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Interviews

„Filmtechnisch möchte ich mich von Social Media distanzieren“

Gerade erst sorgte Lukas Prüfer mit seinem neuen und kreativen Eisbach-Edit für Aufsehen. Höchste Zeit also, den Filmemacher genauer kennenzulernen und mit ihm über seine besondere Arbeit zu sprechen.

„I don’t need more clocks, I need more time“ ist der Name des neusten Masterpiece von Lukas Prüfer. Ein unglaublich kreativer Edit, der die Münchner Surfszene darstellen soll. Dies ist ihm wohl so gelungen wie kaum einem anderen zuvor. Genau aus diesem Grund wollten wir von und über Lukas mehr erfahren und haben ihn zum Interview gebeten.

Servus Lukas! Stell dich doch zu Beginn bitte einmal kurz vor!

Salut zusammen, ursprünglich komme ich aus der schönen Heidelberger Gegend. Momentan mache ich meinen Master in Medizintechnik in Innsbruck und bin somit aktuell eher auf gefrorenem Wasser unterwegs.

Lukas mit seinem kleinen, kreativen Freund.
Lukas mit seinem kleinen, kreativen Freund.

Kürzlich kam dein Edit „I don’t need more clocks, I need more time“ heraus. Welcher Gedanke steckte hinter dem Projekt?

Ich wollte seit gewisser Zeit versuchen, die Münchner Surfszene festzuhalten. Mir schien es am sinnigsten, dies mit einem Thema zu machen, das jeder nachvollziehen kann: die Zeit. Diese ist für jeden gleich und unbeeinflussbar. Ebenso steht jeder vor der gleichen Frage und muss für sich selbst entscheiden, für was es sich lohnt, seine Zeit zu investieren und ob es sich schlussendlich für ihn gelohnt hat. Das Ganze dann bildlich umzusetzen war dann leider doch alles nicht so leicht, wie zuerst gedacht, weshalb das Philosophieren von Alan Watts eingefügt wurde, um ein bisschen zu verwirren. Ich wollte die Gegenwärtigkeit sowie die heutige Jagd auf die Zeit ebenso bildlich darstellen. Ihr wisst bestimmt, was ich meine mit der Schnelllebigkeit der Gesellschaft, niemand nimmt sich mehr Zeit für etwas.


Wir sind hierfür mehrere Stunden schauspielernd im Anzug mit einer Uhr an einer Angel durch München gelaufen und haben dabei in das ein oder andere fragende Gesicht geblickt. (lacht)

Zeitverschwendung in der U-Bahn?
Zeitverschwendung in der U-Bahn?

Es gibt zwar so viele Edits vom Eisbach, die krass gefilmt und auf denen die Tricks auch heftig sind, nur wenn man zum zehnten Mal die gleiche Perspektive sieht, wird der heftigste Trick auch irgendwann langweilig. Irgendwann haben sich meine Ideen gehäuft und ich habe angefangen, diese über acht Seiten schriftlich auszuformulieren, umzuformulieren und irgendwie einen roten Faden in das Durcheinander zu bekommen. Dies ist meiner Meinung nach einer der wichtigsten und schwierigsten Aspekte für ein sehenswertes Video, egal um was es darin geht.

Wo hast du Inspirationen dafür gesammelt?

Viele Einfälle für Sequenzen kamen meist aus unerwarteten Momenten. Die Idee mit den genähten Frames kam mir beispielsweise, als ich eine ähnliche Hausarbeit meiner Freundin gesehen habe. Die Wand mit den A4-Plakaten kam mir, als ich viele ähnliche Plakate in einer Stadt in Georgien sah, was beim Vorbeifahren ein bisschen wie ein riesiges Daumenkino aussah. Ein paar weitere graphische Sachen kamen mir bei den Besuchen der Münchner Kunstmuseen. Als ich dann versucht habe die Ideen umzusetzen, habe ich die klassischen einfachen Kindermaltechniken genutzt, wie zum Beispiel beim Thumbnail, wo ich einfach Wasserfarbe mit einem Strohhalm herumgepustet habe. Dies haben wir auf Kindergeburtstagen oft gemacht. (lacht)


