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Falk Oswald

Vor mir sitzt ein wahrer Surf-Pionier. Der 45 jährige Falk Oswald hat als einer der aller ersten unseres Landes sein Leben komplett der Suche nach Wellen ausgerichtet. Bis heute lebt er Surfen so intensiv, wie kaum ein anderer. Und was das für sein Leben bedeutet hat, fand ich in einem Gespräch, bei Kaffee und Kuchen auf seinem Bauernhof in Schleswig Holstein heraus.

Fuck, wo bin ich hier? Selbst das Navi hat aufgegeben. Mitten auf einem von Löwenzahn zerfransten Feldweg im tiefsten Schleswig-Holstein sagt es: „Sie sind am Ziel.“ Verzweifelt rufe ich Falk an, der mich die letzten Kilometer entlang tiefgrüner Kuhweiden, nur wenige Kilometer von der Ostsee entfernt, zu einem kleinen, gemütlichen Bauernhaus lotst. Aus der Ferne sehe ich das freundliche Winken. Ich habe den Pionier der deutschen Surfreisenden gefunden. Nach kurzer Begrüssung bittet er mich schliesslich über knatschende, alte Holzdielen hinweg in die rustikale Bauern-Küche. Die Filterkaffeemaschine blubbert und zischt vor sich hin.

Kennen gelernt habe ich den gebürtigen Kieler über „Clearwater“, sein eigenes kleines Unternehmen, das Surfreisen auf die Malediven anbietet. Wir hatten ein paar Mal Emails geschrieben um „Clearwater“ in die SURFERS zu bekommen.

2003, ein Jahr vor dem Tsunami, gründete er die Firma. 1989 führte es ihn aber bereits das erste Mal runter. Er heuerte erst als Windsurf- und Segellehrer in einem Resort an um länger bleiben zu können. „Ich fand es da allerdings Anfangs voll Scheisse, mit den ganzen Touris, dem Schicki-Micki-Resort,… nach drei Tagen wollte ich sofort wieder weg. Doch ich hab mich dran gewöhnt und hab dann irgendwann die Wellen entdeckt. In den ersten zehn Jahren habe ich vielleicht drei andere Surfer dort gesehen, wirklich unglaublich. Ich bin zum Teil mit Wasserflugzeugen auf Wellensuche gegangen, eine wirklich fantastische Zeit war das. Ich habe mich echt gefreut, mal wen zu treffen. Denn die Wellen mit Niemanden teilen zu können war echt nicht geil. Nach dem Surfen bist du an Land gekommen und hast mit den Tauchern über ihre blöden Fische gequatscht, während du gerade noch den Surf deines Lebens gehabt hast.“

Heute sieht es da schon anderes aus. Während Falk sich auf kleine, exklusive Gruppen konzentriert, chartern andere riesige Boote mit 20 Leuten und mehr an Bord. „Das gibt in der Regel nur Trouble, da du dann ein ganz durcheinander gewürfeltes Volk auf dem Boot sitzen hast, die sich gar nicht kennen. Maximum acht Leute nehme ich auf mein 24 Meter Boot, mehr auf keinen Fall. Mit mehr als 20 Mann willst du ja auch nicht im Line Up liegen.“ Falks geschäftlicher Ehrgeiz scheint sich da in Grenzen zu halten. „Bisschen mehr Geld verdienen wäre nicht schlecht, wäre wirklich nicht schlecht, aber das Unternehmen muss klein bleiben, sonst verliere ich den Spass an der Sache.“ Falks Augen glänzen dabei und man spürt wie sehr er das Surfen liebt, nicht den Kommerz. Der Kaffe ist inzwischen durchgelaufen und nach einer kurzen Suche nach zwei sauberen Kaffeetassen erzählt Falk weiter. Gute 120 mal war Falk nach eigenen Angaben schon unten. „Hab´ ich mal nachgerechnet. Zum Teil war ich neun Mal im Jahr da unten.

Doch der Malediventraum nahm um ein Haar im letzten Jahr ein jähes Ende. Der Kapitän des von Falk gecharterten Boots, steuerte mitten in der Nacht auf ein Riff. Falk selber war unter Deck am Schlafen. Mit an Bord Gäste aus Sylt. Als der Kapitän versuchte das Boot los zu bekommen und mit Volldampf rückwärts vom Riff fuhr, ging alles ganz schnell. Innerhalb weniger Minuten lief das Schiff voll Wasser. „Ich bin erst aufgewacht, als meine Matratze schon am schwimmen war. Wie die Titanic ging das Schiff unter.“ Der Kapitän konnte noch einen Notruf absenden, so dass sie schnell gerettet werden konnten. „In einer viertel Stunde war die gesamte Existenz weg. Nur noch die Hecklampe des Schiffes konnte man noch eine Zeit lang sehen, wie sie in die schwarze Tiefe davon glitt. Das war schon ein bizarres Bild. Seit dem hat Falk aber wieder ein neues Boot zum Anbieten gechartert, seine Kapitäne sucht er sich allerdings genauer aus. Falk schlürft an seinem Kaffee, „Summer of 69“ von Bryan Adams läuft auf NDR2 im Küchenradio.

„Ich hatte gerade eine Segelmacherlehrer angefangen, aber das war der Horror. Sieben Uhr aufstehen, das habe ich mir echt anders vorgestellt und schmiss die Lehre. Stattdessen ging es mit zwei Freunden auf grosse Weltreise.

