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Sebastian Steudtner

Der Billabong XXL Award wird jedes Jahr an den Surfer vergeben, der die grösste Welle des Jahres gesurft hat. Dieses Mal hat sich der Nürnberger Sebastian Steudtner den begehrten Preis mit dem Ritt einer amtlichen 20-Meter-Bombe in Jaws verdient. Die Deutschen verschaffen sich langsam, aber sicher ernsthaften Respekt im internationalem Surfzirkus. Doch die Preisverleihung der Surf-Oscars zeigte, dass das nicht nur Begeisterung hervorruft.

Es regnet wie aus Eimern. Der Blick von der Nürnberger Burg runter über die zweitgrösste Stadt Bayerns ist durch einen grauen Wolkenschleier getrübt. Nicht so die Stimmung von Sebastian. Nach einigen Fotos auf der Burg und in der Altstadt und nach einigen Rostbratwürsten setzen wir uns in ein gemütliches Café, um über seine letzten Wochen zu sprechen.

Surfers: Hi Sebastian! Erzähl mal von dem Tag, als du die grösste Welle des Jahres 2009 gesurft hast. Wie kam es zu der Welle?
Sebastian: Die Wettervorhersage, die wir vier, fünf Tage vorher gesehen hatten, war echt komisch: Erst sah es ganz klein aus, auf einmal viel zu gross. Keiner wollte so recht glauben, was er da sah, aber schliesslich pendelte es sich auf diesem Level ein. Wir sind mit der Erwartung da reingegangen, jetzt kämen die Wellen des Jahrhunderts. Am Tag selbst waren wir superfrüh auf dem Wasser, ich glaub, um halb fünf Uhr standen wir an der Bootsrampe und um fünf waren wir auf dem Wasser. Da war es schon proppevoll, so dass man kaum noch zur Rampe durchkam. Spätestens jetzt wussten alle: Es wird krass! Als wir dann draussen waren, war das Wetter noch relativ schlecht und die Wellen unkonstant, ziemlich enttäuschend. Doch mit dem Sonnenaufgang wurden auch die Wellen besser und grösser und ab sieben Uhr waren es schon die grössten Wellen der letzten sechs Jahre. Trotzdem war es noch recht unkonstant und die Welle, die ich da surfte, war eine von ganz wenigen grossen Sets.

Was heisst voll an der Bootsrampe? Wie viele Leute waren am Ende im Wasser?
Es waren circa 15 Boote und vier Helikopter am Start. Alle, die Rang und Namen haben, waren da und die Stimmung war sehr respektvoll, besonders natürlich den Wellen gegenüber. Aber es trennt sich dann schnell die Spreu vom Weizen, wer wirklich die grossen Wellen will.

Echt? Merkt man das? Ich dachte immer, wer da rausgeht, will unbedingt die grösste Welle.
Das merkst du auf jeden Fall. Anfangs ist das Gerangel um die Welle noch recht aggressiv, doch wenn die grossen Sets kommen, nehmen es einige dann plötzlich deutlich gemütlicher. [lacht]

Wusstest du, als du deine Welle gesurft hast, dass es die grösste des Jahres war?
Das wusste ich nicht, aber ich wusste, dass diese sich an dem Tag von den anderen abgehoben hat und dass sie sehr, sehr gross war. Aber ich wusste nicht, ob jetzt jemand anderes vielleicht schon eine grössere Welle gesurft hat. Ich achte da auch nicht drauf.

Wie genau sieht eigentlich ein Abend nach solch einer Welle aus? Kommt man da klar? Oder ist es wie nach einer normalen Session, ein paar Bier mit Freunden trinken und das war’s?
Na ja, wir wussten, dass es am nächsten Tag auch noch gross sein würde, und wollten da unbedingt surfen. Wir hatten am ersten Tag zwei Sessions gemacht und am Abend bin ich nach Hause. Ich hatte an dem Tag auch eine Videoproduktion geleitet und musste noch alles mit den Kameraleuten und dem Helikopter klären, dann noch ein eine halbe Stunde Regenerationstraining auf dem Fahrrad und danach ins Bett. Es ist auf jeden Fall nicht so, dass du da high durch die Gegen rennst und feiern gehst. Ich hatte noch so viel Arbeit mit der Produktion, dass du wahrscheinlich nach einer normalen Session beispielsweise in Frankreich mit den Freunden mehr Spass am Abend hast als ich.

Hättest du mit dem Gewinn des Billabong XXL Award gerechnet?
Im Vorfeld nicht. Sobald ich aber nominiert war, war ich mir ziemlich sicher, und als sie bei der Zeremonie dann meinen Namen gerufen haben, war ich nicht sehr überrascht. Die Welle war so deutlich grösser als die anderen, die zur Wahl standen. Auch die Resonanz der Surfer zeigte mir das.

Wie genau wurdest du überhaupt nominiert? Haben Fotografen dein Bild eingeschickt und daraufhin hat sich Billabong gemeldet?
Ja, so in etwa. Es waren ungefähr 15 bis 20 Fotografen, die Bilder von mir eingeschickt haben, weil sie ja gerne gewinnen wollten. Die haben aber alle eine Absage bekommen, da ich keiner der bekannten Big-Wave-Surfer für die Verantwortlichen bin und sie niemanden nominieren wollten, der dort nur der Kohle wegen unnötig sein Leben riskiert. Daraufhin mussten wir bei Bill Sharp, dem Contest-Direktor der Billabong XXL Awards, erst mal Überzeugungsarbeit leisten und haben auf einer grossen Surfmesse hübsche Hostessen mit Postern und Flyern von mir losgeschickt, um der amerikanischen Surf-Szene zu zeigen, dass ich kein One Hit Wonder bin, sondern wir schliesslich die Rescue-Crew in Peahi sind, wenn jemand dort Schwierigkeiten hat. Schliesslich hat mich Bill Sharp angerufen, als er von der Aktion erfuhr, und ich konnte ihm erklären, wer ich bin, was ich schon alles gemacht habe und wer Ian Walsh und Greg Long rettet, wenn es haarig wird. Daraufhin hat er wohl tatsächlich bei ihnen nachgefragt und wenig später war ich nominiert.