Mittlerweile ist es so einfach wie noch nie, ein Video zu machen. Fast jeder besitzt eine ActionCam oder ein Handy und dank den Apps können in Sekundenbruchteilen Videos erstellt werden, ohne dass man selbst noch überlegen oder etwas machen muss, was vor zehn Jahren undenkbar gewesen wäre. Tom Wegener hat 2007 in dem Film „Seaworthy“ mal versucht, eine Art hawaiianisches 16-Fuß-Alaia zu surfen, da er meinte das es ihm unglaublich viel Spaß bereitet, eine umständlichere und aufwendigere Art des Surfens zu erfahren. Diese Sichtweise auf die Welt fand ich damals schon interessant, weshalb ich ein Edit machen wollte, welcher Effekte besitzt, die nicht einfach mit einer App schnell erzeugt werden können. So habe ich wieder meine alten Mal- und Bastelsachen rausgeholt – recht simpel mit Acryl- und Wasserfarben, Filz- und Bleistiften, Eddings und Spraydosen herumexperimentiert. Die einzelnen Frames mit Nadel und Faden per Hand auf Papier zu nähen hat sich als ziemlich aufwendig herausgestellt, da man pro Frame teils eine Stunde dran sitzt. Die Standbilder sind zu 90 Prozent mit analogen Kameras auf Film fotografiert und dann wieder eingescannt. Sämtliche einzelnen Frames wurden schlussendlich mit Photoshop bearbeitet und in der Daumenkinotechnik hintereinander gefügt. Einfach, aber umständlich.

Ein Teil der gemalten, genähten und zerrissenen Frames.
Ein Teil der gemalten, genähten und zerrissenen Frames.

Letzten Winter hatten wir eine coole Premiere im SantoLoco in München von unserem kleinen Surffilm über Süddeutschland. Dort habe ich mit Sophie (Puchta, Anm. d. Red.) über meine Projektideen gesprochen, die als Künstlerin ebenfalls motiviert war. Ihr Style ist einfach heftig und so war sie mit Laura (Haunstein, Anm. d. Red.), Pablo und Joshi (Holy, Anm. d. Red.) perfekt als Darsteller der Zeit geeignet.  Wie Charles Bukowski bereits sagte: „To do a dangerous thing with style is what I call art.“

Wie groß waren bei der Umsetzung die Herausforderungen?

An sich hatte ich den Aufbau der Shots alle recht gut niedergeschrieben und geplant, wodurch ich nur viermal nach München zum Filmen fahren musste. Ein paar Freunde, die mir geholfen haben und auch mal die Kamera auf mich gehalten haben, waren auch schnell gefunden. So konnte ich auch einmal versuchen selbst zu Schauspielern. Unglücklicherweise habe ich mich dieses Jahr fünfmal in die Notaufnahme befördert, weshalb sich so alles ziemlich verzögert hat.

Lukas probiert sich am Eisbach als Schauspieler.
Lukas probiert sich am Eisbach als Schauspieler.

An dem Platz, wo ich die 138 Frames des Intros plakatiert habe, wurde zwei Tage zuvor von Gangstern randaliert und irgendetwas abgebrannt. Die Polizei kam an dem Tag mehrmals vorbei und es bedurfte ein wenig Erklärung meinerseits, was genau ich im „Lockdown“ hier gerade mache und ob ich auch ein Hobby-Randalierer sei. Als die Bilder nach mehreren Stunden alle klebten, musste ich jedoch zu meiner Oma zum Mittagessen und hatte die ganze Zeit Panik, dass die Arbeit kaputt gemacht wird. Zum Glück war noch alles da, als ich mit vollem Magen wiedergekommen bin.

Die plakatierte Wand.
Die plakatierte Wand.

Tirol befindet sich quasi seit Anfang November im „Lockdown“, somit konnten die Online Vorlesungen ebenfalls optimal zum Schneiden genutzt werden. Dennoch stellte es sich als schwierig heraus, gelbe Farbe für die Titelmalerei aus dem Intro aufzutreiben und dies in der Ausgangssperre anzubringen. Teilweise saß ich 18 Stunden am Tag vor dem Projekt, wodurch es mir an einem Wochenende gelungen ist, dass ich es verpennt habe, einkaufen zu gehen, und dank des Lockdowns auch nichts mehr bestellen konnte. Somit musste Honig mit Kakaopulver und Wasser als Mahlzeit herhalten. (lacht)

Klingt, als wärst du voll im Tunnel gewesen. Dieses Projekt war sicherlich nicht dein erstes. Wie bist du zum Filmemachen und Schneiden gekommen?