Aus dem Trio wurde nach einem Jahr ein Duo, dass schliesslich mit einem VW Bus durch Mittelamerika fuhr. „Wir sind zwei Jahre mit dreitausend Dollar ausgekommen, da kann man nicht meckern. Wir hatten weder Rückflug, noch Versicherung, nur diesen alten Schrotthaufen an VW-Bus. Die Baja California war der erste Stopp und irgendwie kamen wir auf die Idee uns ein Segelboot kaufen zu wollen. Wir hatten aber natürlich nicht genug Geld, nicht mal im Entferntesten.

Das Boot gehörte eine alte Dame, die kurz zuvor noch mit ihrem Mann damit über den Pazifik gesegelt ist. Sie wollte es loswerden, da einige Tage bevor sie nach Mexiko kam, ihr Mann auf hoher See den Mast hochklettern musste um etwas zu reparieren. Allerdings bekam er dort oben einen Herzinfarkt und starb, in seinem Trapez sitzend im Mast. Alleine hatte sie keine Chance ihn dort runter zu bekommen. Und so segelte sie die letzten Tagen mit ihrem toten Mann im Masten. Die Möwen haben wohl schon an ihm rumgepikt. Mit Tränen in den Augen erzählte sie uns die Geschichte. Echt eine harte Geschichte.

Aber, wie dem auch sei, davon liessen wir uns nicht abschrecken und wir hatten auch schon eine Idee, wie wir an das Geld kommen.“ Falk blickt mich mit etwas beschämt an. „Das darfst du aber nicht schreiben, ok?“ Ich nicke, mit dem Wissen, dass das Nicken vielleicht gelogen ist. „Wir haben dort in Mexiko einen Typen kennen gelernt, der hatte Travelerchecks im Wert von 20000 $ dabei. Kannst dir vielleicht denken, was wir gemacht haben. Wir sind zurück nach Amerika und haben auf der Fahrt dort hin fleissig seine Unterschrift geübt um anschliessend für das Boot shoppen zu gehen.

Wir hatten den Personalausweis vom Ami mit dabei und mein Kumpel war, wie der Ami auch, ein eher dunklerer Typ, aber nicht so dunkel wie der Ami. Daher musste ich ihm die Haare färben, damit wir nicht auffliegen. Mein Kumpel sah so echt aus wie der letzte Faschingsmexikaner, echt unglaublich, dass wir nie aufgeflogen sind. Unser Amerikanischer Komplize hat dann drei Tage später seine Checks als gestohlen gemeldet. Wir haben gehofft, dass drei Tage Vorsprung reichen wird um alles zu shoppen, was ging. Angeln, Konserven, Segel, immer eine Buddel Wasser mit einem Hunderter-Check gezahlt um das Wechselgeld ein zu kassieren. Der VW Bus war am Ende Rand voll mit Ware und Bargeld und ab ging es zurück nach Mexiko. Dort haben wir den Ami wieder getroffen und hatten im Endeffekt die Piepen für das Boot knapp zusammen bekommen.

Doch relativ schnell haben wir uns dann mit ihm Verstritten und haben die ganze Aktion abgebrochen, na ja, aber es war echt ein Abenteuer. Danach sind wir dann runter bis nach Kolumbien und zurück.“ 60000 Meilen und zwei neue Motoren später war der Trip vorbei und es ging für ein halbes Jahr nach Hawaii und zu Freunden nach Santa Cruz.

„Nächste Idee dort war dann nach Alaska zu fahren und Lachs fangen.“ Falk muss laut über die Idee lachen. „Gutes Geld dachten wir uns. Sechs Wochen durcharbeiten und dann wieder auf den nächsten Trip gehen. Wir sind erst in Kanada versackt und haben eine Zeit lang in einer selbst zusammengenagelten Treibhaushütte gelebt, da war niemand, ausser ein paar Indianer, die aber auch gesurft haben. Na ja, dann sind wir weiter nach Alaska und haben statt Lachse fischen Bäume gepflanzt. 20 Cent gab es pro Baum, aber wir waren zu langsam für den Job und haben es aufgegeben. Satt dessen sind wir Snowboarden gefahren, wobei ich mir zwei Mal den Fuss brach. Da war es dann endgültig zu Ende.“

„Das war dann Scheisse, ich bin nach Hause gekommen und hatte gar nichts mehr. Wirklich gar nichts! Ich habe mir erstmal ein Fahrrad von meiner Mutter geliehen, einen Schlafsack hinten drauf und auf einer Wiese hier in der Nähe an der Ostsee übernachtet. Dort habe ich durch Zufall meine heutigen Mitbewohner des Bauernhofs kennen gelernt. Daher lebe ich jetzt hier.“ Falk kommt ins grübeln. „Es ist schon alles echt krass gewesen… wirklich… aber ich bereue da echt nichts, es war schon eine gute Zeit.“ Sein blick auf den Küchentisch gerichtet, als würde er überlegen, ob das alles 100% stimmt, was er da gerade sagt.

Auf die Frage hin, wie er seinen Lebensstil im Vergleich zu einem eines deutschen Normalbürgers vergleichen würde, antwortet Falk mit einem Wort: „Anstrengender!“ Ein lautes, raues Lachen folgt kurz darauf. „Es ist schon was anderes einen festen Job zu haben und immer pünktlich sein Geld auf dem Konto zu haben. Aber ob ich einen – nine to five- Job vorstellen könnte? Niemals, das ist nicht mein Ding. Natürlich plagen mich immer wieder Existenzängste, die werden mit den Jahren auch nicht weniger. Obwohl, mit 20 Jahren habe ich mir überhaupt keine Sorgen um die Zukunft gemacht, warum sollte ich das heute mit 45 machen? Das einzige was wichtig ist, ist das man gesund bleibt. Ansonsten geht es immer irgendwie weiter. Mich treiben diese Existenzängste auch eher an, sonst käme ich nicht aus dem Quark.“

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