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Portraits

AUF & DAVON: Lena Kemna und ihr Leben in Portugal

Lena Kemna kennen vielleicht einige schon aus unseren Quarantäne Cribs oder aus dem Lineup in und um Ericeira.

Die 27-jährige ist bereits vor 6 Jahren nach Portugal ausgewandert und besonders größere Wellen haben es ihr angetan. Gleichzeitig fokussiert sie sich auf ihre Karriere und macht seit 2 Jahren einen PhD in Marketing  mit Fokus: (Anti-)Consumption /Community)

Der Spagat zwischen Surfen, Studium und Job erfordert ein sehr diszipliniertes Leben. Wir wollten mehr über die gebürtige Bremerin wissen und uns ein paar hilfreiche Tipps für das Auswandern nach Portugal holen.

Lena Kemna

Grüße nach Portugal. Die Aufnahmen des letzten großen Swells haben in den letzten Wochen für unglaubliches Aufsehen gesorgt. Wie war denn die Lage vor Ort?

Sehr gut. Nazaré und Ericeira, wo ich lebe, funktionieren tatsächlich in etwa bei den gleichen Bedingungen. Manchmal ist es natürlich maxed out, aber die meisten Swells kann man bei uns dann surfen. Für mich persönlich sind gerade das die besten Tage, wo einige Spots gerade eben so die Swells noch halten, und man auch seine persönlichen Grenzen pusht.

Du bist vor gut 6 Jahren nach Portugal ausgewandert. Fühlt es sich mittlerweile an wie Heimat oder weinst Du deiner „echten“ Heimat Bremen an und zu noch nach?

Eigentlich lebe ich seit zehn Jahren schon nicht mehr in Deutschland. Ich habe mit 17 Abi gemacht und bin dann direkt ins Ausland zum studieren. Niederlande, Australien, Indonesien, Portugal. Ich identifiziere mich zwar mit vielen Teilen der deutschen Kultur – ich mag das Organisierte, und dass wir für unsere Werte aufstehen, aber dort zu leben kann ich mir schon lange nicht mehr vorstellen. Und ja, Portugal ist definitiv meine Heimat geworden. Ich arbeite hier, zahle hier Steuern, und reise tatsächlich nicht besonders gerne von hier weg.

Lena Kemna, Foto: barrelsniper

Foto: barrelsniper

Was hat Dich damals bewegt ans Meer zu ziehen?

Ich habe im Urlaub auf Fuerteventura einen Surfkurs gemacht. Nach dem ersten Tag war es um mich geschehen. Sobald ich die Chance hatte, ein Auslandssemester zu machen, bin ich ans Meer, und dann für den Master wieder. Das war Ende 2015. Damals bin ich quasi noch als Anfänger nach Lissabon und habe mich jeden Tag mit meinem Brett in den Bus gesetzt. Und seitdem bin ich aus Portugal nicht mehr weg.

Im ersten Augenblick klingt das nach einer klassischen Surf-Auswanderer-Story, aber neben dem Surfen, Strand und Sonnenschein bist Du auch beruflich sehr ambitioniert. Erzähl mal bitte kurz, was genau Du beruflich treibst?

Ich habe während des Studiums durchgehend im Marketing gearbeitet, Brand Strategy, Consulting, Content Creation, und mache das immer noch nebenbei. Seit knapp 5 Jahren arbeite ich aber hier an der Uni. Zuerst einfach nur zur Überbrückung als Assistenz für einen Kurs an der Business Fakultät, in Brand Management. Als 50% Stelle, wovon man kaum überleben konnte, aber viel Zeit zum Surfen hatte. Tatsächlich macht mir die Arbeit in der Akademie aber total Spaß, was ich früher nie gedacht hätte. Darum habe ich mich für eine PhD Stelle beworben, sie aber erst vor knapp 1,5 Jahren begonnen, weil ich erst dann ein Stipendium bekommen habe. Also wenn alles gut läuft, bin ich dann irgendwann mal Prof hier :D

Gerade das Thema „Geld“ wird früher oder später für viele Auswanderer ein Knackpunkt bzw der Grund wieder nach Deutschland zu kommen. Wie schaffst Du es Dein Leben in Portugal zu bestreiten?

