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INTERVIEW: Quirin Rohleder über die Zukunft der Rapid Surf League

Foto: Antje Seidel

Hallo Quirin, wilde Zeiten liegen vor uns. Ihr habt die Rapid Surf League für dieses Jahr gestrichen. Das war sicher keine leichte Entscheidung. Wieso habt ihr einen Radikalschlag gemacht und nicht verschoben?

Christian und ich haben uns mit unseren wichtigsten Stake-Holdern zusammengesetzt und da war es ganz schnell offensichtlich, dass jetzt erst mal andere Prioritäten herrschen. Zuerst einmal natürlich die Sicherheit unserer Sportler, unseres Teams und unserer Fans. Aber für ganz viele Bereiche geht es jetzt erst mal darum, ihr Überleben zu sichern, so krass wie sich das jetzt auch anhören mag. Aber das sind leider die Fakten. Und da keiner von uns weiß, wie lange das noch dauert, haben wir den schweren, aber in unseren Augen richtigen Entschluss gefasst, ganz abzusagen. Klare Ansagen sind jetzt wichtig. Hier möchten wir uns auch noch mal bei allen Locations für das Verständnis bedanken. Und ein riesiges Dankeschön geht an Pure Surfcamps, G-Shock und Dakine, die von Anfang an dabei sind und auch für 2020 zugesagt hatten.

Positiv zu sehen ist jedoch die Entwicklung und Entstehung neuer Wellen und Wavepools, auch in der näheren Umgebung. Gerade Pforzheim, Nürnberg, Ebensee und hoffentlich Hannover klingen sehr vielversprechend. Führt Ihr mit den Verantwortlichen bereits Gespräche?

Das ist unglaublich spannend und eine richtig tolle Entwicklung. Wir sind mit allen Projekten im Austausch, die Jungs in Nürnberg haben wir vor Kurzem erst besucht, Heiko von der Leinewelle hat uns erst vor ein paar Wochen in München besucht. Wir können nur hoffen, dass Max Neuböck am Ebensee am ersten Mai-Wochenende auch aufmachen kann. Aber auch wenn nicht, dann gibt es eben ein massives Get-Together, wenn es so weit ist.
Für uns muss die Mischung an kommerziellen und vereinsbetriebenen Wellen passen. Der Zugang muss da sein, damit sich Szenen entwickeln können. Wie sagt man so schön: die Mischung macht’s. Kommerzielle Wellen haben aber natürlich ebenso ihre Berechtigung und an manchen Orten funktioniert halt nur so ein Konzept. Wir müssen es einfach schaffen, dass wir in Deutschland flächendeckend Wellen haben, die sich gegenseitig befeuern.

Rapid Surf League / Matze Ried

Die Rapid Surf League unterscheidet sich im Judging und Ablauf von allen gängigen Surf Contests. Könntet Ihr uns nochmal kurz erklären, wie genau und was Euch dazu gebracht hat?

Unser Format heißt CUT: 2 CALL©. Und was uns dazu bewogen hat, ist ganz simpel: Wenn man einer Sportart wie dem Wellenreiten – abgesehen vom Akt des Reitens – der Welle den Rest nimmt, das Rauspaddeln, das Wellen lesen, den Take-Off, generell die Fähigkeit zu haben in einen Rhythmus zu kommen, was Set-Wellen angeht, dann muss man nicht lang überlegen, bis man darauf kommt, dass es keinen Sinn macht dieses Format eins zu eins zu kopieren. Unsere Wellen sind immer konstant. Wir möchten unseren Sportlern ein spannendes Format bieten, das sie herausfordert, welches es ihnen ermöglicht strategisch zu surfen, bei dem sie ihre Stärken und die Schwächen des Gegners ausnutzen können. Wir haben alle Möglichkeiten, unseren Zuschauern ein Format zu bieten, das sie mitnimmt, das sie schnell verstehen, das in jeden Lauf ein kleines Finale hat. Wir haben die Möglichkeit, während der Heats über unsere MCs eine Kommunikation zwischen Sportlern und Zuschauern aufzubauen. Wir haben die Möglichkeit, die Charaktere unserer Sportler in den Vordergrund zu stellen. Wir haben die Möglichkeit, Geschichten zu erzählen. Und das in einem Format, das eben rapid ist – schnell.

