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Locals

Da Dorad Michi: die fünfte

Servus Ihr Landgelockten,
Hier eine kleine Episode aus meinem an Höhepunkten so reichem Leben. Moral inklusive.
Ich saß unter einem Palmendach direkt am Point von Puerto Escondido/ Mexiko, der in der Regel ziemlich voll ist, da nicht alle reisenden Surfer es mit der Zicatela aufnehmen wollen, wenn es groß wird. Besagtes Palmendach gehörte zu einem Hostel in dem sich Traveler aus der ganzen Welt befanden. Das hat ein Hostel zwar nun einmal so an sich, aber neben den üblichen verdächtigen Deutschen (oh, so viele Deutsche), Kanadiern, Aussis, Amis, Israelis, Schweden und vor allem Schwedinnen usw. konnte unsere illustre bunte Hostelgemeinschaft sogar einen Senegalesen zu ihren Mitgliedern zählen. Das war nun wirklich exotisch: ein Afrikaner in Mexiko. Jeder der schon mal ein bisschen gereist ist, kann mir bestätigen, dass Afrikaner an allen Backpacker- Destinationen unseres Planeten ein wenig unterrepräsentiert sind (außer in Afrika versteht sich). Die traurigen Gründe muss ich hier wohl nicht großartig ausführen. Ab und zu trifft man nun aber doch jemand vom schwarzen Kontinent. Das für mich bemerkenswerte war, dass fast alle Afrikaner, die ich auf Reisen getroffen hatte behaupteten, königliches Blut in ihren Adern zu haben. Hafti aus Ghana zum Beispiel hatte ich an der australischen Sunshine Coast kennengelernt. Angesichts seiner dekadenten Bude bzw. seiner Residenz, wohin er mich einlud, musste ich ihm einfach glauben, dass er daheim in einem Palast lebte. Den bekifften marokkanischen „Prinzen“, die ich in diversen europäischen Skateparks getroffen hatte, glaubte ich da schon weniger.
Jedenfalls saß ich am Strand von Puerto Escondido wieder neben einem hochwohlgeborenem Afrikaner. Der Senegalese namens George hatte irgendeinen Stammesfürsten zum Vater, der ihm seinen Round-the-world-Trip großzügig finanzierte. Er mochte mich anscheinend (vielleicht wegen meiner blonden Haare?), da es ihm offensichtlich einiges an Freude bereitete mir ein Bier nach dem anderen auszugeben. Ich mochte ihn auch und so erzählte er die Witze über Deutsche, die er so kannte, und ich blätterte fleißig in meiner mentalen Witzbibliothek nach adäquaten Witzen über Schwarze. So ließ es sich recht angenehm beobachten, wie sich die gute Sonne langsam ins warme Meer plumpsen ließ.
Die Sonne war dann irgendwann weg und es war noch ein wenig Restlicht übrig, als sich ein großes weißes Bintang- Shirt in unser Blickfeld schob. „Hi, my näm isch Chris“, schallte es uns entgegen. Chris hatte ein Semester in Kalifornien studiert, was man an der Art und Weise wie er seinen Namen aussprach ihm auch sofort glaubte. Der Rest des Satzes, mit dem er sich uns und allen anderen 30 Leuten am Strand vorstellte, verriet jedoch ziemlich genau wo er geboren war: Schwaben- ganz eindeutig Schwaben. Ich mag es, wenn ich daran wie ein Deutscher Englisch redet erkenne, woher er genau kommt. Da klopft sich der anglizistische Germanist in mir schon gern auf die Schulter. Mein neuer senegalesischer Freund George war jedoch des Deutschen und vor allem seiner Akzente und Dialekte weniger mächtig. Deswegen stellte er die 2. Frage, mit der jede Konversation zwischen Backpackern beginnt.“Where are you from my friend?“, fragte George also und sein Gesicht schien nur noch aus weißen Zähnen zu bestehen. Die Antwort kam sofort: “Europe, mate!“. Ach du großer Huey- Chris aus Böblingen hatte anscheinend Kontakt mit ein paar Australiern. Nicht nur, dass er gaaanz beiläufig ein dreckig- nasaliertes „mate“ einstreute, nein, er gab sich auch noch so weltbürgerlich, dass er einen ganzen Kontinent als seine Heimat bezeichnete. Dass dürfen meiner Meinung nach wirklich nur Australier.
„Where from Europe?“, fragte der lediglich leicht irritierte George darauf. Folgender Satz fiel dann wirklich, ohne dass ich hier Surfergarn spinne:“Central Europe, mate!“. An dem Punkt wusste ich für einen Moment nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Für weinen ging es mir in dem Moment jedoch entschieden zu gut. Und so klärte ich den nun leicht verwirrten George auf: “Chris is from Germany. South- west Germany i suppose.“
„Really? You know each other? Fuckin´ great country Germany! I love Germany. My father has BMW. Why you not say your from Germany in the first place?“
Genau das fragte ich mich dann auch in dem Moment. Warum gibt es immer noch Leute, die es für uncool halten aus Deutschland zu sein? Gut, ich denke seit der WM 2006 hat sich in der Beziehung schon einiges getan und Deutsche schämen sich ihrer Herkunft nun deutlich weniger als, sagen wir mal, 1948, aber immer wieder tauchen Leute auf, die sich lieber als „Euros“ bezeichnen als als „Germans“. Da ist Chris aus Böblingen leider keine Ausnahme. Nun ist es in der bunten Welt des Surfens ja schon so, dass es die Aussis, Amis, Hawaiianer und dann eben die Euros gibt und wir Europäer fühlen uns dann eben als Teil dieser kosmopolitischen Szene, wenn wir uns selber als das bezeichnen, als was die Aussis, Amis usw. uns sehen. Das hat allerdings nichts mit einer zukunftsgewandten, Grenzen einreißenden Mentalität zu tun. Kulturell sind wir nämlich irgendwelchen biertrinkenden, Lieder gröllenden, sportbegeisterten Australiern näher als einem portugiesischen Fischer. Es ist eben leider nur so, dass diese Australier und Amerikaner eine geografisch recht begrenzte Weltsicht haben. Wenn sie mal reisen wollen, dann besuchen sie eben „Europe“ und nicht einzelne Länder. Wer sich als Deutscher als „Euro“ bezeichnet, kommt dieser pauschalisierenden Weltsicht meiner Meinung nach zu sehr entgegen. Ein Argentinier würde nie auf die Idee kommen als seine Heimat Südamerika anzugeben und ein Amerikaner gibt eher den Bundesstaat an, aus dem er kommt, als sein Land. Da finde ich die Amis recht inspirierend übrigens: ich komm jetzt nur noch aus Bavaria (was für die meisten eh gleichbedeutend ist mit Deutschland). Außer wenn es um Fußball geht.
Und die Moral von der Geschicht? Seit mal alle stolz deutsche Surfer zu sein. Wir sind nämlich wirklich noch halbwegs Exoten in der Welt des Surfens- der Europäer an sich nicht.

Servus,
Euer Michi

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