Auch die glücklichsten Menschen haben irgendwo eine Leiche im Keller. Stephanie Gilmore würden wir locker in die Liste der Top 100 der glücklichsten Menschen der Welt schreiben. Doch selbst die dreifache Weltmeisterin hat bestimmt eine dunkle Seite, Skandale, Geheimnisse oder trauriges! oder etwa nicht? Wir setzten den Bluthund unter den Surfjournalisten Sean Doherty auf sie an…
Da ist diese dunkle Seite in Steph Gilmores Herzen. Ich weiss, dass sie da ist! Irgendwo in ihr, mit Sicherheit. Keiner kann so – entschuldigt – glücklich sein… „Die dunkelste Seite, die ich jemals gezeigt habe, war wohl, als ich wirklich am meisten angepisst war. Das war, als meine Schwester Whitney bei mir gewohnt hat“, sagt Steph. Aha, dunkelste Familiengeheimnisse! Super, ich hake nach. „Sie klaute mein Glätteisen, da habe ich sie rausgeschmissen. Aber das war es auch schon.“
Es sieht aus, als werde ich in einer Sackgasse enden. „Wenn mich Leute nach meiner Biografie fragen, sage ich ihnen immer, dass sie scheisslangweilig sei. Es gibt da keine Dramen, über die ich erzählen könnte, keine Drogen, keine Toyboys. Aber vielleicht ist ja dieses Jahr Zeit für Dramen. Ich lese gerade Agassis Buch; vielleicht werde ich mal eine Perücke tragen, vielleicht färbe ich mir die Haare auch einfach mal schwarz und verwandle mich in meinen eigenen teuflischen Zwilling…“ Stephanie Gilmore ist glücklich, aus gutem Grund. Ihre letzten Monate verliefen wie folgt: Hawaii, dritter Weltmeistertitel, Silvester mit der Band Yeah Yeah Yeahs gefeiert, die Barrel ihres Lebens in Mikronesien gescort.
Ich treffe die 21-Jährige bei sich zu Hause in Coolangatta, als sie Gitarre spielt und einen ihrer seltenen freien Tage geniesst, frei von jeglichen Sorgen. „Ich bin so froh, mal wieder zu Hause zu sein. Ich habe heute alle meine Gitarren rausgekramt, den Verstärker auf ‘max’ gedreht und den ganzen Tag gejammt. Ich verwandle mich gerade in einen dieser Anti-Social-Maniacs. Ich kann mich dann immer super aus der echten Welt verabschieden und für Stunden Gitarre spielen, ohne zu merken, wie die Zeit vergeht. Ich habe eine Fender Telecaster von Cole Clark, es ist echt einfach, damit kleine Jazz-Riffs zu spielen, was ich am liebsten tue. Dann habe ich noch eine kleine Pandora Sound Effect Box. Da sitzt man dann und haut die wildesten Sounds raus – ich glaub, ich habe gerade herausgefunden, wie man mit Aliens kommunizieren kann…“
Steph fühlt sich wohl in ihrer Haut, auch wenn das nicht immer der Fall war. „Natürlich hatte ich Phasen, in denen ich extrem unsicher war, ich bin ein Mädchen! Das ist auch der Grund, warum ich Photoshoots früher richtig gehasst habe. Ich habe diese grossen Schwimmer-Arme. Mein Haar war ausgedörrt und ich habe es gehasst, Bikinis zu tragen. Ich fühlte mich in meinem Körper einfach nicht wohl. Aber mit der Zeit wächst man aus der Phase heraus und du lernst, auch über dich selbst lachen zu können und dich davon nicht beeinflussen zu lassen.“
Wenn man heute nach Unsicherheiten bei ihr sucht, findet man nicht viel, ausser dass sie einfach viel zu nett für die Welt ist. „Ich werde immer noch nervös vor Interviews, du hast das vielleicht gemerkt. Ich bin unsicher, da ich Angst habe, zu langweilig zu wirken. Ich will interessant sein. Ich bin bzw. wäre gerne der exzentrische Freak.“
Auf dem Weg zu ihrem dritten Weltmeistertitel im letzten Jahr bog sie zwischenzeitlich ab und legte plötzlich die Surfbretter beiseite, mied ihre sonst typischen Boat-Trips und Medientreffen und fing an, die Welt ohne Board zu bereisen. „Es war super! Ich hatte ein so grosses Fernweh und wollte einfach nur raus aus Australien.“ Ihr erstes Ticket ging von Brisbane nach LAX. „Ich verbrachte die meiste Zeit in SoCal.
Bei meinem Versuch, einige Regenwolken über diesem sonnig-süssen Interview zu finden, frage ich Steph, ob sie nicht manchmal das Gefühl habe, dass es bei ihr vielleicht ein bisschen zu perfekt laufen würde: drei Jahre auf der Tour, drei Weltmeistertitel, das alles als 21-Jährige. „Ich dachte daran nach meinem ersten Titel. Ich war mir sicher, dass irgendetwas demnächst schief gehen müsste. Die Glückssträhne müsste bald abreissen. Dann bin ich in das zweite Jahr gegangen, habe weiterhin Events gewonnen und wunderte mich selbst, was da los war. Im letzten Jahr sagte ich zu mir: ‘Okay, jetzt werrde ich einfach etwas weniger surfen und mehr der Tourist sein. Ich werde das Leben eines verwöhnten 21-jährigen Mädchens führen!’ Es ist unglaublich, dass ich trotzdem wieder Weltmeisterin wurde. Aber ich mache mir eigentlich nicht zu viele Gedanken über all das. Mein Leben wurde einfach immer besser. Es ist alles Teil der grossen Reise und ich akzeptiere das, was auch immer da kommen möge.“
Das Einzige, was Steph Gilmore vielleicht davon abhält, die grösste Surferin aller Zeiten zu werden, ist sie selbst. Surfen scheint nicht genug für eine Frau wie sie zu sein. „Ich denke oft darüber nach, auszuchecken und nicht wiederzukommen. Mich ganz neuen Themen zu widmen, etwa Rockstar zu werden, per Rucksack für immer durch die Welt zu tingeln oder mit meinen beiden Schwestern ein eigenes Mode-Label zu gründen. Und das Letzte ist gar nicht so weit weg, meine beiden Schwestern sind schon Designer und Stylistinnen.“
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