Ich gebe wenig aus. Und ich habe natürlich das Glück, eine erstklassige Ausbildung zu haben, schon recht viel Arbeitserfahrung, und ich bin ambitioniert und diszipliniert. Ich stehe oft vor 6 auf, damit ich um 6 oder 7 arbeite bevor es hell wird und ich surfen gehe. Natürlich gehe ich abends dann nicht aus, schon seit Jahren nicht.

Aber trotzdem, die Gehälter hier sind niedrig, etwa die Hälfte oder 1/3 wie in Deutschland, die Lebenshaltungskosten etwa gleich. Für mich ist es okay, weil mein Lebensstil simpel ist, und ich sehr glücklich bin mit wenigen Dingen in meinem Leben, selber kochen, sowas eben. Surfen ist ja mehr oder weniger umsonst, genau wie freediven oder mein Apnea Training. Aber klar, wenn es um sowas wie Rente oder Versicherungen geht, das ist schon kritisch.

Lena Kemna, Foto: barrelsniper
Lena Kemna, Foto: barrelsniper
Lena Kemna, Foto: barrelsniper
Foto: barrelsniper

Die Digitalisierung hat sicherlich viele gute Seiten und ermöglicht das Arbeiten „Remote“ von überall auf der Welt. Wieso hat es Dich damals nach Portugal getrieben?

Damals war ich gerade im Auslandssemester und habe recherchiert, wo man studieren und surfen kann, ohne dass es auch ein finanzielles Abenteuer wird. Daher habe ich Kalifornien und Australien ausgeschlossen, so kam ich auf Portugal. Und habe dann über die Jahre gemerkt, dass die Art von Surf hier zu mir passt. Besonders in Ericeira ist es das halbe Jahr schon rough, recht kaltes Wasser, starke Wellen. Ich liebe es. Aber viele Expats hauen dann ab nach Bali, Sri Lanka & Co.

Auf Deinem Instagram Account werden wir regelmässig mit tollen Aufnahmen verwöhnt und neben echt großen Wellen scheint Deine zweite Leidenschaft den Hunden zu gelten. In dem „Quarantäne Cribs“ Clip hat Dein Hund gerade Junge gehabt. Wie ist die momentane Lage?

Haha, ja! Ich hatte nie in meinem Leben Haustiere und wollte auch keine. Dann ist mir an meinem Lieblingssurfspot ein schwangerer Hund zu gelaufen. Ich wollte ihr keinen richtigen Namen geben, damit ich nicht an ihr hängen bleibe. Zwei Jahre später ist Babydog immer noch bei mir, und es ist total cool. Beim Arbeiten liegt sie unterm Schreibtisch, während ich surfe bleibt sie am Strand oder jagt in den Klippen. Ich bin auch viel alleine in der Natur unterwegs, das passt total mit Hund, ich fühle mich oft sicherer mit ihr.

Die letzten 1,5 Jahre waren auch in Portugal sicher alles andere als einfach. Warst Du dennoch froh in Portugal zu sein, oder hast Du überlegt wieder nach Deutschland zu kommen?

Was soll ich denn in Deutschland? :D Klar, Spaß, aber tatsächlich weiß ich besonders in Städten einfach nichts mit mir anzufangen. Ich habe sehr viel Energie, trinke keinen Alkohol, und bin nicht gerne unter vielen Menschen. Da ist es schwer, Spaß zu haben, wenn man in der Stadt lebt.
Ich hatte Glück, dass mein Job nicht gefährdet war, daher war alles ok hier. Ich wohne schon ein bisschen auf dem Acker, da ist man auch von dem Nachrichten-Wahnsinn sicher.

Lena Kemna, Foto: barrelsniper
Foto: barrelsniper

Jetzt aber zum Thema Wellenreiten – wir können uns vorstellen, dass Du bei doppelkopfhohen Wellen häufig die einzige Frau im Wasser bist. Wie haben Dich die Locals aufgenommen?

Oder auch triple ;) tatsächlich deutlich besser, seitdem ich größere Wellen surfe, weil viele gehen da selber nicht mehr raus – auch wenn sie technisch viel besser surfen als ich – aber dann ist natürlich schwieriger einem blöd zu kommen. Über die letzten Jahre hatte ich schon Schwierigkeiten, habe aber einfach nicht aufgegeben. Ich spreche auch Portugiesisch, und halte mich an die Regeln. Aber ich pushe auch, ich will ja die Set-Wellen.

