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Jim Denevan

Kinder buddeln gerne am Strand, bauen sich Burgen und schreiben den eigenen Namen mit einem Stück Holz entlang der Brandungszone. Wenn die Welle kommt, ist der Name verschwunden und man fängt von vorne an. Für Kinder ein Spiel, für Jim Denevan Teil seines Lebens. Der 46 Jährige Santa Cruz- Local ist nicht nur ein passionierter Surfer, sondern einer der grössten Sandzeichner dieses Planeten. Er verwandelt einfache Strandabschnitte in gewaltige Kunstwerke. Er zaubert wunderschöne Formen in genialer Symetrie. Doch wer seine Kunst bestaunen will, sollte sich beeilen, denn die Flut wird kommen.

Jim hat keine Lust auf einen Kaffee. Doch sein Lächeln und seine Körpersprache verraten, dass er entspannt ist. Er streckt mir eine grosse, raue Hand entgegen, drückt fest zu und setzt sich neben mich auf den kleinen Holzstuhl. Ich war froh ihn zu sehen, denn eine Stunde später und ich sässe schon wieder im Auto in Richtung San Francisco. Drei lange Tage habe ich versucht ein Interview Termin mit ihm hinzubekommen. Jim ist momentan ein gefragter Mann ist. Einladungen in TV Shows, Reisen nach Europa und das alles neben den Tagen am und auf dem Meer.

Als ich seine Kunst das erste Mal gesehen hatte, bekam ich neben riesige Augen, eine Gänsehaut über den ganzen Körper. Ich war so beeindruckt von den gewaltigen Malereien, dass ich unbedingt wissen wollte, wer sich dahinter versteckt. Und nun sitzt er neben mir im Café und neben seinen Antworten auf meinen Fragen schauen wir uns weitere Bilder auf seinem I-Phone an.

Hallo Jim, schön das es noch geklappt hat. Erzähl mal, wie bist du zur Kunst gekommen?
Irgendwo in meinem Kopf schwirrte schon immer der Gedanke rum, dass ich eines Tages Künstler werden möchte. Ich war aber erst 34, als ich mich das erste Mal aktiv mit der Kunst beschäftigt habe. Mein Coffee-Shop hat eines Tages einen Aushang gemacht, dass jeder, der will, die Räumlichkeit des Cafés für einen Monat nutzen kann um seine Kunst auszustellen. Also schrieb ich mich ein. Ich hatte die kompletten Wände des Coffeeshops zur Verfügung. Ich kaufte mir also 18 grosse weisse Blätter Papier und bemalte sie mit einfachen Linienzeichnungen und erzählte darauf kleine Geschichten. Die Leute mochten es. Einige Monate später, beflügelt von dem positiven Feedback, lief ich am Strand von Pleasure Point entlang und extremes Niedrigwasser liess einen riesigen Strand zum Vorschein kommen. Ich schaute es mir an und dachte nur „warum eigentlich immer auf Papier zeichnen?“ Also lief ich runter und zeichnete einen Fisch, von der Grundfläche dieses Kaffees hier (anm.d.Red.: ungefähr so gross wie ein Tennisplatz) in den Sand. Anschliessend lief ich auf die Klippe und begutachtete was ich gezeichnet hatte. Mir gefiel es und so kam ich zum Sandzeichnen.

Was war dann der entscheidende Impuls zu sagen, jetzt wird nur noch auf Sand gezeichnet?
Ich weiss nicht so recht, Sand als Grundlage für deine Kunst zu nehmen ist Ideal. Darauf lässt sich perfekt zeichnen. Der Platz um sich auszuleben ist fast unendlich. Und jeden Tag ist dein Untergrund vom Meer wieder sauber gewaschen worden. Du kannst an einem Tag was wirklich grosses Ausprobieren und kommst am nächsten Tag wieder und hast dieses grosse Arial glatt und sauber wieder vor dir!

Der Aspekt, dass deine Kunst für höchstens sechs Stunden existiert, reizt dich das?
Viele Menschen machen etwas, dass es anschliessend nicht mehr gibt. Tanzen zum Beispiel ist für mich eine Art von Kunst, die nur existiert, wenn sie ausgeführt wird. Sobald sie aufhören zu tanzen, ist die Kunst vorbei. Das gleiche mit Musik. Sobald die Band aufhört zu spielen, verflüchtigen sich ihre Klänge. Surfen, auch ein gutes Beispiel. Man zeichnet Linien in die Oberfläche von Wellen. Meine Kunst sehe ich genauso. Ich zeichne etwas extrem Grosses, was nur eine extrem kleine Zeitspane existiert.

