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Ecuador – Die wiedergefundene Zeit

Woran es liegt, wissen wir nicht, doch in Ecuador scheint alles etwas länger zu sein. Laut Statistik ist die Chance auf ein stattliches Alter hier am grössten. Uns beeindruckte allerdings viel mehr die Länge der Wellen. Wer hier aufs Wasser geht, sollte etwas Zeit mitbringen, um wirklich jeden Augenblick geniessen zu können. Da passte es doch ganz gut, dass eine Gruppe der besten Longboarder der Welt das Abenteuer wagte und den Pazifik vor Ecuador für uns entdeckte.

Tranquilo – alles braucht seine Zeit in Ecuador. Seit die verheerenden El-Niño-Stürme die Küstenregion zerstörten, sind die Verhältnisse zum Teil katastrophal geworden. Wo vorher stabile Betonbrücken aus geschmiedeten und schwungvoll verzierten Eisengeländern standen, fährt man jetzt über in sich zusammengefallene, notdürftig abgestützte Metallplanken. Wo einst Häuser mit Gärten standen, rollen jetzt die Pazifikwellen an den Strand. Die Küstenlinie wurde in einigen Gebieten um mehrere hundert Meter nach hinten verschoben.

Wir verbringen Stunden, Tage, Ewigkeiten im Auto. Draussen knapp 40 °C, drinnen höchstens 18 °C – wenn die Klimaanlage funktioniert. Unser Schweiss vermischt sich mit dem aufgewirbelten Staub. Da Ecuador am Äquator liegt (Äquator = span. Ecuador), bewegen sich die Temperaturen im feuchtheissen tropischen Bereich. Nur oben in den Anden kommt es zu eiskalten Temperaturen. Das Klima in der Küstenregion wird von Regen- und Trockenzeit bestimmt. In den trockenen Monaten von Juni bis November ist es meist diesig – ohne besonderen Swell. Der läuft von Januar bis April an die Küste.

Doch nun zu uns, die mit mir im Auto schwitzen:

Brian Bojsen (27) aus Dänemark: Er surft erst seit fünf Jahren, wurde im vergangenen Jahr Achter bei der Europameisterschaft in Portugal und Dänischer Meister. Seine Liebe zum Longboarden machte diese Tour erst möglich.

Beau Young (25) aus Australien: Über ihn muss man im Grunde nicht viele Worte verlieren. Sohn der Longbaord-Legende Nat Young und amtierender Weltmeister im Longboarden. Er surft eine Kombination aus Old School Style aus langgezogenen Drop Knee Turns inklusive „eleganter“, ausladener Armhaltung und explosiven New School Cutbacks.

Chris Griffiths (33) aus Wales: der englische Mr. Longboard. Wenn in Great Britain irgendetwas mit Longboarden abgeht, dann mit oder über ihn. Europameister, Pro Surfer, Shaper und dreifacher Daddy. Er bevorzugt Power-Bedingungen und surft einen sehr kraftvollen Stil.

Sam Bleakley (21) aus Cornwall: unser Rookie. Europameister und Newcomer of the Year in der Longboardszene. Sein ausgeglichenes Wesen nimmt er mit aufs Wasser. Seinen Understatement-Surfstil kann man fast schon als unaufdringlich, keinesfalls aber unspektakulär bezeichnen.

Torsten „Turtle“ Schulze (28) aus Kiel: Wasserkameramann und Longboard Addict – nicht nur in heimischen Nordseewellen.

Erster Stopp in Canoa. Hier liegt das Surf-Camp von Eddy Salazar Jepsen, unserem Tour-Guide. Der gebürtige Ecuatorianer ist mit einer Dänin verheiratet, daher der skurril wirkende Name. Ihm haben wir es zu verdanken, dass wir überhaupt hier sind. Zuerst hörten wir von den unglaublich guten Bedingungen vor zwei Jahren, als Eddy uns beim Soulwave vor Klitmøller sein Können zeigte. Immer wieder schwärmte er von endlosen Wellen und einsamen Stränden. Nun klopfen wir an seine Tür. Die ersten Tage nutzen wir, um uns zu akklimatisieren, ein wenig einzusurfen und am Pool zu entspannen.