Man fährt also nach L.A. zu der Zeremonie – und dann? Darf man sich das wie bei einer Oscar-Verleihung vorstellen?
Na ja, ähnlich vielleicht. Es waren rund 2.000 Leute da und der rote Teppich war blau. Ich bekam einen eigenen Tisch in einer VIP-Area, an den ich sechs Leute mitnehmen konnte, und ich habe ein paar meiner Freunde aus Hawaii und Kalifornien dabeigehabt. Im Vorfeld hatte der Fernsehsender ESPN noch mit mir gedreht und wollten Exklusivrechte an meiner Geschichte, um sie als Doku zu verfilmen. Im Vorfeld haben sie jeden Einzelnen von uns interviewt und schliesslich kamen die Fletchers auf die Bühne, um den Preis zu verleihen. Ich habe dann nur „Sebastian“ gehört, alle an meinem Tisch sind aufgesprungen und haben micht umarmt und ich habe nichts von dem mitbekommen, was Christian Fletcher da weiter gesagt hat. Denn das war echt heavy! Auf den Videos kann man es hören. Er meinte wohl so etwas wie „der Deutsche, der nicht paddeln kann“. Dann bin ich auf die Bühne gegangen und Christian Fletcher ist ans Mikro gegangen und meinte nur: „Hey, hier ist der Stiefsohn von Adolf Hitler Sebastian Steudtner!“

Hast du das gar nicht mitbekommen?
Ich habe es Gott sei Dank nicht gehört. Bill Sharp stand da wohl hinter der Bühne und hat geschwitzt und sich total entschuldigt. Hätte ich es gehört, wäre ich auch nicht cool geblieben. Das ist zu respektlos. Aber ich bin ganz glücklich, dass ich es nicht gehört habe, und so stand der sportliche Erfolg im Vordergrund und nicht „Yeah, und dann kam der Deutsche und es gab erst mal eine Schlägerei“. Dann wollte ich mit meiner Rede anfangen, als ein Typ mit Kind auf die Bühne gerannt kam. Er faselte nur irgendwas, dass er es unfair fände, dass die Frauen weniger Preisgeld bekommen würden, und ist wieder davongetorkelt. Ich dachte auch nur: „Geil… here are some haters“, oder irgendwas und alle haben gelacht. Dann habe ich meinen Leuten gedankt.

Photos: erikaeder.com, billabongxxl.com, Lars Jacobsen

Aber wie waren die Reaktionen darauf, dass du den Spruch von Christian so locker genommen hast? Sie wussten ja nicht, dass du es gar nicht gehört hattest.
Die Reaktionen der Medien waren super. Sie meinten, ich sei ein echter Sportsman und Gentleman. Auf Facebook habe ich auch viel positive Resonanz dazu bekommen. Ich stand da halt supernatürlich und entspannt auf der Bühne und habe mich noch brav für die Überreichung des Schecks bedankt. [lacht]

Haben die nicht alle total dämlich geschaut, als sie hörten, dass ein Deutscher gewonnen hat?
Nee, das nicht, sie haben alle cool geklatscht. Das Problem ist halt, dass keiner meine Geschichte kennt und sie denken, ich wäre ein Deutscher, der auf Hawaii aufgewachsen ist und somit dieselben Vorausetzungen hat wie die anderen. Die wissen ja gar nicht, dass ich zum Teil acht, neun Monate im Jahr in Deutschland lebe. Aber ich denke, ESPN wird das gut beleuchten.

Was bedeutet es dir, die grossen Namen des Big-Wave-Surfens hinter dir gelassen zu haben?
Nicht wirklich viel. Mir bedeutet natürlich die Anerkennung was, aber es bedeutet mir nichts, dass ich jetzt Ian Walsh besiegt habe. Ich kenne ja deren Performance und weiss, wo ich stehe, insofern ist es für mich jetzt keine überragende Leistung. Und das ist auch der Hauptteil an meiner Geschichte, der immer wieder missverstanden wird. Ich bin kein One Hit Wonder, ich hab einfach nur nicht die Möglichkeiten wie ein Ian Walsh mit Sponsorengeldern, immer dann in den Flieger zu springen, wenn es irgendwo auf der Welt fett wird. Ich finanziere mich fast komplett selbst und kann mich daher nur auf Jaws konzentrieren, weil ich dort meine Logistik und meine Leute habe. Aber die Leistung war ja immer da von mir.

Wie ging es dann weiter? Gab es eine Aftershow-Party?
Wir haben unsere eigene Party in Hollywood gemacht. Meine Jungs und ich zusammen mit den anderen, ich glaube, das wäre im Desaster geendet… Ich habe Freunde in Hollywood und am Freitag und Samstag waren wir da gut feiern. [lacht]

Was hat sich durch den Sieg in deinem Leben verändert?
Ich habe jetzt viel Medienstress, kann aber aktiv meine eigenen Sachen gestalten. Ich war zum zweiten Mal bei Stefan Raab und zum zweiten Mal wurde in der „Sportreportage“ über mich berichtet. Ich bin der meistpublizierte und erfolgreichste Extremsportler Deutschlands dieses Jahr. Ich habe in den Augen aller etwas erreicht und kann mit viel mehr Selbstbewusstsein auftreten.

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