Was ist eigentlich mit Strandspaziergänger. Sehen sie denn überhaupt von ihrem Blickwinkel aus, dass du dort was Riesiges in den Sand zeichnest?
Es kommt ein bisschen darauf an. Surfer, die schnell zum Wasser runter rennen, oder Jogger, die komplett auf sich konzentriert sind, sehen oft nicht, wo sie durchrennen. Andere Leute erkennen es sofort.

Aber wirst du nicht sauer, wenn dir irgendwer über deine Zeichnungen läuft?
Nein, überhaupt nicht. Das gehört für mich dazu und macht es erst spannend. Sie machen es ja in der Regel nie mit böser Absicht. Ich mag den Fakt, dass Leute die Kunst „erleben“ können. Sie können, wie auf dem Bild mit der Spirale, darin rum laufen, sie können es anfassen, oder wenn sie es eilig haben ins Wasser zu kommen, da gute Wellen laufen, auch einfach platt drüber laufen dann und auch das gehört dazu und finde ich cool.

Wie lange brauchst du für die grossen Bilder?
Die Zeit, die ich zur Verfügung habe, wird von der Tide bestimmt. Fünf Stunden brauche ich für die grossen Zeichnungen mit den Kreisen.

Ich stell mir das ziemlich meditativ vor?
Ich versinke dabei wirklich in einer Art Meditation. Wenn ich einmal mit dem Zeichen anfange, kann ich oft nicht mehr aufhören. Erst wenn mich einer am Strand anspricht oder ich irgendwie aus der Konzentration gerissen werde, bemerke ich, was ich da gerade gezeichnet habe.

Wann sind die Bedingungen für dich am besten?
Oh, in den nächsten Wochen wird es super sein. Du hast ja auch mitbekommen, dass wir momentan einen riesigen Swell haben. Der wird die Strände für meine Zwecke perfekt bearbeiten.

Wie schaffst du es, die Linien so symmetrisch zu zeichnen?
Es steckt eine Menge Übung dahinter. Ein kleines Beispiel: Wenn du dir drei Gegenstände nimmst, die in einer Linie hinter einander stehen und du deinen Kopf nach links und rechts bewegst, bewegt sich der erste Gegenstand, der dir am Nächsten ist, schneller hin und her, als der letzte Gegenstand, der weit weg ist. Durch diese Bewegungen berechne ich mir meinen Weg. Es ist aber wirklich schwer zu erklären.

Glaubst du, ich könnte das auch?
Ähmmm, …nein, könntest du nicht! (lacht) Es hört sich vielleicht ein wenig prollig an, aber ich kann dir einen Kreis mit einem Radius über einige Milen in den Sand zeichnen, der perfekter ist, als ein Kreis, den du mir hier auf ein Blatt Papier zeichnen könntest. Ich habe mal einen Kreis auf einem ausgetrockneten See gemalt, der einen Radius von gut einer Meile hatte. Ich lief ungefähr eine Stunde-Fünfzehn-Minuten und kam exakt (er formt Zeigefinger und Daumen so, dass noch ein Paar Zentimeter Platz dazwischen war) an dem Punkt wieder an, wo ich den Kreis begonnen habe. Ich glaube ich könnte dir beibringen wie das funktioniert, aber schon allein eine gerade Linie über eine längere Distanz in den Sand zu zeichnen ist extrem schwierig. Es steckt eine Menge Konzentration dahinter.

Gibt es etwas, dass du den Leuten mit deiner Kunst erzählen möchtest?
Ich möchte ihnen nichts erzählen, ich möchte sie inspirieren. Bei Kunst im Museum geschieht alles passiv. Du gehst dort hin, weil du dich mit exakt der Kunst befassen willst. Am Strand entdeckst du meine Kunst eher zufällig und machst dir spontan deine eigenen Interpretationen dazu.

