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Mark Occhilupo

Das Leben der Surfer-Legende Mark Occhilupo gleicht einer Achterbahnfahrt ohne Sicherheitsbügel. Nachdem er früh als bester Surfer der Welt gehandelt wurde, zerbricht er wenige Jahre später am sehr hohen Erfolgsdruck. Drogen, Alkohol und Depressionen bestimmen daraufhin für lange Zeit sein Leben. Doch dann das Comeback, mit dem niemand mehr gerechnet hat: „Occy“ holt sich im Alter von 33 Jahren den Weltmeistertitel und beschliesst seine Karriere als glücklicher Familienvater und Surfgott für Millionen von Fans!

Geboren und aufgewachsen ist Mark Occhilupo in Kurnell, einem kleinen Nest in der Nähe von Sydney. Im Alter von neun Jahren schubst ihn seine Schwester Fleur das erste Mal in die kleinen Wellen seines Heimatorts und ahnt nicht, was sie damit in ihrem Bruder anrichtet. Wie nach einem Schuss Heroin ist Occy sofort süchtig nach Surfen. Doch erst als die Familie einige Jahre später in die Industriestadt Cronulla zieht, vor dessen Küste regelmässig saubere, kraftvolle Wellen brechen, ist die Grundlage für eine aussergewöhnlichen Karriere endgültig gelegt. Occy nutzt die guten Trainingsbedingungen, um sein Surfen immer weiter zu perfektionieren.

Die Strände vor der Haustür werden zu seinem zweiten Zuhause. Schliesslich gewinnt er seinen ersten Amateur-Event im Alter von 13 Jahren und beweist mit zwei weiteren Siegen bei grösseren Junior-Events seine Contest-Stärke. Sponsoren werden auf ihn aufmerksam und nehmen den Grommet unter ihre Fittiche. „An den australischen Küsten sieht man jeden Tag sehr viel junges Talent surfen, doch als ich Mark das erste Mal im Shorebreak von Cronulla habe abgehen sehen, konnte ich es kaum fassen, wie schnell und kraftvoll er surfte. Mir war sofort klar, dass dieser Junge eine steile Karriere vor sich haben würde!“, erinnert sich Wayne „Rabbit“ Bartholomew, der Präsident der ASP Tour.

Nach der zehnten Schulklasse zieht Mark von zu Hause aus, um sich endgültig als ASP-Neuling zu behaupten und mit der Tour um die Welt zu jetten. Billabong, sein Sponsor der ersten Stunde, steht fest an seiner Seite und unterstützt ihn bei all seinen Entscheidungen. Das gibt Occy die nötige Rückendeckung und so kämpft er sich bereits im ersten Jahr an die Spitze der WQS, der zweiten Surf-Liga. 1984 feiert er als gerade mal 17-Jähriger sein Debüt auf der World Championship Tour und belegt gleich im ersten Jahr einen Platz unter den Top Ten der Welt. Seine kraftvollen Snaps, die schnell zu seinem Markenzeichen werden, lassen jeden Gegner erzittern und die Herzen der australischen Fans höher schlagen.

Mark Occhilupos kraftvolles Surfen war zu der Zeit einzigartig. Er setzt neue Standards in Sachen Radikalität und seine Backside Re-entries bringen noch heute Profis zum Staunen. Viele behaupten, er sei der beste Goofy-Footer aller Zeiten. Regular surfende Fans und Pros schauen sich Videos von Occy im Spiegel an, um zu verstehen, wie seine radikalen Moves funktionieren.

Occy wird in Australien als Held gefeiert, ähnlich wie zur gleichen Zeit auf amerikanischen Boden Tom Curren. Und so schiessen jedes Mal, wenn Occy und Curren in Events aufeinander treffen, die Einschaltquoten im amerikanischen und australischen Fernsehen in ungeahnte Höhen und die Contest-Tribünen vor Ort sind zum Bersten voll. Volksfeststimmung ist angesagt! Dank der beiden Idolen steht Surfen in den 80ern plötzlich im Rampenlicht der Medienwelt. Das führt sogar so weit, dass Hollywood auf die Surf-Stars aufmerksam wird und Occy zu einer ersten Filmrolle in dem fragwürdigen „Surf-Epos“ „The North Shore“ kommt.

Curren und Occy sind die Surf-Helden, aber nicht nur sie, sondern vor allem die Surf-Firmen profitieren davon. Jeder will so sein wie die grossen Vorbilder, jeder will ihren Surf-Stil kopieren, die gleichen Klamotten tragen und Bretter surfen. Und je grösser die Rolle wird, die die Finanzen im Surf-Sport spielen, desto stärker lastet auch der Druck auf den breiten Schultern des Australiers. Fünf Jahre lang wirbelt Occy die Top Ten der WCT Tour ordentlich durch, doch der lang ersehnte Weltmeisterschaftstitel bleibt ihm verwehrt. Immer wieder verpasst er ihn knapp. Die Geduld des „rasenden Bullen“, wie er von seinen Fans genannt wird, wird immer weiter auf die Probe gestellt.

1988 wird der Druck schliesslich zu gross und Occy bricht völlig überraschend einen Viertelfinal-Heat beim wichtigsten Event des Jahres, dem OP Pro in den USA, ab. Ausgebrannt und satt von dem Rummel um seine Person zieht er sich in sein Haus in Cronulla zurück und verschwindet fast komplett von der Bildfläche. Sein Interesse am Surfen sackt auf null und er versinkt in tiefe Depressionen. Alkohol und Drogen werden zu seinen besten Freunden und der durchtrainierte, durch vegetarische Ernährung, viel Sport und Yoga fitte Sportler mutiert zum fetten, Zigaretten rauchenden, von Selbstmitleid zerfressenem Alkoholiker.

