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Bobby Martinez

Bobby Martinez lebt zwischen zwei Welten. Im überwiegend weisshäutigen Surf-Cosmos wird der 25-Jährige als der nächste Kelly Slater, Weltmeister in spe und als die Surf-Hoffnung schlechthin gehandelt. In der ghettomässigen Westside seiner Heimatstadt Santa Barbara, ist er für die Hispanics nur ein lächerliches Weichei auf einem Surfbrett. Doch wäre das Surfen nicht gewesen, wäre Bobby jetzt wahrscheinlich im Knast oder der Kopf einer Latinogang. Dabei wollte der Sohn mexikanischer Einwanderer immer nur eines: Akzeptanz! Surfers sprach mit ihm über die nichtalltäglichen Insignien eines Pro Surfers.

Bobby, erzähl uns von deiner Kindheit und dem Verhältnis zu deiner Familie.
Das Verhältnis zu meiner Familie ist sehr eng. Und das ist gut so. Denn die Gegend in der ich aufgewachsen bin, war wirklich hart. Das enge Verhältnis zu meinen Eltern hat mir in meiner Kindheit oft geholfen. In Santa Barbaras West Side gab es früher, als ich ein Kind war, einen Haufen Gangs. Familien sind daran zerbrochen. Es war ein Viertel mit richtigem Gangster-Shit. Viele Typen, die ich kannte, wurden erschossen oder abgestochen. Mein Cousin zum Beispiel wurde in einem Strassenkampf ermordet. Eine Vergangenheit wie diese ist nicht normal, schon gar nicht für einen Surfer in der WCT.

Wieso lebst du denn immer noch dort?
Heutzutage ist es nicht mehr so gefährlich. Dort wo wir früher abhingen, ist jetzt eine Polizeistation, die hat jetzt die Kontrolle über das Viertel übernommen. Klar passiert ab und zu noch was, aber es ist nicht mehr so schlimm. Doch ich kenne tatsächlich eine Menge Leute, die immer noch in Gangs sind und bis Heute versuchen da raus zu kommen. Irgendwie schaffen sie es nicht.

Wie sehr warst du involviert in den Gang-Alltag?
Nicht so stark. Es war generell cool mit den Jungs. Ich meine, ich gehörte dazu, aber ich war nicht der Typ, der bei all den Sachen mitmachte. Ich interessierte mich mehr für Sport, wie Surfen, Basketball oder Fussball. Aber generell war es eine schöne Zeit. Wir hatten unseren eigenen Klub am Stadtpark, den Boysclub. Der Klub war mein zweites Zuhause und der Typ, dem der Laden gehörte, war wie ein zweiter Vater für mich.

War das Surfen damals eine Art Flucht?
Ja, ich glaube das war es. Ich wollte nie in einer Gang enden. Für einige dieser Kids, ist es das Wichtigste in ihrem Leben, und ich kann das auch verstehen. Sie haben sonst nichts anderes. Sie können nicht einfach losgehen und sich ein Surfbrett kaufen. Sie hängen einfach mit ihren Freunden ab. Ich verurteile sie nicht. Weisst du, ich habe Familienmitglieder die so aufgewachsen sind. So ist das halt. Aber ich bin sehr glücklich, dass ich das Surfen für mich entdeckt habe. Ich kann mir nur zu gut vorstellen, was mit mir passiert wäre, wenn ich heute nicht Surfen würde.

Klingt, als hätte das Surfen dein Leben gerettet?
Ich würde schon sagen, dass es mich gerettet hat, denn es ist mein Leben. Aber ich habe nie an die Pforten des Todes geklopft.

Aber du bist der einzige Surfer aus deinem Viertel. Wie hat das angefangen?
Ich war etwa sechs Jahre alt. Wir waren viel am Strand. Ich war stundenlang mit meinem Boogie Board im Weisswasser. Nachdem ich von meinen Eltern zu Weihnachten ein Shortboard bekommen habe, ging es richtig los. Von da an nahm mich mein Vater nach der Schule immer mit zum Surfen an den Strand. Das war echt cool. Meine Eltern haben mich immer unterstützt. Sie waren immer einverstanden mit mir und dem was ich mache.

Dein Familienhintergrund ist definitiv ein anderer als bei den meisten Surfern auf der World Tour. Hast du dich deshalb je isoliert gefühlt?
Ich empfinde es manchmal so. Wir haben zwar die gleichen Dinge gemeinsam, weil wir Surfen und das Surfen lieben. Aber ich weiss wo und wie ich aufwuchs und ich weiss, dass mich das von allen anderen unterscheidet. Ich bin gross geworden in einer mexikanischen Umgebung. Und die Kids um mich rum waren alles, nur nicht weiss. An meiner Schule war kein einziger weisser Schüler. Erst als ich mit dem Surfen anfing, lernte ich weisse Kids kennen. Deshalb fühle ich mich etwas fremd auf der Tour. Ich glaube viele können meinen Hintergrund nicht nachvollziehen. Umgekehrt fiel es auch den Jungs im Viertel schwer, dass ich Profisurfer geworden bin. Noch vor kurzem machten sie ständig ihre Witze über mich. Sie nannten mich „Surfer Dude“ und den ganzen Bullshit.