Kannst du uns von deinem anderen Job „ Outstanding in the field“ erzählen?
Wir reisen durch Nordamerika und organisieren grosse Abendessen im Freien. Das Thema jeden Abendessens ist, dass die Zutaten aus der jeweiligen Umgebung stammen müssen. Von den Ansässigen Bauern, Fischern, Käsemachern, Weinmachern usw. Wir laden all diese Leute zum Essen ein und bringen sie an einen grossen Tisch. Auch „normale“ Menschen, die in der Region leben, können natürlich am Essen teilnehmen. Am Ende kommen rund 150 Leute an einen grossen Tisch, der mal mitten in einem Kornfeld aufgebaut ist, in einer Höhle am Strand oder irgendwo im Wald. In der Höhle gibt es dann ein Menü mit Fisch, im Wald mit Wildschwein und Beeren…

Und du organisiert das alles?
Ja, das halbe Jahr organisiere ich „Outstanding in the field“ und die andere Hälfte kümmere ich mich um meine Kunst.

Kannst du mit den beiden Leidenschaften deinen Lebensunterhalt verdienen?
Ja, inzwischen komme ich mit beiden „Jobs“ ganz gut über die Runden.

Aber wie kann man mit Sandmalerei Geld verdienen? Die ist doch bei Flut wieder weg?
Es wurden bereits einige TV Werbespots mit meinen Malereien ausgestrahlt. Das gibt ganz gutes Geld. Eines Tages werde ich auch die Fotografien von den Malereien verkaufen. Aber das Haupteinkommen kommt von dem Essens-Ding. Ich habe bereits eine Warteliste von Rund 10000 Menschen, die bei einem Abendessen dabei sein wollen.

Ich glaub das würde in Deutschland auch gut funktionieren.
Oh ja, ich will auch definitiv bald zu euch kommen. Ich war bereits einmal damit in Florenz, was extrem gut ankam.

Bist du ein besserer Künstler oder ein besserer Surfer?
(lacht) Ich würde mich eher als Surfer identifizieren. Die meiste Zeit meines Lebens habe ich mich damit beschäftigt. Doch inzwischen bekommt der „Art“ Aspekt und das Kochen einen immer stärkeren Einfluss.

Magst du uns von deiner Familie erzählen? Ich habe gehört, du hast einige Geschwister?
Ja, zu Hause sind wir neun Kinder, acht Jungs, ein Mädel. Vier meiner Brüder sind extrem gute Surfer und meine Schwester ist Weltmeisterin im Bodysurfen (anm.d.Red.: nicht Boogyboarden, sondern mit dem eigenen Körper die Welle surfen). Sie ist wahrscheinlich die beste Wassersportlerin in der Familie.

Kannst du deine Person in einem Wort beschreiben?
Das erste was mir einfallen würde wäre „busy“. (lacht) Oder „interessiert“, das würde auch passen.

Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Beim Malen habe ich eine ziemlich verrückte Idee im Kopf. Ich will einen Kreis zeichnen, der einen Radius von 30 Milen hat. Es war gar nicht so leicht dafür eine passende Fläche zu finden, ohne das man irgendwann in ein Gegenstand laufen würde. Aber ich habe jetzt einen ausgetrockneten See in Bolivien gefunden, der grösste ausgetrocknete See der Welt. So laufe ich nicht Gefahr, Gedanken versunken in einen Kaktus oder irgendwas anderes zu laufen. Mein Ziel dabei ist, in dem Moment loszulaufen, wenn die Sonne aufgeht und exakt dann an mein Anfang zurück zu kehren, wenn die Sonnen untergeht. In sechs Monaten soll es losgehen.

Wie kommst du dabei auf „30“ Milen?
Als die ersten Leute von Europa nach Amerika kamen und anfingen den Westen zu erobern, haben sie ihre Missionarshütten alle 30 Milen aufgestellt. Sie hatten Angst im Dunkeln zu laufen, daher bauten sie die Hütten in dem Abstand, damit sie früh morgens zu Sonnenaufgang los konnten und zu Sonnenuntergang an der nächsten Station ankamen. Ich weiss nicht wirklich ob die Geschichte wahr ist, aber daher komme ich auf die 30 Milen (lacht). Die Herausforderung wird dabei sein die ganze Zeit konzentriert zu bleiben. Und es kann sein, dass ich das letzte Stück rennen oder extrem langsam laufen muss (lacht), aber ich glaub es ist zu schaffen. Beim Essen habe ich die Idee, eine riesen Tafel über die Grenze zwischen Mexiko und den USA zu bauen und Mexikaner und Amerikaner an einen Tisch zu bekommen. Der Tisch soll über 1000 Leuten Platz bieten. Das wird sicher auch recht spannend.

Das glaube ich auch. Viel Erfolg damit!
Danke!

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