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The Mission 2007

Vor dem Paradies liegen Paris und circa 20 Stunden Flugzeit, dann hat man es fast geschafft: Papeete/Tahiti, Heimat der besten Wellen der Welt, und wenn man es glauben mag, die wahre Wiege des Surf-Sports. An Bord des Air-France-Fluges AF704: acht Top-Surfer. Wir sind auf dem Weg zu einem luxuriösen 40-Meter-Katamaran, der mit uns unbekannte Spots in Französisch-Polynesien ansteuert. Das ist keine Einladung eines surf-verrückten Millardärs, sondern ein neues Contest-Format der Firma O’Neill. Oder einfach: The Mission.

Wer um alles in der Welt will nachts um vier Uhr nach über 30 Stunden Reise noch tanzen? Aber es gibt kein Entrinnen. Eine einheimische Tänzertruppe fällt über unsere kleine Gruppe her und schafft es, Justin Mujica und andere Top-Surf-Stars zum Mittanzen zu bewegen. Willkommen auf Tahiti, willkommen in der Südsee, willkommen im Land der grossen Wellen, der süssen Klänge und des warmen Wassers oder simpel Surfer’s Paradise!

Nachdem der Surfer-Tross endlich im Hotel angekommen ist, erwartet uns ein Tag Stop-over, bevor es weitergeht. Ein paar Stunden später quetsche ich mein Board in ein Mietauto und steuere Teahupoo an. Tahiti zu besuchen, ohne einmal den grossen Zeh vor das messerscharfe Riff ins Wasser zu stecken, wäre frevelhaft. Während meiner Fahrt rufe ich Raimana an. Raimana Van Bastolaer ist unser Surf-Guide auf der O’Neill Mission, einer der besten Big-Wave-Surfer von Tahiti und der Checker von „Chopes“. Er weiss, wann die Wellen kommen, und er weiss, ob dann Laird Hamilton, Shane Dorian, Evan Slater oder andere Big-Wave-Guys aus aller Welt im Anflug sind. Sein Handy dürfte gespickt sein mit den Nummern aller wichtigen Surf-Stars. Weltberühmt ist Raimana selbst geworden, als er von einem Jetski in der Lippe einer gewaltigen Teahupoo-Welle fast den Kopf rasiert bekommen hätte. „Oh, my friend“, sagt Raimana, „there is no swell for Teahupoo today. But come to my house and we go surfing in Paparaa!“ Ich erkläre Raimana das mit dem grossen Zeh und wir verabreden uns für später. Nachdem ich meinen Teahupoo-Segen habe, fahre ich nach Paparaa. Paparaa ist einer der wenigen Beach Breaks von Tahiti. Ich begrüsse Raimana und stolpere in die Wellen. Mein nagelneues Norden-Board aus dem 20.000 Kilometer entfernten Kiel dankt es und wir surfen die ersten Tahiti-Wellen.

Später auf der Terrasse von Raimanas Haus erzählt er mir von unserem bevorstehenden Trip. Raimana ist als Water Patrol und Surf-Guide gebucht und hat sich die Route für die O’Neill Mission ausgedacht. Tahiti gehört zum weit verzweigten Netz der 118 Inseln Französisch-Polynesiens und ist rein rechnerisch der Ort, der am weitesten entfernt von einem Festland liegt. Zwischen den Atollen finden sich hunderte von Breaks und Riffen, an denen wohl noch nie ein Mensch gesurft hat. Raimana erklärt, dass es Breaks gibt, an denen kein Fotograf und erst recht kein Filmer willkommen ist. Localism auch im Paradies. Für den Trip hat er das eine Flugstunde oder circa 40 Bootsstunden von Tahiti entfernte Tuamotu-Archipel ausgesucht, das sich über ein Gebiet von zwei Millionen Quadratkilometern erstreckt. Die ideale Spielwiese für die Mission, ein Freesurf-Contest-Format mit 50.000 Dollar Preisgeld, bei dem sich die Surfer nach jeder Session selbst judgen und am Ende gemeinsam den Sieger in einer Video-Session küren, der dann mit einem Scheck über 25.000 Dollar nach Hause geht.

Zurück im Hotel werden die Berge von Boardbags verstaut und es geht am nächsten Morgen früh mit dem Flugzeug weiter nach Fakarava. Unser Ziel ist die „Haumana“, eine schwimmende Luxusherberge, ein 140-Fuss-Katamaran mit drei Stockwerken. An Deck wird schnell klar: Dies ist kein normaler Surf-Contest! Die Stimmung ist ausgelassen, jeder freut sich auf den ersten Surf, das Essen an Bord ist fantastisch und die grösste Sorge der hawaiischen Filmer-Legende Larry Haynes ist, dass das Wasser im Jacuzzi am Vorschiff nicht richtig heiss wird – welcome to paradise!