Dann wird es ernst. Es gilt, ein Geheimnis zu teilen und zu bewahren: Eddy hält uns eine riesige Landkarte entgegen, die grösser ist als er selbst. „Hier, da fahren wir morgen früh hin. Ein fetter Westswell ist im Anmarsch und das heisst, dass die beste Left des Landes laufen könnte. Aber eines müsst ihr mir hoch und heilig versprechen: Es ist ein Secret Spot und soll auch einer bleiben!“ Wir schwören, der Platz bleibt unter uns, das Einzige, was wir gedenken weiterzugeben, sind Bilder… Wir können in dieser Nacht kaum schlafen – und das liegt nicht an den verdammten Mosquitos und der elenden Hitze…

Als die Sonne aufgeht, sind wir schon zwei Stunden unterwegs. Im Schritttempo, denn in der Dunkelheit werden die „Strassen“ zu teilweise lebensgefährlichen Fallen. Wir kommen in ein kleines Dorf an der Küste. Da die Strecke mehr Zeit als ursprünglich geplant in Anspruch nimmt (Ecuadorian Time Syndrom), müssen wir auf die nächste Ebbe warten, um am Strand entlang in das nächste Dorf fahren zu können. So haben wir wenigstens Zeit für ein kleines Frühstück und die nötigen Autoreperaturen. Nach der Rast sitzen wir erst mal wieder zwei Stunden im Auto. Wir erreichen ein kleines Fischerdorf. Häuser, die notdürftig mit Brettern repariert sind. ir müssen unser Zeug in zwei Boote verladen, denn unser Ziel können wir nur per Boot erreichen. Eine Stunde rasen wir auf Wasserstrassen durch vorgelagerte kleine Inseln, die bei Low Tide trockenwerden. Das Szenario erinnert mich an das norddeutsche Wattenmeer an einem sehr warmen, sehr sonnigen Tag.

Nachdem uns der Bootsführer in einem Brandungsgürtel fast zum Kentern gebracht hat, gleiten unsere Boote über den offenen Pazifik. Die Küste mit seinen Palmensäumen zieht an uns vorbei. Dahinter: Dschungel, der sich bis in die Berge erstreckt. In einiger Entfernung sehen wir, wie sich das Meer hebt und senkt. Wir werden unruhig. Dort vorne, endlich, Wellen. Sie brechen an einer Felskante, die das Ende einer grossen Bucht darstellt. Auf der linken Seite erkennen wir ein Dorf. Am rechten Rand schauen Bambushütten aus einem Wald aus Palmen hervor. Diese Bucht wird für die nächsten Tage unser Zuhause, unser Paradies sein. Weitab von jeglicher Zivilisation, jeglicher Hektik, Zeiteinteilung.

An der Kante brechen fünf bis sechs Fuss. Chris: „Das sind mit die besten Wellen, die ich jemals gesurft bin. Sie sind super clean, du brauchst einen schnellen Takeoff und gehst dann gleich in die Tube oder fährst drei, vier Cutbacks. Dann kommt ein langsamerer Teil, in dem man entspannt Nose Rides machen kann.“ Auch Beau muss gestehen, dass es das Beste ist, was er seit langer Zeit gesurft ist.

Turtle: „Ich hatte die längste Welle, die ich jemals gesurft bin. Knapp zwei Minuten. Vom Peak bis zum Strand. Die Bucht ist perfekt. Harte Takeoff Section über scharfem Lavagestein, dann ein langer schneller hohler Abschnitt. Anfänger, die sich noch nicht in hohe Wellen trauen, bleiben einfach in der Inside. Die Wellen laufen bis zum Strand ganz einfach aus.“

Auch Brian ist gestoked: „Es ist das erste Mal, dass ich an meinem Limit bin. Mit der Zeit wird das gefährlich, denn die Steine sind verdammt scharf und irgendwann kannst du nicht mehr zurückziehen. Und, zack, hast du ein Problem…“

Wir sind von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf dem Wasser, nur vom schnellen Essen unterbrochen. Bis wir nicht mehr wissen, welcher Tag eigentlich ist. Die Schätzungen bewegen sich innerhalb von plus/minus zwei Tagen, doch ganz genau wissen wir es nicht. Interessiert uns auch gar nicht. Solange Swell ist, bleiben wir hier. Wir wohnen in riesigen Hütten aus Bambus mit einem Dach aus Palmenblättern. Inklusive Terrasse samt Hängematte. Surferherz, was willst du mehr?! Ein wenig erinnert der Spot an einen einsamen Reef Break irgendwo in Indo. Im Hintergrund die Geräusche und dieses unglaubliche Grün des Dschungels. Erst als der Swell nachlässt, machen wir uns auf den Weg Richtung Süden. Immerhin haben wir noch rund 1.000 Kilometer Küstenlinie vor uns, die wir uns noch ansehen wollen.