Tatsächlich ist Localism, den ich übrigens viel für komplett berechtigt halte, nur eine Frage bei mittelgroßen Wellen hier. Wenn es wirklich groß ist, also wenn ich mit der Gun rausgehe und hauptsächlich kämpfe und wenig surfe, dann ist die Atmosphäre ganz anders. Das ist eine andere Art von Menschen, die sind einfach nur gut drauf, unterstützend. Letztens war es für mein Level eigentlich zu groß, aber ich dachte ich probiere es mal. Draußen im Line-up habe ich dann gemerkt, dass es für mein Level viel zu groß war. Es war einfach nur ein Zufall, dass ich es rausgeschafft habe. Da habe ich dann laut angekündigt, dass ich Angst habe, und alle haben gelacht. Und haben mich ermutigt, irgendwas zu kriegen. An dem Tag habe ich mich letztendlich von Weißwasserwalzen hereinspülen lassen.

Aber auch abgesehen davon, man muss dem ganzen einfach Zeit geben. Wenn man jahrelang da ist, bei schlechtem Wetter, wenn man zeigt, dass man es ernst meint, dann wird man irgendwann akzeptiert.

Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass die Stimmung an manchen Spots doch recht angespannt werden kann, gerade durch unzählige Urlauber. Wie gehst Du mit damit um und was kannst Du unseren Leser:innen raten?

Respektvoll zu sein, nicht so laut zu sein, nicht in großen Gruppen surfen zu gehen. Und dann passt das schon. Und nicht in Conditions oder Spots raus zugehen, wo man nichts zu suchen hat, nur weil sie bekannt sind. Aber ansonsten auch einfach jemanden fragen, wo man rauspaddelt. Ob Urlauber oder nicht, empfehle ich anderen was ich auch selber mache, surfen wenn die Conditions nicht gut sind. Onshore Wind, kaum was bricht, oder mega bumpy. Oder im November um 6 Uhr morgens im Nieselregen. Da ist sicher keine Crowd 😉 und Training ist es trotzdem, und Spaß macht es auch.

Lena Kemna, Foto: Janna Nadjeja

Du bist auch ziemlich aktiv, mit dem Klischee des „Surfergirls“ aufzuräumen. Hier hat sich in den letzten Jahren einiges getan, oder?

Ich denke ja. Ich wünsche mir trotzdem, dass noch mehr das gezeigt wird, was wirklich passiert. Denn klar sind Frauen, die surfen, irgendwie sexy, aber halt auch weil sie surfen, das kann man dann ruhig auch zeigen. Genau wie Männer, genau wie alle Menschen, die einer Passion im Leben nachgehen.

In letzter Zeit ist das Thema aber noch komplexer geworden. Ich bekomme manchmal Nachrichten, tatsächlich eigentlich nur von Frauen, die mich kritisieren, dass ich mich zu sexy darstelle. Keine Ahnung, was die auf meinem Instagram sehen, so sexy finde ich 5mm Neopren-Anzüge gar nicht :D

 

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Ich wurde sogar in einem Brand-Post für Proteinpulver kritisiert, dass die keine Models nehmen sollen, sondern echte Sportler. Und die Woche danach dann, dass meine Muskeln unweiblich sind. Schon verrückt, online teilen viele Leute ihre Meinung halt total unreflektiert, und man kann es eh nie allen recht machen. Mir persönlich ist das zum Glück total egal.

Und ich finde tatsächlich, dass, wenn man sich nackt zeigen möchte, go for it. Surfen im G-String finde ich genauso ok wie in der Burka, soll jeder machen, was er will. Ich finde, man soll einfach das machen, was man möchte, angepasst an die lokale Kultur, und andere das genauso machen lassen.

Gerade in den sozialen Netzwerken werden noch viele Klischees erfüllt. Wie schaffst Du den Spagat und was kannst Du anderen Surferinnen raten oder empfehlen, wenn es um das Thema Selbstdarstellung geht?