Ich entspanne mich mit Tahitis Nationalbier Hinano auf dem Oberdeck und versuche, mit dem Mantra „Dies ist Arbeit!“ wieder von dem Götterzustand herunterzukommen. Als hilfreicher Freund in dieser Lage erweist sich Dave Mailman. Dave ist Contest-Speaker und ASP-Präsident für Europa. Wir analysieren gemeinsam das Contest-Feld: „Also“, sagt Dave und hält seine Bierflasche gegen die rote Abendsonne, „da ist die europäische Fraktion mit den beiden Europameistern Patrick Beven und Justin Mujica. Beide hoch motiviert und extrem gut in allen Bedingungen. In beiden fliesst südamerikanisches Blut: Patrick kommt aus Brasilien und lebt jetzt in Frankreich, Justin ist in Venezuela geboren und treibt sein Unwesen heute in Portugal. Den beiden traue ich gerade in kleineren Wellen eine Menge zu, sie sind seit Jahren auf der ASP WQS Tour und erfahrene Contest-Surfer. Dann haben wir die hawaiische Truppe Ian Walsh, Clay Marzo aus Maui und Roy Powers aus Kauai. Extrem hohes Surf-Potenzial. Ian hat die dicksten Eier und tummelt sich in den grössten Wellen der Welt herum, Clay ist das hawaiische Wunderkind, mit gerade 17 Jahren gehört ihm die Zukunft des Surf-Sports. Kelly Slater hat ihm bereits einen Weltmeistertitel vorhergesagt. Und Roy Powers ist feinstes North-Shore-Surfing im Wolfpack-Style.“

Dave blickt in die Abendsonne und einen beinahe schon kitschigen Sonnenuntergang „Nicht zu vergessen unsere Tahiti-Fraktion: Manoa Drollet ist der König von Teahupoo und hat im letzten Jahr nachweislich die grösste Welle erwischt, die jemals in ,Chopes‘ gebrochen ist. Michel Bourez ist der ,Prinz von Tahiti‘. Er chargt in grossen Wellen genauso wie auf der Contest-Tour. Er ist amtierender Europa-Champ, ein super Athlet mit dem klaren Ziel, einer der besten Surfer der Welt zu werden. Ich sehe ihn in spätestens zwei Jahren auf der WCT“, sagt Dave und nimmt einen Schluck Hinano. „Und dann haben wir noch den fünften Kontinent an Bord“, grinst der Präsident. „Jarrad Howse, ehemaliger WCT-Surfer aus Sydney, ,Mr. Nice Guy‘ mit verdammt viel Erfahrung an allen Spots dieser Erde.“ Wir prosten uns zu. Damit ist klar: An Bord dieses Luxusdampfers ist nicht nur das Oberdeck luxuriös, sondern auch die Surf-Qualität der Mission-Surfer gehört zum Besten, was man finden kann. Raimana kommt auf uns zu. „Look to the water!“, sagt er. Wir haben geankert und blicken über die Reling der „Haumana“. Wir haben Besuch bekommen: Zehn bis 15 Riffhaie lungern am Heck des Katamaran herum und bestaunen unseren Ausflug. Im Wasser ist man halt auch am entferntesten Spot dieser Welt nicht ganz allein. Dass sich Dave zehn Minuten später im Wasser wieder findet und für ein paar läppische Euro einen nächtlichen „Shark Swim“ einlegt, ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.

Am nächsten Tag steht die erste Surf-Session auf dem Programm. Mit zwei schnellen Beibooten und Jetskis geht es zum Tetamanu Pass. Der Swell läuft sauber und mächtig aufs flache Riff und der Surfer-Trupp verschwindet zur Arbeit. Bei den ersten Wellen zeigt sich, wie heiss alle darauf sind, an diesem unbekannten Spot ein Stück Surf-Geschichte zu schreiben. Justin Mujica muss anscheinend Hormone abbauen und schnappt sich eine Welle nach der nächsten. Manoa Drollet lässt seine Big-Wave-Erfahrung aufblitzen und verschwindet in den ersten Barrels und Clay Marzo zeigt, was er aus Lahaina mitgebracht hat: bestes New School Surfing und seinen Signature Trick, der uns im Channel immer wieder zum Jubeln veranlasst: Clay attackiert bei jedem Cutback so radikal, dass die Finnen die Lippe durchschneiden und er für kurze Zeit auf dem Wellenkamm slidet. Überragend auch Michel Bourez: Der Tahitianer surft die Wellen mit einer Power, die zeigt, was in ihm steckt. Seine Cutbacks sind so radikal und schnell, dass er im 180-Grad-Winkel wieder zur Lippe hinaufschiesst, um den Wellenkamm dann in tausende Tropfen Spray zu schlitzen. Roy Powers klettert als Erster zurück an Bord und strahlt übers ganze Gesicht. „Solid surfing, guys!“, lacht er und verschwindet mit einem „Could be a little bit bigger“ wieder im Wasser.

