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Vinicius dos Santos

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Vinicius dos Santos verdient sich Respekt in Nazaré

Big-Wave-Surfer Vinicius dos Santos paddelte Ende Februar am Praia do Norte via Airdrop in diese Welle. Wir trafen den Brasilianer zum Interview, um mehr über ihn und die Stimmung in Nazaré zu erfahren.

Cover: Hannah Dürr 

Am 22. Februar ist Vinicius dos Santos in eine riesige Welle am Praia do Norte gepaddelt und schaffte es nach einem halsbrecherischen Air-Drop, sie komplett abzureiten. Seine Welle sorgte im Anschluss für viel Aufsehen in Nazaré und wurde bereits in die Auswahl für die WSL XXL Awards eingereicht.

Der Brasilianer, aufgewachsen auf der Insel Florianopolis, gibt uns im Interview ein paar Einblicke in die Welt des Big-Wave-Surfens. Aus der Perspektive eines Paddle-In-Athleten erklärt er beispielsweise die Unterschiede zwischen Paddeln (Paddle-In) und Tow-In per Jetski in die gigantischen Wellen.

Erstmal herzlichen Glückwunsch zu der Welle! Welche Erinnerungen sind dir von dem Ritt geblieben?

An diesem Tag paddelte ich von der Nazaré Vila aus mit meinem guten Freund Ollie Dousset raus. Während er die Wellen vor dem Canyon beobachtete, der die Vila vom Nordstrand (Praia do Norte) trennt, hatte ich mir schon ziemlich genau überlegt, was ich machen wollte. Aufgrund der Zeit, die ich hier verbracht habe, um den Spot zu studieren, wusste ich, dass die Richtung des Swells für perfekte Bedingungen sorgen würde, ebenso der Wind. Schon Tage zuvor plante ich, im richtigen Moment an genau dieser Stelle im Wasser zu sitzen. Also kreuzte ich direkt von dem Canyon zum zweiten Peak. Ich sah das Team von Maya und Sebastian, die kurz vor mir ankamen. Ich blieb dort und versuchte, eine sichere Position zu finden, um nicht von einem Set erwischt zu werden und zu weit vom  idealen Punkt entfernt zu sein, als meine Freunde Ollie, Tito und Tony zu mir kamen. Auch eine große Crowd von Tow-In-Surfern gesellte sich dazu, sie surften um uns herum und nah an uns vorbei, oft auch zwischen uns hindurch.

Ich erinnere mich nur daran, dass ich sie anschrie, weil sie so viel Wirbel machten. Schließlich bekam ich die Welle direkt danach. Ich habe es noch so frisch im Gedächtnis, wie ich den Berg hinunterblicke, meine Arme öffne und mich fast wie ein fliegender Vogel fühlte. Als ich schließlich auf meinem 11’6-Board auf den Füßen landete, lag das Brett in der Welle. Ich hatte erst das Gefühl, es zu verlieren, also passte ich instinktiv meine Haltung an, um zum Hauptziel zurückzukehren: den Bottom Turn um die Kurve zu kriegen, um der auf mich zukommenden Lawine zu entgehen. Ich war echt glücklich und fühlte mich so lebendig, als ich die Fahrt in der kleinen Rinne zwischen Gipfel eins und zwei beenden konnte. Aber es war noch nicht Zeit zum Feiern, ich musste mich zurück zum Line-up arbeiten, komplett „on fire“ – und erwischte nach dieser Welle noch zwei weitere.

Nazaré ist bekanntermaßen ziemlich furchteinflößend. Woher nimmst du den Mut, in so eine Bombe hineinzupaddeln?

Ich bete, um Schutz zu erbitten. Aber ich trainiere auch sehr viel und gehe mit meinen Schwimmflossen ins Meer. Als Rettungsschwimmer habe ich das oft gemacht. Nazaré ist kein neuer Ort für mich, ich beende gerade meine dritte Saison hier und kenne die Wasserdynamik und die Felsen. Ich habe hier Sicherheits- und Rettungstraining hinter mir und wurde schließlich von der WSL eingeladen, bei der Nazaré Tow-In Challenge als „Safety Holster“ mitzuarbeiten.

Wenn wir einmal da draußen sind, nehmen wir bestimmte Risiken in Kauf. Ich mache das aus Leidenschaft, für mich gibt es kein besseres Gefühl. Ich liebe die Atmosphäre.

Vinicius dos Santos, Big Wave Paddle-In
Foto: Hannah Dürr 

Wo hast du Surfen gelernt und trainiert, um solche Wellen zu bezwingen?

Ich habe Surfen im Süden Brasiliens von meinem Vater, meinem großen Vorbild, gelernt, als ich erst drei Jahre alt war. Ich erinnere mich daran, dass ich das längere Brett meines Vaters nahm, um die größten Wellen an meinem Homebreak zu surfen. Da war ich elf Jahre alt.