In den folgenden Jahren versucht er immer wieder mit halbherzigen Comeback-Versuchen, sich erneut für die WCT zu qualifizieren, doch ohne Erfolg. Der bekannte Filmemacher Jack McCoy nimmt seinen guten Freund über die Jahre immer wieder mit auf Surf-Trips, um ihn als Freesurfer vom Druck der Contest-Welt zu befreien und ihn wieder den Spass am Surfen spüren zu lassen. Doch auch diese Versuche bringen Occy nur kurzfristig wieder zurück auf den alten Pfad. Und so verschanzt er sich nach einem Trip erneut für ein weiteres Jahr in seinem Haus. Er verwandelt sich am Höhepunkt seiner Depressionen zu einem lebenden Kartoffelchip und erreicht ein Gewicht von 110 Kilogramm. Er lässt sich gehen, quillt auf wie ein Schwamm und eine Sinnkrise jagt die nächste.

Jack McCoy, Occys Sponsor Billabong, der auch in dieser Zeit immer zu ihm hält, und die Fans geben Occy dennoch nie auf. Jack schafft es schliesslich, den total verfetteten Spitzensportler von der Couch zu bekommen und mit ihm ein intensives Trainingsprogramm an der abgeschiedenen Küste Westaustraliens zu absolvieren. Von 110 Kilo trainiert sich Occy auf 75 Kilo runter und tritt 1997 nach fast einem Jahrzehnt höchst fokussiert zum spektakulärsten Comeback in der Geschichte des Surfens an. Der „rasende Bulle“ springt wieder ins Rampenlicht der Surf-Welt!

In seinem ersten Comeback-Jahr beendet er die World Qualifying Series mit einem motivierenden 20. Platz und erreicht das Finale der prestigeträchtigen Pipeline Masters. Wieder qualifiziert für die Top 44 landet er bereits ein Jahr später hinter dem zu der Zeit als unschlagbar geltenden Weltmeister Kelly Slater auf dem zweiten Platz. Doch trotz des starken Vizeweltmeistertitels kann er noch immer keinen einzigen Sieg bei einem WCT-Event auf seinem Konto verbuchen. Sponsoren und Fans machen sich Sorgen, dass er am Status des ewigen Zweiten erneut zerbrechen könnte. Doch Occys Nerven sind stark und schon ein Jahr darauf lässt der Erfolg nicht mehr auf sich warten. Er holt sich in seiner Lieblingswelle Bells Beach den begehrten Event-Sieg.

1999 dann, 15 Jahre nach seinem Debüt auf der ASP Tour und im dritten Jahr nach seinem Comeback, wird Occy endlich für all seine Mühen belohnt: Mit seinen Siegen bei den Gotcha Tahiti Pro, Quiksilver Pro Fiji und den Billabong Pro in Mundaka sammelt er genügend Punkte, um sich mit der Weltmeisterschaftskrone den lang ersehnten Traum zu erfüllen. Occy ist im siebten Himmel und seit langer Zeit wieder im Reinen mit sich und seinen Selbstzweifeln. Durch dieses unvergleichliche Comeback wird der inzwischen 33-Jährige weltweit zum lebenden Surf-Gott und selbst der letzte Kelly- oder Curren-Fan gönnt dem sympathischen Aussie den Titel.

Auch sonst läuft im Hause Occhilupo alles perfekt. Er heiratet im gleichen Jahr seine grosse Liebe Mae Montaro und so könnte man das Kapitel Occhilupo jetzt schliessen und mit den Wörtern „Happy End“ beenden. Doch Mark macht weiter, surft erfolgreich ein Jahr nach dem nächsten. Erst Anfang 2005, im Alter von 39 Jahren und somit teilweise mehr als doppelt so alt wie seine Contest-Gegner, kündigt er an, das folgende Jahr soll das Letzte sein.

Durch seinen frühzeitig angekündigten Rücktritt sorgt er während des letzten Jahres für eine wahre „Occymanie“. Jeder will den Star noch einmal in Aktion sehen. In jedem Heat wird er frenetisch angefeuert und bei jedem seiner kraftvollen Snaps und Re-entries gehen euphorische Jubelschreie durch die Reihen der Zuschauer. Mit einem sehr guten zwölften Platz beendet Mark seine Karriere dann, die vor 23 Jahren begann.

Der Grund für das Ende sei nicht sein hohes Alter gewesen – er ist noch immer heiss aufs Surfen -, sondern sein Sohn Jay, der im Jahr zuvor zur Welt gekommen ist. Mark will dabei sein, wenn Jay aufwächst. Der kleine Jay verdankt seinen Namen übrigens dem berühmten Surf-Spot J-Bay in Südafrika, mit dessen Wasser er auch getauft wurde. „Ich bin im Moment so glücklich wie nie zuvor. Ich habe Jay und Mae und wir sind eine glückliche kleine Familie. Hoffentlich ist bald weiterer Nachwuchs unterwegs und ich freue mich auf meinen Ruhestand.“

Ruhestand? In Occys Leben wird es wohl nie so etwas wie einen Ruhestand geben und auf die Frage, was er machen würde, wenn sein Sponsor ihm eine Wildcard für den nächsten WCT-Event geben würde, antwortet Occy: „Klar würde ich die annehmen – aber mehr aus Spass an der Sache und um alte Freunde wieder zu treffen als um ehrgeizig um den Sieg mitzukämpfen.“ Bleibt zu hoffen, dass Occy vielleicht doch noch mal einen Surf-Event mit seiner Präsenz bereichert. Sein Rücktritt nimmt der Surf-Welt jedenfalls einen der grössten und spannendsten Charaktere des Sports und hinterlässt ein grosses, nur schwer zu füllendes Loch.

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