Am Abend werden die Wellen auf Video ausgewertet. Jeweils zwei Kameras filmen alle Wellen der Surfer und so können sich die Fahrer ihre besten Ritte des Tages aussuchen, die dann ins Finale eingehen sollen. Schon nach dem ersten Abend merkt man, dass das Contest-Format die Surfer deutlich motiviert, neue Dinge auszuprobieren und das Surfen ein Stück weiter zu pushen. Die Videoaufzeichnungen zeigen jeweils die besten Wellen der Jungs und abends analysieren alle ihre Action auf Video.

Der O’Neill-Eventmanager Bernhard Ritzer hatte vor einigen Jahren die Idee zu diesem Format. Der ehemalige Snowboard-Profi wusste, dass Contest-Formate mit Filmauswertung den Sport nach vorne bringen können und die Fahrer solch ein Format lieben. „Wir wollten uns weg von den klassischen ASP-Contests bewegen“, sagt er, „Weltklasse-Surfer in den besten Wellen, in warmem Wasser und mit der Zeit, neue Dinge und innovative Moves auszuprobieren.“ Das Format geht auf. Für alle Surfer ist die O’Neill Mission ein Contest-Highlight der Saison und jeder ist froh, zu diesem Event eingeladen zu sein und sein Können der Welt und den Surfer-Kollegen zu zeigen. Die besten Fotos und Filme werden jeden Abend auf die O’Neill-Homepage hochgeladen, so dass auch der Rest der Welt zu Hause in die Mission eintauchen kann.

Wir bleiben zwei weitere Tage am Tetamanu Pass und die Sessions verlieren nicht an Spannung. Jeder Surfer gibt Vollgas und wir bekommen zerbrochene Boards, riffzerschürfte Beine und eine Menge unglaublicher Wellenritte zu sehen. Dann lichten wir die Anker unserer schwimmenden Luxuserberge und die Mission zieht weiter im Archipel. Der nächste Stopp ist eine weitere kleine Inselgruppe mit dem Namen Faaite, hier laufen in der Einfahrt zum Atoll eine saubere Left und eine Right mit grossem Potenzial. Die glorreichen acht entscheiden sich für die Right und droppen in die Welle. Für uns als kleine, exklusive Zuschauerkulisse ist es schwer zu sagen, wer der Beste ist. Ganz klar an der Spitze surfen Hawaii und Tahiti; aus diesen beiden Gruppen ragen Michel Bourez und Clay Marzo hervor, dicht gefolgt von Manoa und Ian Walsh. Der fünfte Kontinent vertreten durch Jarrad zeigt zwar bestes Surfen, dem aber ein wenig die Innovationsfreude fehlt, die dieses Contest-Format fordert. Clay und Michel zeigen ihr volles Potenzial, und als beide ihre Ritte auch noch mit satten 360° Airs küren, ist wohl allen klar, dass der Sieg zwischen den beiden Youngstern des Trips ausgefochten wird. Clay schafft es gar, die Right mit einem gewagten Drop-in nach links zu surfen und dabei tief gebarrelt zu werden. Wir taufen den neuen Spot in „Marzo’s Left“.

Nach insgesamt fünf Surf-Tagen ist die Mission beendet und die „Haumana“ legt ab, um an unseren Ausgangspunkt zurückzucruisen. Die Surfer und die Video-Crew sind damit beschäftigt, eifrig die besten Wellen in einen Fünfminuten-Clip zu schneiden, der Vorlage zum Judgen werden soll. Nicht so ganz einfach für die Surfer: Justin Mujica war einer der fleissigsten Wellen-Scorer und schafft es kaum, seinen Video-Part unter 20 Minuten zu kürzen. Am Ende ist es geschaftt und Contest Director Matt Wilson empfängt die Surfer zum Judging. Gebannt schauen wir auf die Auswertung von vielen Surf-Stunden und am Ende muss jeder Surfer sein Voting abgeben. Das Ergebnis ist eindeutig: Michel Bourez gewinnt die O’Neill Mission 2007 einstimmig, auf Platz zwei landet Clay Marzo und Platz drei sichert sich „Mr. Barrel King“ Manoa Drollet. Tahiti liegt also ganz weit vorne in der Länderwertung, und wer weiss, vielleicht behält Kelly Slater Recht und Clay Marzo wird tatsächlich einmal Weltmeister. Und Michel Bourez, der Prinz von Tahiti, ist ebenfalls auf bestem Wege, einer der ganz Grossen der Surf-Welt zu werden. Watch out for The Mission surfers!

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