Mit einem Jahr Vorplanung für 2021 können wir uns sicher über einige Neuerungen freuen. Könnt Ihr uns schon Näheres erzählen?

Jetzt schauen wir erst mal, dass wir unseren Rapid Surfern 2020 noch etwas bieten können. Eine komplette Tour wird es nicht werden, aber wir lassen uns von der Situation jetzt nicht unterkriegen. Mehr dazu, wenn es spruchreif ist. Sonst versuchen wir natürlich immer, ein bisschen besser zu werden und uns weiter zu entwickeln. Es gibt ja nicht nur die Bereiche Wettkampf, Formate und Locations. Es soll ja auch viel drum herum passieren, was unsere Sportler und unser Produkt auf die nächste Ebene bringen soll. Da müsst ihr euch aber überraschen lassen.

Wie schaut es aus mit der Qualifikation? Wie können sich die Surfer für die Tour im nächsten Jahr qualifizieren?

Wir nutzen momentan alle Möglichkeiten, die wir haben, um unser System so fair wie möglich zu gestalten. Wir haben unsere Top 4 Frauen und Top 10 Männer, die gesetzt sind, über das Jahr aber je nach Leistung variieren. Dazu kommen die nationalen Meisterinnen und Meister aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. In Frankreich gibt es auch schon nationale Meisterschaften, die müssen wir jetzt ebenfalls berücksichtigen. Wir arbeiten also eng mit den nationalen Verbänden zusammen. Aber da ist generell natürlich noch viel Luft nach oben. Sobald Wellen wie die Dauerwelle, die Black Forest Wave, die Leinewelle laufen, schauen wir an den Locations vorbei und dann kommen hoffentlich schnell lokale Events dazu, über die man sich ebenfalls qualifizieren kann. Vielleicht nicht direkt für die RSL, aber vielleicht kann man sich so schon mal ein Seeding für die nationalen Meisterschaften ersurfen.

Gibt es 2020 denn einen Plan für eine zweite offizielle Deutsche Meisterschaft im Rapid Surfing?

Den gibt es, aber der liegt natürlich leider auch gerade auf Eis. Aber vielleicht denken wir einfach positiv und sagen, dass die 2. offizielle Deutsche Meisterschaft am 22. August im Wellenwerk in Berlin stattfindet.

Deutschen Meisterschaft im Rapid Surfing

Bei der Gründung der RSL ging es Euch sicherlich nicht nur um den Spaß an der Freude. Was ist das langfristige Ziel?

Weltherrschaft natürlich, ha ha ha… Nein, Spaß beiseite. Über die nächsten paar Jahre müssen wir, wie gesagt, erst mal eine vernünftige Struktur aufbauen, damit wir auch wirklich als Sport wahrgenommen und akzeptiert werden. Wenn wir das schaffen, es zeitgleich mehr halb-natürliche Wellen mit einfachem Zugang gibt und die kommerziellen Systeme es schaffen, ihren Stromverbrauch zu reduzieren, sind wir auf einem sehr guten Weg.

Seid ihr auch schon in Gesprächen mit den großen Playern im Wavepool Business?

Wir konzentrieren uns erst mal auf die stehenden Wellen, da gibt es noch genug zu tun. Der, wir sagen mal, erweiterte D.A.CH. Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, Italien) ist jetzt erst mal unser Fokus. Da tut sich aber, wie gesagt, einiges. In Lyon soll im Herbst 2020 die mit 10 Metern breiteste stehende Indoor-Welle fertiggestellt werden. Dahinter steckt die Firma Hydrostadium (die zu EDF, Energie de France gehört). Die beschränken sich aber nicht nur auf kommerzielle Wellen, sondern sind auch in Flüssen sehr aktiv. In Metz haben sie in nur einer Woche im Auftrag der Stadt eine kleine Welle an einem Wehr gebaut. Zwar nur 5 Meter breit, aber es zeigt, dass es mit der Unterstützung einer Stadt, einer Gemeinde, recht schnell mit einer Umsetzung gehen kann. Unit Surfpool entwickeln immer weiter und versuchen, ihr System energieeffizienter zu bekommen. Aber klar, die Wavepools sind natürlich auch sehr spannend. Aber bis da der erste in der D.A.CH. Region steht, können wir mindestens noch drei Jahre RSL machen.

