Englischer Originaltext: Jade Bremner | Fotos: Bryan Denton
Wenn nicht der Blick unvermeidbar auf baufällige Gebäude schweifen würde, einige davon gesäumt mit Einschusslöchern, andere mit klaffenden Löchern von Bomben vergangener Tage, könnte ich genauso an jedem Surfspot am Mittelmeer sein.
Die Sonne brennt auf der Haut, als ich zum Point durch warmes, klares Wasser paddele; alle anderen Surfer im Wasser heißen mich willkommen an ihrem Break. Es gibt glückliche Zurufe für jeden, der eine Welle bekommt – es ist das freundlichste Lineup, in dem ich je war. Aber ich bin gerade weder in Spanien oder Frankreich, sondern befinde mich 20 Minuten südlich von Beirut in einem kleinen Städtchen namens Jiyeh.
Nur vier Flugstunden von der Heimat entfernt, ist der Ruf des Libanons getrübt von dessen trauriger Vergangenheit, aber echte Abenteurer sollten das Land deswegen nicht sofort von der Liste streichen. Mit Reisehinweisen des Auswärtigen Amts für Besuche von Beirut hat sich diese schnelllebige und chaotische Stadt ohne Zweifel zu meinem Lieblingsplatz im gesamten Nahen Osten gemausert. Überall sieht man Gebäude aus der Kolonialzeit, die neben Moscheen und barocker Architektur das Stadtbild prägen, es gibt eine gut vernetzte Kunstszene, coole Cafes, belebte Clubs und jetzt eben auch jene aufblühende Surfkultur.
“Es gibt glückliche Zurufe für jeden, der eine Welle bekommt – es ist das freundlichste Lineup, in dem ich je war”
Ich treffe Local Karim Flouti auf Jiyehs 7km langen Abschnitt mit sandiger Küste. Er entdeckte vor etwa zehn Jahren eher zufällig das Potential für Surfer in seinem Heimatland. “Ich war gesegnet genug, dass ich reisen konnte, aufgewachsen auf den Kanaren – und sogar in Kalifornien war ich mal”, beschreibt er seine Vergangenheit: “Ich wusste nicht, dass es überhaupt Surf im Lebanon gibt, deswegen war das für mich eine totale Überraschung, hier auf Wellen zu treffen. Ich würde sonst jeden Sommer kommen und mich ohne Surfen viel schneller langweilen, weil ich mit dem Sport aufgewachsen bin.”
Aber alles sollte sich schlagartig ändern, als Karim einen versteckten Strand aufspürte, auf den zufällig zu dem Zeitpunkt menschenleere Sets zurollten. Er wusste direkt, dass er unbedingt ein Board beschaffen muss. Niemand importierte damals Equipment zum Verkauf in den Libanon, also ließ er seiner Kreativität freien Lauf und beschaffte sich eines aus dem Schaufenster des gerade geöffneten Quiksilver-Stores. “Die Leute im Laden meinten, ‘echt, du surfst? Hier, wir sponsern dich, nimm einfach das einzelne Board da drüben aus der Deko’”, erzählt Karim lachend: “Das Board fühlte sich an wie aus Pappkarton, aber besser als nichts.”
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