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Marlon Lipke

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Marlon Lipke über volle Line-ups, Wavepools und die Zukunft des deutschen Surfens

Wir haben uns mit Marlon über Surfen in Portugal, volle Line-ups, Localism, die Progression im deutschen Surfsport und Projekte wie Surftown MUC unterhalten.

Es ist Mitte August in Portugal, das Küstenklima auf der Baleal Halbinsel bietet wie sonst auch eine willkommene Abfrischung im Kontrast zu den heißen Temperaturen im Rest des Landes. Unser Gesprächspartner, der in Lagos im Süden Portugals geboren und aufgewachsen ist und sich schnell einen Namen als erfolgreichster deutscher Surfer gemacht hat, kämpft sich noch durch die Mails auf seinem iPhone. Marlon Lipke kommt sonst eigentlich in den kalten Monaten nach Portugal, wenn der Winterswell die idyllischen Badeorte an der Algarve in traumhafte Surfspots verwandelt und den Massentourismus vom Strand gefegt hat. Der 38-jährige ist vielen noch als einziger deutscher Surfer bekannt, der auf der ASP (jetzt WSL) Tour mitgesurft ist und dort Kelly Slater und co das Leben schwer gemacht hat. Inzwischen ist Marlon vor allem für seine Company JAM TRACTION unterwegs, die er zusammen mit Gony Zubizarreta betreibt. Wir haben uns nach einer kurzen Session im vollen Baleal mit Marlon über Surfen in Portugal, volle Line-ups, Localism, die Progression im deutschen Surfsport und Projekte wie Surftown MUC unterhalten.


Marlon Lipke Interview

Marlon, wir sind hier im schönen Portugal. Wie war es für dich eigentlich hier aufzuwachsen?

Ich bin ja im Süden Portugals aufgewachsen. Dort war alles sehr Untouched und einfach insgesamt sehr wenig los. Wir hatten so eine Art Farmhaus mit Pferden in der Nähe vom Strand an der Südküste Portugals, wo ich zum Kindergarten gegangen bin. In der Schule fing es hier auch mit surfen an, wodurch ich mit zwölf auch angefangen habe ein bisschen umher zu reisen. Aber das Aufwachsen hier war schon sehr naturverbunden.

Es ist jetzt ich circa 30 Jahre her, dass du das erste Mal im Atlantik auf einer Welle gestanden bist. Wie hat sich denn die Surf Kultur und allgemein Portugal in den letzten 30 Jahren verändert?

An der Algarve gab es relativ wenig Surfkultur, um Lissabon herum war da schon um einiges mehr los. SIC RADICAL war da ein ausschlaggebender Faktor. Das war einer der größten TV Sender, die Extremsport in der Primetime im Fernsehen gezeigt haben. Einer der Söhne des Eigentümers war selber Surfer und wollte, dass Surfen mehr gezeigt wird. Aber Profi zu werden oder das überhaupt zum Lebensmittelpunkt zu machen, war damals absolut undenkbar. Ich würde sagen vor zehn Jahren hat man dann den größten Wachstum gespürt, sodass die Line-ups immer voller geworden sind. Auch die letzten zwei Jahre oder so nach Covid habe ich irgendwie das Gefühl gehabt, dass es so ein paar Spots gibt, die einfach nochmal voller sind als davor. Man kommt aber immer noch gut weg von der Menge und kann alleine surfen. Ich gehe daher eigentlich auch nur noch surfen wenn ich alleine oder mit Freunden im Meer sein kann. Wenn ich einen vollen Peak sehe, dann paddle ich eigentlich gar nicht erst raus. Es ist also viel passiert hier, Surfen ist jetzt zweitgrößte Sport in Portugal und wird auch überall im Fernsehen gezeigt. Insgesamt haben sich auch für viele Unternehmen Möglichkeiten ergeben, Surfen hat viele Jobs hier geschaffen. Es gibt also viele positive aber auch negative Veränderungen, dadurch dass Surfen so gewachsen ist. Aber das ist ja auch verständlich, immerhin ist es einer der schönsten Sportarten, die es gibt.


Heißt das, dass du lieber an eine „schlechtere“ Welle gehen würdest, die leer ist, als an ein volles Line Up an einem vermeintlich besseren Spot?

