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Malik Joyeux

Freitag, der 03. Dezember, 11:30 Uhr morgens. Es herrscht eine unwirkliche Stille über Pipeline. Die Wellen brechen in sechs bis acht Fuss aus perfekter Richtung. Und trotzdem sind nur zehn Leute im Wasser und kein einziger Fotograf macht Bilder. Ein Haufen Fotografen und Surf-Stars stehen zusammgerottet am Strand und starren raus auf den Ozean. Eine Stunde zuvor ist ein grosser Surfer aus Tahiti beim Pipe-Surfen gestorben.

Malik Joyeux surfte am Morgen in einer Gruppe aus rund 60 Surfern und einem guten Dutzend Wasserfotografen. Es war ein Tag wie aus dem Bilderbuch. Offshore-Wind, saubere Achtfuss-Wellen und Sonnenschein. Kieren Perrow war auch draussen. „Pipe lief gut und Backdoor lief unglaublich gut: gross und richtig fett – besser geht’s nicht!“ Die Leute im Wasser waren dementsprechend heiss. Es lief der Sunset Pro, einer der Events der Triple Crown, doch an diesem Tag war gerade Pause. Somit waren aber alle Pros vor Ort und Pipe war schon lange nicht mehr so sauber gebrochen. Schätzungsweise 60 bis 80 Surfer paddelten am ersten Riff. „Ich habe es hier noch nie so voll im Wasser gesehen“, sagt Kieren. „Und es waren keine Anfänger, es waren so ziemlich nur die guten Jungs. Jeder, der dazugehört, war an diesem Morgen draussen.“ Sunny Garcia hatte noch versucht, etwas Ordnung in die Massen an Surfern zu bekommen, aber ohne Erfolg. Er erzählte Kieren am nächsten Tag: „Ich hatte versucht, ein paar Leute zurück an Land zu schicken. Ich kannte ja jeden da draussen, die meisten waren meine Freunde.“

Shorty, ein bekannter Surf-Fotograf, schoss seine Bilder von Backdoor aus und sah und fotografierte die Welle, die Maliks Leben beenden sollte. „Es war die erste Welle des Sets und sein Takeoff kam ziemlich spät. Für mich sah es aber aus, als wenn er es geschafft hätte. Es sah aus, als versuchte er, das Face nach oben zu fahren, doch als ich mich langsam in Position für die zweite Welle brachte, war er sehr weit unten. An diesem Tag hatte ich nur zwei Linkswellen fotografiert und zwar die beiden letzten von Malik.“

Später am Tag schauten wir uns die Footage von der Session zusammen mit Nutty Walker, Damo Hobgood und Leigh Sedley im Reef-Haus an. Wir sahen uns die Sequenz von Maliks Welle immer und immer wieder an. Sein Takeoff war sehr spät und es sah erst so aus, als würde er ihn nicht stehen. Doch irgendwie hatte er es geschafft. Nur fehlte ihm da wahrscheinlich schon der nötige Speed, um die Section zu machen. Es war wahrscheinlich nur der Bruchteil einer Sekunde, die ihn das Leben gekostet hat. Im Tal der Welle angekommen, konnte er weder geradeaus vor dem brechenden Teil wegfahren, noch drunter durchtauchen. Die Lippe brach über seinem Kopf zusammen und schlug ihn vom Board. Es ist ein schreckliches Gefühl, sich diese Bilder anzuschauen, zu wissen, dass in diesem Moment ein guter Freund stirbt. Damien Hobgood: „Bei der Vorstellung wird mir richtig schlecht!“

Nach Maliks Wipe-out brachen noch die zweite und die dritte Welle des Sets. Erst dann realisierten die Leute, dass Malik immer noch nicht zurück an die Oberfläche gekommen war. Die Wasserfotografen waren die Ersten, die es bemerkten. Sie pfiffen sich zu und signalisierten sich, dass ein Mann noch unten war. Die Hälfte der Leute im Wasser machte sich sofort auf die Suche und versuchte, ihn zu finden.