Ganz ehrlich, wir müssen alle unsere Rechnungen bezahlen. Ich sehe da vieles nicht so kritisch, wenn es um Posen oder so geht. Wo ich persönlich die Grenze ziehe sind bearbeitete Fotos, Filter und so finde ich nicht so cool. Mehr bezogen auf das Surfen mache ich es persönlich so, dass ich auch meine Fails zeige, meine Wipeouts und meinen Ansatz „when in doubt, don´t paddle out“. Ich glaube einfach so sein, wie man wirklich ist, ist das beste. Aber kritisiert wird man trotzdem.

Lena Kemna
Lena Kemna

Durch Produktplatzierungen kann man mittlerweile gutes Geld auch über Social Media generieren, wie schaut es hier bei Dir aus? Würdest Du Dich als Influenzer / Content Creator sehen?

Leider nein :D mein einziger Sponsor ist @srface , für warme Wetsuits, was total cool ist. Für die habe ich meinen vorherigen Sponsor tatsächlich verlassen. Ich kriege ab und an Produkte, durch die ich Kosten spare, bekomme aber kein Geld. Also klar kreiere ich Content, sieht man ja auf Insta, aber einfach weil das Fotos und Videos von meinem Leben sind. Wenn es in der Zukunft mal passiert, dass ich einen Sponsor bekomme, wäre das aber schon cool, das würde mein Leben definitiv einfacher machen. (Wink mit dem Zaunpfahl :D)

Wie sind Deine weiteren Pläne?

Meine Pläne und Wünsche sind, dass alles in etwa so bleibt, wie es ist. Dass es sich in die gleiche Richtung weiter entwickelt. Dass ich den Spagat zwischen Surfen und Arbeit weiterhin schaffe, und ich mich nicht verausgabe. Und dass ich nächsten Winter die größte Welle meines Lebens droppe, so wie jeden Winter über die letzten Jahre.

Ich habe diesen Winter auch für eine Doku gedreht, @3womenandthesea, es geht um 3 Frauen, ich bin eine davon, wie wir unser Leben mit dem Meer leben. Diesen Winter hat das Team direkt mitverfolgt wie ich einen Sprung in meinem Surfen gemacht habe, meine ganz ersten Babysteps für nochmal größere Wellen, die ich mit der Gun surfe. Und das Team wird mich in den nächsten Jahren weiter begleiten, mal schauen, was da noch passiert.

Dann schon mal viel Erfolg und sehen wir Dich auch bei der DM oder anderen Surf Contests?

Auf gar keinen Fall, das ist überhaupt nicht meine Welt. Ich hab mal beim Longboarden competed bei der DM, aber das war nicht mein Vibe. Ich finde es schon cool, aber ich persönlich surfe gerne alleine, ruhig, in großen Wellen. Also alles das, was Contest nicht sind :D Abgesehen davon surfe ich technisch auch nicht besonders gut.

Lena Kemna, Foto: Janna Nadjeja
Foto: Janna Nadjeja

Hast Du uns noch einen Tipp, für alle, die nun auch nach Portugal ziehen wollen und was sind die größten Hürden auf dem Weg zum Leben am Meer?

Ein etwas unromantischer Tipp ist, ehrlich mit sich selbst zu sein, was man wirklich möchte. Social Media romantisiert auch vieles, so wie Vanlife, das ist für kaum jemanden wirklich was. Und ehrlich gesagt ist so viel Surfen und ein sehr simpler, nicht so komfortabler Lebensstil auch für kaum jemanden was, was auch voll OK ist. Vielleicht will ich das irgendwann auch anders, vielleicht nicht.

Ich habe mich schon immer in die Natur gezogen gefühlt, ich brauche das, ansonsten brauche ich auch gar nicht zu leben. Aber wie man sein Leben leben möchte, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Dein Lebensmotto?

Klingt bisschen langweilig, aber ich meine das echt so: Ich glaube meistens wissen wir, was eigentlich das Richtige ist. Egal ob es darum geht, wo wir leben wollen, mit welchen Menschen wir uns umgeben wollen, oder welche Welle wir droppen wollen.

Ich glaube man muss einfach das machen, was man will. Das Leben kann so viel kürzer sein, als wir manchmal denken. Ich surfe und lebe recht vorsichtig, bin immer gut vorbereitet und mache mir viele Gedanken. Aber eben aus dem Grund, damit ich die Freiheit habe, so zu leben, wie ich es tue. Das nicht zu tun ist noch riskanter.

Lena Kemna,

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