Auf alle Fälle! Außer man ist zu Hause und dominiert im Line-up ein wenig, was ja alle Locals so ein bisschen machen. Sobald 30 Leute im Line-up sitzen laufe ich einfach ein bisschen den Strand runter und schau mich nach etwas anderem um, auch wenn ich an einem super Peak bin. Man wiegt da schon ein bisschen ab immer. Aber wenn ich kann, schaue ich mich wie gesagt nach anderen Spots um. Ich war zum Beispiel jetzt im Juli hier bei eigentlich perfekten Konditionen, bin den Strand entlang gelaufen und hatte so den ganzen Tag einen Peak quasi für mich alleine.

Du hast ja eben angesprochen, dass viele Locals die Line-ups dominieren. Wie gehst du mit den Aggressionen um, die inzwischen oft in Line-ups herrschen und was hältst du von Localism allgemein?

Ich habe dazu auch schon mit vielen einen Austausch gehabt. Ich finde Localism wichtig, weil es einfach zu viele Leute in Lineups gibt, die sich daneben benehmen. Nimm als Beispiel die Camper in Portugal, die die Natur komplett ignorieren und einfach machen was sie wollen. Es gab so viele Deutsche in der Covid Zeit, die in der Algarve mit ihren Campern einfach alles niedergemacht haben, sodass sich dadurch sogar die nationalen Regeln verändert haben und die Locals viele Freiheiten aufgeben mussten. Das ist beim Surfen auch oft so. Viele kommen einfach rein und wissen sich oft nicht zu benehmen. Da ist es finde ich schon gut, dass auch mal jemand sagt, wie es läuft und dass es ein paar einfache Regeln gibt. Man kann auch nicht nach Paris in einen Skatepark gehen und sich benehmen wie man will. Da scheuchen einen die local Skater auch weg, wenn man sich nicht ein wenig anpasst. Dort kann auch niemand einfach die Bowl übernehmen und sagen die gehört ja nicht nur euch Locals. Es gibt bestimmte Regeln, aber nicht um die, die nicht immer da sind nie skaten oder surfen zu lassen, sondern einfach, damit das Ganze ein wenig Struktur hat. Und immerhin sind die Locals auch diejenigen, die die Bowl reparieren, wenn sie kaputt geht, um bei diesem Beispiel zu bleiben. Und so ist es eben auch mit der Community an Stränden. Aggressionen an sich sind aber völlig behämmert. Es gibt leider trotzdem genug Leute, die aggressiv werden und rumschreien. Mir ist das auch andauernd passiert, aber was soll ich machen? Ich reise einfach mega gerne und surfe an fremden Spots. Mit meinen blonden Haaren denken die meisten ich bin von irgendwo, aber eben kein Local. Ich war ja eh immer zu Besuch, weil ich immer unterwegs war und nie einen Local Spot hatte. Also musste ich als eigentlich guter Surfer auch immer an der Seite sitzen und langsam step by step zum Peak paddeln. Und diese Education gibt es halt bei vielen überhaupt nicht. Und so kommt es dann, dass ein Line-up sehr außer Kontrolle gerät, wenn die Locals aggressiv werden und auf Leute treffen, die nicht wissen, wie sie sich zu benehmen haben. Mit Feedback können wir Deutschen sowieso oft nur schwierig umgehen. Ich hatte das auch mal, dass ich jemanden der mir reingedroppt ist und die ganze Welle gesurft ist, gefragt habe, warum er das macht und sich nicht vorher umschaut. Darauf hat er nur gesagt die Welle war eh nicht gut, ich soll mal mehr lachen. Naja, ich hoffe trotzdem, dass das mit der Zeit wieder ein wenig balancierter wird. Natürlich gibt es auch manche Spots, die heavier als andere sind, aber die hat man weltweit. Da gehe ich auch nicht unbedingt hin. Wie du vorhin gesagt hast, trade ich gerne einen Spot, der ein wenig chilled ist mit einem besseren Spot, wo es aber super voll ist.

Marlon Lipke for Garmin
Marlon Lipke. Foto: Garmin

Du hast grade schon ein wenig über uns Deutsche beim Surfen gesprochen. Als du in jungen Jahren Deutschland bei Surfcontests repräsentiert hast, hast du teilweise in löchrigen Zelten im Regen am Strand geschlafen. Wie hat sich der deutsche Surfsport in deinen Augen verändert? Lenni und Leon haben mit Sicherheit andere Voraussetzungen als du.