Kieren Perrow hatte sich noch am Morgen mit Malik über die vielen Leute im Wasser unterhalten. Sie witzelten darüber, dass sie vermutlich überhaupt keine Welle bekommen würden, und Kieren ging deshalb rüber zu Off the Wall. Er hörte die Pfiffe und sah die Unruhe. „Ich spürte sofort, dass irgendetwas Schlimmes passiert sein müsste. Ich bekam sofort eine Gänsehaut und so ein merkwürdiges Gefühl. Dann hörte ich schon die Sirenen des Krankenwagens. Ein paar Minuten später erzählte mir jemand, dass es sich um Malik handelte. Ein kalter Schauer packte mich. Ich nahm die nächste kleine Welle und surfte an Land. Wenn etwas Schlimmes passiert, willst du nicht mehr da draussen sitzen.“ In der Zwischenzeit suchten alle nach Malik, aber die Turbulenzen, das viele Weisswasser und die starken Strömungen machten die Suche extrem schwierig. Occy, einer der Surfer, die nach ihm suchten, beschrieb es wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

Nach zehn Minuten wurde die Suche immer panischer und erst 15 Minuten später fand eine Gruppe aus Schwimmern, Surfern, Lifeguards und dem Big-Wave-Charger Greg Long den leblosen Körper 300 Meter von Pipe entfernt im Wasser treiben. „Wir packten ihn auf ein Longboard und versuchten noch auf dem Weg zum Land, ihn sofort wieder zu beleben. Aber da waren schon endlos lange 15 Minuten vergangen. Auch die Lifeguards an Land versuchten es noch mal, doch ohne Erfolg. Dann luden sie ihn in den Krankenwagen und das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe“, erzählte Long den Reportern. Im Krankenhaus kämpften die Ärzte weitere zwei Stunden um Maliks Leben.

Nach dem Unfall gab es viele Diskussionen, ob Malik eine Leash am Fuss gehabt hätte oder nicht. Später stellte sich heraus, dass er eine dranhatte, doch muss die gewaltige Kraft der Welle sie ihm komplett vom Fuss gerissen haben. Auch seine Boardshorts wurden ihm vom Körper gerissen – ein Zeichen für die Härte des Wipe-outs.

Kurz nachdem Malik offiziell für tot erklärt wurde, breitete sich eine schrecklich bedrückende Atmosphäre über den Strand aus. Selbst der Wind flaute für eine halbe Stunde zu einer totalen Windstille ab und liess die Stimmung noch surrealer werden. Ich lief zurück zum Auto und sah, wie breitschultrige Typen mit grossen Tattoos auf ihren Körpern in ihre dicken Pick-ups stiegen und mit tränenüberströmten Gesichtern davonfuhren. Ein wenig später sah ich eine grosse Gruppe Surfer, wie sie direkt vor Pipe einen Kreis bildeten und eine Schweigeminute für ihren toten Freund abhielten. Jeder ging mit dem Schock anders um. Am schlimmsten traf es wohl Teiva, Maliks Bruder, einer der besten Kitesurfer, der hier an der North Shore lebt. In den Häusern entlang des Strands war es sehr ruhig geworden. Am Abend traf sich Raimana van Bastolaer, Maliks guter Freund aus Tahiti, mit ein paar seiner Leute im Volcom-Haus und packte kaltes Bier aus, während die Sonne langsam unterging. An diesem Tag hat Pipe ein weiteres Leben gefordert. Das von Malik Joyeux.

Fünf Tage später kam Maliks Familie nach Hawaii geflogen und Freunde, die Pipe-Posse und die Wolfpaks organisierten eine überwältigende Abschiedszeremonie. Der hawaiiansche Pastor bezog sich auf die Kraft des Ozeans und auf die Grösse und Güte von Malik. Maliks Freundin, die er kurz vor seinem Abflug nach Hawaii noch gefragt hatte, ob sie ihn heiraten wollte, zeigte enorme Courage und hielt eine beeindruckende Rede. Anschliessend paddelten rund 250 Leute raus zu Pipeline. Es war an diesem Tag spiegelglatt und kristallklar. Sie bildeten einen Kreis und dachten an Malik. Die Stimmung war gelassen und entspannt. Alle sind sich einig: Malik Joyeux wird nie in Vergessenheit geraten und in den Herzen vieler Menschen weiterleben!

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