San Mateo. Südswell. Von Eddy erfahren wir, dass das kleine Fischerdorf erst vor wenigen Jahren an das Stromnetz angeschlossen wurde und bis dato von der Aussenwelt abgeschnitten war. Hier bricht eine der längsten Lefts. Allerdings muss man ein bisschen laufen bzw. paddeln, um zum Point zu gelangen.

Chris: „Das ist definitiv die längste Welle, die ich je gesurft bin. Die meiste Zeit verbringe ich mit Contest-Surfen und da habe ich auf dem Wasser einen anderen Fokus. Hier gibt es keinen Anfang und kein Ende vom Heat. Hier zählt jeder Augenblick.“

„San Mateo ist eine fantastische Welle. Obwohl wir nicht die optimale Swellhöhe hatten, war sie unendlich lang. Man konnte sehr viel Spass auf ihr haben“, bestätigt Sam.

Am zweiten Tag zeigen uns die Fischer ihren Fang: Haie. Einen ganzen Haufen. Bestimmt 25 Tiere – alle hier in der Umgebung gefangen. Sichtlich nervös schauen sich die Jungs den Stapel Blauhaie an. Und da wären noch die drei Hammerheads. Dreieinhalb Meter lang. Ohne Flossen und ohne Nase. Die werden für 75 US Dollar pro Stück nach Japan verkauft. Das restliche Fleisch wird hier im Dorf weiterverabeitet und verkauft. Seit 20 Jahren fangen hier die Fischer täglich 20 bis 30 Haie in der Saison. Mit gemischten Gefühlen verlassen wir San Mateo.

Unsere Tour führt uns immer weiter Richtung Süden. Puerto Cayo. Hier finden wir einen Beach Break, der als A-Frame schnell und hohl nach beiden Seiten bricht: „the Pipelines“. Seinen Namen verdankt er zum einen der Ähnlichkeit zum hawaiianischen Namensvetter (schneller Takeoff und Barrel, sehr flacher Boden!) und zum anderen den verschiedenen Rohrleitungen, die im Wasser enden. Beau, Sam, Chris, Brian und Turtle pullen in jede Tube, die sie erwischen können. Die Welle ist schnell, heftig und gnadenlos.

Eine der wenigen Righthander Ecuadors finden wir ein paar Tage und ein paar staubige Strassen später in Montanita, einem kleinen runtergekommenen Hippiedorf, das hier unten im Süden einen Ruf als Partyhochburg hat. „Als Erstes waren die Surfer hier. Weil die Surfer hier waren, kamen die Frauen. Weil die Frauen hier waren, kamen immer mehr Surfer. Es ist ein Kreislauf. Jetzt kommen viele Backpackers. Einige bleiben hier hängen und verkaufen Drogen und sich selbst“, meint Eddy.

„Mit 15 Leuten herumzureisen ist teilweise ganz schön anstrengend. Vor allem, weil sich niemand vorher kannte. Keiner wusste, wie es laufen würde. Aber es lief alles glatt. Ausser ein paar kleineren Diskussionen gab es keine Streitereien. Nur unser Timing war etwas durcheinander, denn die kaputten Strassen nahmen dreimal so viel Zeit in Anspruch, wie zuvor geplant. Mit dieser Tour ist für mich ein Traum in Erfüllung gegangen, denn schliesslich ging es nicht nur darum, einen Film zu drehen oder Fotos zu machen, es ging darum, neue Freunde fürs Leben kennen zu lernen“, erinnert sich Brian.

Zurückblickend nahm jeder das aus Ecuador mit, nach dem er gesucht hatte: Erinnerungen an einsame Wellen, neue Erfahrungen, neue Freunde oder einfach nur Eindrücke, die so schnell nicht verblassen.

INFOS:

Flüge: Continental Air, Delta Air, Avainca, Iberia, British Airways zwischen DM 1.160,- und 1.800,-.

Reisezeit: Die besten Wellen laufen im Februar und März; in Ecuador herrscht ein warmes tropisches bzw. subtropisches Klima mit grossen Unterschieden zwischen Andenregion und Küste

Tour: Wie empfehlen euch das Surf-Camp von Eddy Jepsen: (e-Mail: jepsensalazar@hotmail.com). Hier könnt ihr die komplette Tour inkl. Transfer vom und zum Flugplatz buchen. Abenteuer garantiert!

text: tom körber
photos: tom körber

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