Das stimmt, das war auf jeden Fall eine andere Zeit. Ich wusste ja damals nicht, wohin die Reise geht. Ich hatte auch nie das konkrete Ziel, Profi Surfer zu werden, weil ich damals einfach nicht wusste, dass das überhaupt möglich ist. Mein Antrieb war einfach die Leidenschaft und Liebe zum Surfsport. Ich glauber aber nicht, dass es für Lenni, Leon und all die anderen einfacher ist als für mich damals. Die haben genauso ihre Struggles und mussten genauso viel harte Arbeit und Dedication wie ich reinstecken, um da zu sein, wo sie jetzt sind. Ein Unterschied ist vielleicht, dass diese Generation mehr das Ziel vor Augen haben kann, professionell zu surfen. Das liegt vielleicht auch an Bausteinen, die ich oder jemand anders gelegt hat.

You paved the way. Bist du denn dadurch „nur“ Teamkollege oder auch Mentor für die Jungs und Mädels, da du schon alles im Surfzirkus erlebt hast?

Das kommt ganz drauf an, wie sie das aufnehmen und wie sie mich sehen. Manche blockieren da eher und sind mehr auf Distanz was Feedback angeht. Andere gehen mehr auf, wie Tim zum Beispiel, der jetzt immer öfter versucht mit mir zu connecten und den Informationen von mir sehr offen gegenüber steht. Bei anderen ist das nicht so. Aber ich verstehe natürlich, dass jeder eine eigene Struktur hat und einen eigenen Wege gehen will.
Aber weil du es angesprochen hast: Die stärksten sind einfach momentan die Mädels bei uns. Bei Rachel ist es zum Beispiel unglaublich, was sie im Moment investiert, um oben mit dabei zu sein und sie ist meiner Meinung auch nicht mehr weit davon weg, sich zu qualifizieren. Wenn man es mit Fußball vergleicht, spielt sie in der zweiten Liga und surft sich grade in die erste, während die Jungs bei uns in der dritten oder vierten spielen und daher wirklich jetzt loslegen und auch Events gewinnen müssen. Aber surfen ist eben nicht mehr nur der Sport, man muss sich inzwischen auch um Instagram und diese ganzen Dinge kümmern um Sponsoren zu kriegen die einem das ganze bezahlen. Da verliert man sich auch schnell. Aber das Talent ist da, es muss halt jetzt nur ausgeschöpft werden.

Rachel Presti. Foto: WSL
Rachel Presti. Foto: WSL

Gibt es da nicht diesen Spruch? Success is where Talent meets hard work and opportunity oder irgendwie so? Wie schaut es da beim Team momentan aus?

Hard work ist auf jeden Fall nötig, aber sich der Sache auch voll und ganz zu widmen ist essentiell. Rachel ist wie gesagt mega gut dabei. Noah wird vielleicht auch jetzt bald mehr Events surfen. Tim ist ein Young Gun, aber der wird noch gefährlich. Den Lenny habe ich immer als Talent gesehen, aber der muss sich und seine Struktur auch noch irgendwie so ein bisschen finden sodass er wirklich dominieren kann. Bei Leon wissen wir alle, was seine Stärken sind. Für ihn waren die Jahre, weit weg von zu Hause, die vielen kleinen Wellen in Ericeira, wo er trainiert hat, unheimlich wichtig. So ein Input zahlt sich eben aus. Tim ist jetzt der nächste, Arne ist sowieso ein mega Talent. Wenn der richtig Bock hat, dann haut der uns alle Weg und wir stehen nur da und denken „What the fuck just happened?“. Dann hat man noch Dylan, der auch immer besser wird und sich wirklich richtig gut entwickelt hat. Wir funktionieren auch als Team gut, da baut der DWV mit Jannik, Martin, Didier etc. auch eine gute Struktur, die langfristig einen Benefit haben wird.

Wir haben dich auch neulich beim Spatenstich zum Surftown MUC getroffen. Sind das auch Strukturen und Möglichkeiten, die langfristig einen Benefit aufs Deutsche Surfen haben können?

