leuchten auf. Garrett nimmt diese Gelegenheit, um sich kurz zu entschuldigen: „Sorry, ich muss mir mal kurz ’nen Popel aus der Nase ziehen.“

Obwohl Byron Bay und die Welt sich verändert haben mögen, vieles ist in Byron noch immer wie früher und der Spirit der alten Zeit an jeder Ecke zu spüren. Und so sollte jeder, der Byron Bay noch nicht besucht hat, hier zumindest einmal im Leben diese einmalige Atmosphäre erlebt haben und zusammen mit den Einheimischen das Leben geniessen!

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