Was hat dich mehr geprägt – deine Kindheit im Viertel oder das Surfen?
Beides. Heutzutage hänge ich aber definitiv mehr mit Freunden ab, die auch Surfen. Diese Jungs verursachen keinen Ärger. Es fällt mir schwer noch viel Zeit mit meinen anderen Freunden zu verbringen. Was nicht heisst, dass ich vergessen habe, woher ich herkomme, wie ich aufgewachsen bin und wo meine Roots sind. Aber die Leute, mit denn ich aufgewachsen bin, haben einfach ganz andere Interessen.

Das klingt fast so, als ob du glaubst, sie könnten einen negativen Einfluss auf dich haben?
Nein, so ist das nicht gemeint. Aber keiner von denen surft. Ich versuche hier nicht, sie abzuschreiben oder gar zu verurteilen, aber die Jungs hängen nur in ihrem Viertel ab. Ich versuche wenigsten zu Surfen und hoffe auf eine Karriere, wenn die Dinge sich gut entwickeln. Und bisher haben die Dinge sich gut entwickelt. Ich meine, wenn du als Kind in so einer Umgebung gross wirst, ist Surfen das letzte woran du denkst. Ganz zu schweigen von dem Gedanken, dass man jemals damit Geld verdienen kann. Ich hab angefangen, weil es mir Spass machte.

Mit 17 Jahren hast du, mit bereits sieben gewonnen US-Meisterschaften, einen neuen NSSA Rekord aufgestellt. Für viele warst du schon damals so etwas wie der nächste Kelly Slater.
Ich habe es auch gelesen, aber das ganze Gerede darüber ging bei mir zu einem Ohr rein und zum anderen wieder raus. Was die Leute darüber gesagt und geschrieben haben war mir egal, denn sie hatten keinen blassen Schimmer davon, wo ich herkomme. Damals, als der Rekord bekannt gegeben wurde, war ich noch sehr jung. Deshalb kapiere ich nicht, wie sie sagen konnten, dass ich der nächste Kelly Slater sei. Wenn ich von einem Wettkampf zurück nach Hause komme und mit den Jungs abhänge, mit denen ich aufgewachsen bin, dann bin ich nur „some little fucking kid“. Weisst du was ich meine? Ich bin ein niemand. Kelly steht über allen und ich kann beim besten Willen nicht verstehen, dass jemand wie ich mit ihm verglichen wird. Als Kelly auf der Bildfläche auftauchte, machte er Sachen die kein anderer konnte. Er war der erste, der 360er Carves zeigte und die Leute machten es ihm nach. Er erfand einfach Tricks – So etwas habe ich nie gemacht. Ich surfe mit einem ganz anderen Anspruch. Keiner ist wie Kelly. Es gibt vielleicht ein paar Kids, die wirklich verdammt gut sind, aber es gibt keinen nächsten Kelly Slater.

Du hast ja schon mal eine Zwangspause eingelegt. 2002 hast du dir dei-ne Schulter gebrochen und musstest acht Monate pausieren. Wie war diese Zeit für dich?
Ich konnte es nicht fassen, als das passierte. Ich war so an das Surfen gewöhnt und liebte es so sehr, dass ich nicht begreifen wollte, dass es nicht weiter ging. Aber irgendwie musste ich den Gedanken akzeptieren und mich selber beruhigen. Hey, das ist nicht Alles im Leben, Surfen ist nur ein Sport. Wenn ich nicht mehr in der Lage sein sollte, jemals wieder zu surfen, so habe ich doch immerhin noch mein Leben.

Was würdest du tun, wenn du nie wieder surfen könntest?
Scheisse, weisst du was ich tun würde? Ich würde Rottweiler züchten. Meine Freundin und ich haben zwei und wir haben kürzlich darüber gesprochen. Ich interessiere mich sehr für Hunde und halte sie für die liebenswertesten und gütigsten Tiere überhaupt. Also, wenn ich nicht mehr surfen könnte, würde ich mir ein Stück Land kaufen und definitiv Rottweiler züchten.