An einem großen Surftag wache ich normalerweise um 5 Uhr morgens auf, trinke Tee und Kaffee, bevor ich ins Fitnessstudio gehe, um meinen Körper aufzuwärmen, denn der Winter hier ist extrem kalt. Bevor die Sonne aufgeht, esse ich etwas Pflanzenbasiertes, allerdings nicht allzu viel, um für die Action bereit zu sein. Wenn die Wellen nicht gut aussehen, versuche ich, mich mit Menschen zu connecten, im Meer zu schwimmen, Fahrrad zu fahren, im tiefen Sand zu laufen und an den Wasserfällen der Insel, von der ich komme, zu meditieren. Für mich ist es auch sehr wichtig, zur richtigen Zeit zu essen. So halte ich mich für die nächsten Herausforderungen bereit.

Die Riesenwellen der Welt zu jagen, ist momentan etwas schwierig. Wie geht es für dich weiter nach der Saison in Nazaré?

Ich hoffe auf einen großen Swell für die Spätsaison, sogar jetzt noch, nachdem ich die größte Welle meines Lebens in Nazaré bekommen habe. Dieses Jahr verlief sehr langsam im Vergleich zu den letzten Jahren, aber bis der Ozean hier weiter abliefert, bleibe ich und genieße alles, was Nazaré zu bieten hat. Ich lebe von Tag zu Tag und ich würde auch gerne mein Board im Surfmuseum im Leuchtturm von Nazaré sehen. Das könnte bald passieren. Entschieden ist noch nicht, wann ich abreisen werde und wohin es danach geht. Ich fühle mich hier sicher in dieser schwierigen Zeit, die wir derzeit alle durchmachen. Ich wohne auf dem Land in Portugal und der Ozean ist direkt vor dem Trainingszentrum, in dem ich viel Zeit im Winter verbracht habe.

Was sind deine Projekte und Ziele, an denen du gerade arbeitest?

Ich arbeite daran, eine professionelle Karriere in der Surfindustrie aufzubauen, die es mir ermöglicht, große Wellen auf der ganzen Welt zu jagen. Das ist mein Hauptziel. Außerdem möchte ich das Surfen weiter fördern, mich entwickeln und meine Arbeit mehr Menschen zugänglich machen. Das ist mein Vermächtnis und ich weiß, dass es noch größere Wellen geben wird. Ich bin darauf fokussiert, weiter zu surfen und dem nächsten Swell zu hinterherzujagen. Erfolg, Sponsoren oder Auszeichnungen werden von selbst kommen, wenn ich nur hart genug arbeite. Mich begeistert, dass ich sicher bin, bereits einen großen Einfluss auf viele Surfer aus meiner Gemeinde zu haben – und das ehrt mich. Zurück in Brasilien möchte ich unbedingt wieder mit meinem Vater und meinen Leuten surfen.

Wie ist der Teamgeist unter Big-Wave-Surfern und die Konkurrenz im Vergleich zur CT? 

Am Nordstrand herrscht eine ganz besondere Atmosphäre. Im Giant Wave Surfing Colloseum findet man ein paar Paddler, die versuchen, eine Welle zu erwischen und sie zu überleben. Aber man sieht auch viele Tow-In-Surfer, die alles erwischen wollen, was sie sehen. Und dann gibt es mittlerweile auch noch die Foiler. Wie auf der CT ist das Surfen in Nazaré sehr wettbewerbsorientiert mit einer Menge Drama und Ego-Kämpfen. Wir sehen uns als Gladiatoren, jeder will die größte Welle bekommen. Für die meisten Top-Surfer aus dieser Gemeinde ist es auch nicht nur eine persönliche Herausforderung. Die Surfer kommen jedes Jahr hierher mit dem einen großen Wunsch: den Weltrekord zu brechen. Aber ja, die Big-Wave-Gemeinde hilft sich gegenseitig in widrigen Situationen, die Sicherheit muss an erster Stelle stehen. Surfer im Allgemeinen bringen viel Leidenschaft mit. So, wie wir uns für eine Riesenwelle einsetzen, würde ich mich noch mehr einsetzen, um das Leben eines anderen zu retten, sollte ich dazu in der Lage und Position sein.

Bedanken möchte mich bei der ganzen Nazare-Gemeinde für die große Unterstützung, dafür, dass ich mich so willkommen fühle und meiner Arbeit hier an diesem magischen Ort nachgehen kann.


Als nächstes geht es für ihn nach Punta de Lobo in Chile zu den Big-Wave-Finals. Ob der Contest stattfinden wird, ist noch unklar. Wir überlassen „Vini“ das Schlusswort mit einem Satz, der die Unberechenbarkeit seines Sports einfach, aber treffend beschreibt:

„In Big Wave Surfing you never know what’s happening, it’s just hard to predict.“


Video: Antoine Chicoye
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