Tatsächlich habe ich 2010 durch ein paar glückliche Zufälle das Schnittprogramm Premiere CS5 bekommen. In dieses habe ich mich dann ganz klassisch und verwirrend über „trial and error“ eingearbeitet. Die Verbindung aus Bild und Ton fasziniert mich, da man so besondere Eindrücke festhalten kann. Fast wie in dem Film „Das Parfum“. (lacht) Nach ein paar Jahren habe ich schließlich die Standardbefehle beherrscht, wodurch ich seitdem irgendwie alles darstellen kann wie ich möchte, auch wenn es teilweise super umständlich ist. Seitdem wurden regelmäßig Edits von der Sattkopf Crew in Heidelberg gemacht. Während meines Studiums im Allgäu haben wir dann auch vermehrt angefangen aus dem Datenmüll des Winters etwas Sehenswertes zu kochen, wobei zum Beispiel unser Film „Tobelauflauf“ entstanden ist.

Was steht als nächstes bei dir an? Ist schon ein neues Masterpiece geplant?

Momentan suche ich nach potentiellen Wellen in Tirol, jedoch ist filmtechnisch erstmal nichts geplant, da die Sucherfolge sich noch in Grenzen halten. Am Eisbach wird es meiner Meinung nach auch immer schwerer, etwas Neues zu schaffen, da die zwei mal zehn Meter, auf denen sich die Musik abspielt, einfach bereits so oft auf verschiedenste Arten dokumentiert wurden. Was wiederum der Tao in der Unterwasserwelt macht, finde ich überragend, vielleicht sollte mal eine Tierdokumentation über das Leben im „Mikrokosmos Eisbach“ gedreht werden. Ansonsten, denke ich, wird ein herausragender Style ein wichtiger Aspekt sein, wie man am Eisbach in Zukunft noch überraschen kann. Oder die Kids kreieren einfach noch verrücktere Trickkombinationen als heutzutage. (lacht)

Filmtechnisch möchte ich mich immer mehr von den Social-Media-Seiten distanzieren, da es einfach viel spaßiger ist, einen Film aktiv auf einer Premiere mit seinen Kumpels zusammen anzuschauen, anstatt beim Durchswipen alleine morgens auf dem Klo auf einem Handybildschirm. Dieses passive Filmschauen nebenher wird dem teils immensen Arbeitsaufwand meiner Meinung nach nicht gerecht. Allein das ein Edit komplett anders aufgebaut sein kann, ohne dass die ersten 1,5 Sekunden entscheiden, ob der User weiterswipet, ist für mich ein Grund, zurück zu klassischen Edits zu gehen. Mal schauen was aus den Neujahrsvorsätzen wird. (lacht)

Stehst du eigentlich auch selbst auf dem Surfboard und wenn ja, wo?

Als ich noch im Allgäu gelebt habe, war ich dank einer etwas illegalen, aber konstanten Welle teils täglich auf dem Fluss. Sobald die Pegelstände nur geringfügig gestiegen sind, wurden dann auch sämtliche Güllelöcher und Abwasserkanäle auf potenziell surfbare Wellen abgesucht und tatsächlich auch überraschend viel gesurft. Letztes Jahr habe ich meine Bachelorarbeit über die Physik des Flusssurfens für den Ulmer Surfverein geschrieben, wodurch mir das ganze Thema leider etwas zu den Ohren rauskam, da sich alles nur noch ums Flusssurfen gedreht hat. Zu viel ist eben manchmal auch nicht schön. Ansonsten bin ich wie der deutsche Durchschnittssurfer ebenfalls viel am Atlantik und am Bodensee unterwegs. Nur als Filmer hat man leider immer das Pech, das es von einem selbst kaum Aufnahmen gibt. (lacht)

Lukas in Frankreich
Lukas in Frankreich

Danke für deine Zeit. Noch irgendwelche Worte zum Abschluss?

Ein großes Merci geht auf jeden Fall an euch für euren Einsatz in der Szene und für die Möglichkeit, mich vorzustellen. Ein riesen Dank geht auch an alle helfenden Hände, meine Familie und selbstverständlich die Lady. Und natürlich ein obligatorisches Shoutout an die Sattkopf Crew, dass der Löwe bald wieder seine Pforten öffnet. Danke. <3

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