Lass uns über deine Tattoos reden. Welche Bedeutung haben sie?
Ein sehr guter Freund von mir ist Tattookünstler, fast alle meine Bilder hat er gestochen. Auf meinen Hüften habe ich je ein Bild von meinen Hunden, Oso und Rio. So sind sie immer bei mir, wenn ich unterwegs bin. Der Name meiner Mutter ist auf meinen ober-en Rücken tätowiert und zeigt mein enges Verhältnis zu ihr. Die Worte Santa Bruta auf meinem unteren Rücken stehen für meine Zugehörigkeit zur Westside von Santa Barbara. Damit ich immer auf dem Boden bleibe und nie vergesse wo ich herkomme und wo meine Wurzeln liegen. Die Collage auf meinem rechten Arm und meiner Schulter symbolisiert meine mexikanischen Wurzeln. Ach, und meinen Sieg beim Billabong Pro 2006 habe ich auch verewigen lassen. 5/13 steht einerseits für den Tag an dem ich den Contest gewonnen habe aber auch für den Geburtstag meines Vaters.

Wie gehst du mit Druck um?
Es gab eine grosse Erwartungshaltung zu Beginn meines ersten WCT-Jahres 2006. Damals wollten meine Sponsoren, dass ich bei den Contests gut abschneide und übten einen Menge Druck aus. Mittlerweile haben sie kapiert, dass das auch mein Ziel ist und vertrauen mir.

Wie sehr motiviert dich das Geld?
Ich werde nicht lügen- ja, es motiviert mich. Geld motiviert jeden. Aber es ist auch die Wurzel allen Übels. Die Menschen würden alles für Geld tun. Klar versuche ich mein Bestes zu geben, zu gewinnen und die Kohle mit nach Hause nehmen. Letztendlich lebe ich davon.

Von deinem ersten Preisgeld hast du dir einen BMW gekauft. Wir haben gehört, dass du dafür viel Kritik bekommen hast.
Ja, ich habe den Wagen gekauft und die Leute haben gelästert. Diese Leute können mich getrost am Arsch lecken. Wer sind die, dass sie glauben, mir sagen zu können, wie ich mein Geld ausgeben soll? Jeder aus meinem Viertel hätte das gleiche getan. Weiss du, alles was ich als Kind hatte, war ein Surfbrett. Und jetzt, wo ich Geld damit verdiene, werde ich es auch ausgeben. Und es ist verdammt noch mal meine Sache, was ich mit dem Geld mache.

Hast du das Gefühl, das du in den letzten Jahren reifer geworden bist und glaubst du, deine Mitmenschen haben begriffen, wie und wer du wirklich bist?
Ich denke, ich bin reifer geworden. Besonders in der Zeit, in der ich nicht surfen konnte. Das war wahrscheinlich die schlimmste, aber gleichzeitig auch die beste Zeit meines Lebens. Ich hatte jede Menge Zeit zum Nachdenken und die Möglichkeit, alles aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Und ja, ich habe den Eindruck, dass viele Menschen tatsächlich beginnen zu verstehen, wie ich ticke…

Steckbrief

Geboren in der gangverseuchten Neighborhood von Santa Barbaras Westside, bekommt Bobby mit sechs Jahren sein erstes Surfboard geschenkt. Bereits als Neunjähriger gewinnt er die US-Amateurmeisterschaften der NSSA. Das war 1991. Von da an dominiert er mehr als acht Jahre jeden erdenklichen Amateurcontest zwischen San Jose und Los Angeles. Und die Plackerei zahlt sich aus: 1999 wird er zum siebten Mal US-Amateurchamp und ihm gelingt endlich der Sprung in die World Qualifying Series (WQS). Vor einem Jahr nun qualifiziert sich Bobby für die World Championship Tour (WCT). Sein erstes Jahr beendet er mit Platz fünf und dem Titel „WCT-Rookie of the Year“. „Mixed Tape – The Bobby Martinez Movie“, seine erste Reef-Signature-DVD erscheint diesen Sommer.

ASP-Rookies of the Year und ob sie Weltmeister wurden: 1983: Kingsley Looker, nein // 1984: Bryce Ellis, nein // 1985: Damien Hardman, nein // 1986: Richard Marsh, nein // 1987: Todd Holland, nein // 1988: Jeff Booth, nein // 1989: Fabio Gouveia, nein // 1990: Jeremy Byles, nein // 1991: Dino Andino, nein // 1992: Shane Beschen, nein // 1993/94: Jojo Olivenca, nein // 1995: Kalani Robb, nein // 1996: Nathan Webster, nein // 1997: Michael Campbell, nein // 1998: Taj Burrow, nein // 1999: C.J. Hobgood, ja, ASP-Weltmeister 2001 // 2000: Damien Hobgood, nein // 2001: Trent Munro, nein // 2002: Mick Fanning, nein // 2003: Luke Stedman, nein // 2004: Bruce Irons, nein // 2005: Fred Patacchia, nein // 2006: Bobby Martinez, ?

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