Hundert Prozent. Ich glaube auch, dass da eine Basis kreiert werden kann, auch für die ganzen deutschen Surfer, die in den USA oder so wie Leon in Costa Rica oder so leben. Wie eine kleine Homebase, wo auch neue Talente trainiert und auch fein getunt werden können in Saisonen, wo eigentlich so nicht viel passiert. München ist dafür auch ein guter Standort. Die Lage ist optimal, um von dort direkt zu den Events oder Trainingscamps zu fliegen. Ich denke auch, dass vielleicht kleine Contests in der Zukunft einfach nicht mehr so wichtig sind, sondern dass man einfach mehr den Sport an sich fördert. Ich glaube, dass eben dafür auch Strukturen gebaut werden. Es wird mehr in Talentförderung und Trainingscamps an den wichtigen Surfspots der Welt investiert, um das deutsche Surfen zu fördern. Da wird, glaube ich, in der Zukunft noch viel passieren und auch noch viel wachsen in Deutschland mit und durch solche Wellen.

SURFTOWN MUC Wavepool Surfen München

Aber kann so ein Wave Pool ein Meer wirklich ersetzen oder ist es einfach nur ein guter Trainingsort?

Ein Meer kann es niemals ersetzen, das kann ich mir nicht vorstellen. Wenn du in deinem Leben nur dort gesurft bist gehst du im Meer völlig unter. Ich merke ja sogar bei mir, wenn ich lange weg bin vom Meer, dass ich dann einfach nicht mehr so eins mit dem Ozean bin, während andere Circles um mich herum paddeln und viel mehr Wellen kriegen. Um dieses Gespür aufzubauen brauchst du einfach das Meer und die Natur kann man nicht ersetzen.

Zum Abschluss: 2024 ist in Tahiti Olympia. 2009 bist du die Billabong Pro dort gesurft. Wie wäre da nach 15 Jahren wieder ein Comeback?

Ich bin offen für alles. Aber was ich nicht mehr machen kann, ist diese Contests einfach so mit zu surfen. Ich brauche dieses Wofür. Wofür mache ich das? Mal sehen also. Ich pushe auf alle Fälle, gebe mein Bestes und versuche den anderen Kids so viele Probleme wie möglich zu bereiten. Ich denke mein Job ist es, das Beste aus den anderen herauszuholen aber ihnen auch Hilfe zu geben, wenn sie Hilfe benötigen. Wenn ich so eine Position im Team einnehmen kann, dann bin ich dabei, aber ich will niemandem, der besser ist als ich, seine Position wegnehmen.

Spannend, du siehst dich also irgendwie auch als Katalysator oder so ein bisschen als Motivator.

Genau, das hat glaube ich, ganz gut zwischen mir und Leon funktioniert, als er sich qualifiziert hatte. Jeder will der Beste sein, man ist zwar im selben Team, aber so holt man das Beste aus sich und den anderen heraus.

Was sind dann deine Pläne ab 2024? Was habt ihr zum Beispiel mit JAM TRACTION vor?

Mit JAM haben wir viel vor. Wir sind als Firma schon weltweit bekannt und haben so eine gute Position. Gony und ich machen aber wie du gesehen hast alles immer noch von unterwegs aus der Hosentasche mit unseren Handys und müssen uns um alles selber kümmern: Vom Team Management, der Produktion, Produkt Entwicklung bis hin zu Sales machen wir wirklich alles selber. Daher suchen wir jetzt ein wenig mehr Manpower und Leute mit Erfahrung im Management. So können wir uns dann wieder auf das konzentrieren, was wir am Besten können – neue Produkte zum Surfen zu entwickeln.

Marlon Lipke

Ist das dein Wofür? Produkte zum Surfen zu verbessern?

Genau. Deswegen haben wir auch angefangen. Uns haben einfach die damaligen Traction Pads überhaupt nicht gefallen. Uns geht es gar nicht darum, viel Geld zu verdienen, sondern mehr geile, neue Produkte zu entwickeln. Wenn wir einen Rucksack entwickeln, dann so, dass wir ihn selber gut finden, weil einfach das Material und das Design gut und nachhaltig sind. So wie es Fast Fashion gibt, gibt es auch Fast Accessories, die einfach schnell kaputt gehen. Wir wollen eben lang anhaltende, coole Produkte entwickeln, die das Surfen und Reisen ein wenig einfacher und besser machen.


Lieber Marlon, vielen Dank für deine Zeit.

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