Die Meinung über den Contest auf der Surf Ranch ist sehr kontrovers. Was haltet Ihr davon und wo seht Ihr die Zukunft der Contests in Wavepools?

Wir haben für die Surf Ranch neulich ein tolles Format entwickelt. Der Surfer paddelt an, macht ein erstes Manöver, auf dem Rücken hat er wie ein Biathlet ein wasserdichtes Gewehr und während er surft, muss er eine Zielscheibe treffen. Dann in die Barrel, wieder raus und noch mal eine Zielscheibe treffen… ha ha ha. Dann haben wir ein Fernseh-taugliches Event. Nein, wir haben auf stehenden Wellen richtig tolle Möglichkeiten, wenn nicht sogar bessere Möglichkeiten. Der Zuschauer ist ganz nah am Geschehen dran, kameratechnisch kann man das super aufbereiten… Und wir können unsere Wellen für Events aufstellen, wo wir wollen. Und hier haben wir mittlerweile drei Anbieter.

unit welle langenfeld

Mit den Olympischen Spielen, auch wenn sie jetzt erst mal verschoben sind, wird auch das Wellenreiten einen großen Schritt gehen. Ein Schritt in die richtige Richtung?

Wellenreiten hat seit den Sechziger Jahren eine professionelle Wettkampfstruktur. Es gibt Wellenreiter, die den Wettkampf mögen, es gibt Wellenreiter, die der Wettkampf nicht interessiert. Beides geht wunderbar einher. Und es scheint, als würden die ISA (die treibende Kraft hinter dem Olympischen Gedanken) und die WSL ganz gut miteinander können. Es ist auf jeden Fall eine Chance für Profisurfer, relevanter zu werden und mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Denn Medaillen verstehen alle Länder und vor allem die Sponsoren. Aus sportlicher Sicht müssten die Olympischen Spiele auf jeden Fall helfen. Ob man die Bagage um Bach und den IOC nun mag oder nicht, ist eine andere Frage.

Was haltet Ihr von der Entscheidung des IOC, die Spiele 2024 in Teahupoo abzuhalten?

Natürlich ein harter Schlag für Lacanau, Hossegor oder Biarritz, die sich sicher Hoffnungen darauf gemacht haben, die Surfwettkämpfe an ihren Stränden auszutragen. Für den Sport sicherlich eine gute Entscheidung, denn wenn Teahupoo feuert, dann wird es ein Spektakel. Aber bis dahin müssen sicherlich noch eine ganze Menge Olympiaaspiranten ein paar Trainingsstunden am Ende der Straße absolvieren oder an der Größe ihrer Eier arbeiten, ha ha ha …

Ihr seid fest in der deutschen und auch europäischen Surfszene verankert. Eure Zukunftsvision für das Surfen in Deutschland in zehn Jahren?

Je mehr Leute auf einem Surfbrett stehen, desto besser. Das finden wir zumindest. Es verändert Leben zum Positiven. In Deutschland stehen hoffentlich 25 stehende Wellen, davon mehr als die Hälfte halb-natürlich. Und es wird sicherlich mindestens eine laufende Welle geben. Wir haben nicht nur die ersten deutschen Wellenreiter, die an olympischen Spielen teilnehmen, wir haben Medaillenaspiranten und -aspirantinnen.

Traurige, aber leider nicht zu umgehende letzte Frage – wie und wo verbringt Ihr die nächsten Tage?

Christian hält die Stellung in München, ich habe mich mit meiner Frau zum Physical Distancing aufs Land zurückgezogen. Abschließend können wir nur hoffen, dass wir mit einem blauen Auge davon kommen und schnell wieder zur Normalität zurückkehren können. In diesem Sinne alles Gute an alle da draußen und herzlichen Dank an euch, Surfers Mag!

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