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Adriano de Souza

Adriano „Mineirinho“ de Souza gilt mit seinen 19 Jahren als eines der grössten Talente in unserem Sport. In dieser Saison wird er als jüngster Surfer unter den Top-44-Profis um die Krone der Weltmeisterschaft kämpfen. Schon jetzt tanzt sich ein ganzes Land warm in Vorfreude auf den ersten brasilianischen Weltmeister im Surfen.

Als ich Adriano de Souza das erste Mal treffe, sitzt er mir in einem Speedboat mitten im Indischen Ozean gegenüber. Auf der einen Seite fliegen kleine grüne Inseln an uns vorbei, auf der anderen Seite, wo sich der Ozean in einem riesigen Farbenmeer aus allen erdenklichen Blau-, Türkis- und Grüntönen bis zum Horizont erstreckt, begleitet uns für einige Sekunden ein fliegender Fisch in seinem Gleitflug auf unserem Weg nach „Jails“, einer Weltklasse-Right auf den Malediven.

Mitten im Paradies treffe ich nun den Brasilianer, über den alle sagen, er habe das Talent, um in Zukunft Kelly Slater, Andy Irons & Co. vom Thron zu stürzen. Adriano hat bereits im Alter von 16 Jahren die prestigereichen Billabong Junior World Championships gewonnen und siegt seither bei so ziemlich jedem WQS Event, an dem er mitsurft.

Doch trotz des Rummels um seine Person, muss ich ganz ehrlich gestehen, habe ich ihn nicht sofort erkannt. Da sitzt ein eher schmächtiger Typ mit einem lockigen kleinen Afro auf dem Kopf und starrt bedächtig aufs Meer hinaus. Seine Augen verstecken sich hinter einer dicken Sonnenbrille. Eine grosse silberne Kette schlägt jedes Mal auf seine Brust, wenn das Boot wieder hart auf einen Wellenkamm trifft. Ich flüstere meinem Sitznachbarn, dem bekannten australischen Surf-Fotografen Bill Morris, vorsichtig ins Ohr: „Ist das nicht Adriano de Souza?“ Billy lächelt und nickt, während er konzentriert an seiner Kamera rumbastelt.

Wenn man sich so umhört, erzählt einem jeder, dass Adriano in den nächsten Jahren als neuer Weltmeister gehandelt wird. Umso mehr wundert es mich, dass ich ihn nicht sofort erkannt habe. Ich schaue mich um und mit im Boot sind ein Haufen weiterer Surf-Pros, die vom Aussehen her direkt einer Werbeanzeige entsprungen sein könnten: breitschultrige, blonde Typen mit Dauergrinsen, die sich untereinander lebhaft Sprüche zuschicken. Adriano wirkt wie das komplette Gegenteil. Zwar ist er in Brasilien schon jetzt ein Volksheld, doch in der uns zugänglichen Presse hört man kaum etwas von dem jungen Talent. Ist es, weil er vom Äusseren nicht zu 100 Prozent dem stereotypen Surferbild entspricht? Oder weil die uns zugänglichen amerikanischen und australischen Surf-Mags lieber ihre eigenen erfolgreichen Surfer abfeiern und der Leser sich nicht sosehr für brasilianische Talente interessiert? Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem.

Als wir unser Ziel „Jails“ erreicht haben und alle Mann von Bord in den Line-up springen, wacht der eben noch so nachdenkliche de Souza auf. Er springt mit als Erster über die Reling und paddelt wie eine Maschine in den Line-up. Der Junge zerpflügt nur so die Wellen, haut meterhohen Spray aus jedem seiner Cutbacks und lässt andere Pros extrem alt aussehen. Und obwohl er durch die eher mässigen Wellen seiner Heimat São Paulos zu einem der besten „Small Wave Surfer“ der Welt geworden ist, kann er’s auch in grossen Wellen wie hier auf den Malediven. Beste Voraussetzungen für eine weiterhin steile Karriere. Mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht klettert er zwei Stunden später wieder ins Boot. Zeit für ein paar Fragen…

SURFERS: Adriano, das war ja eine beeindruckende Session! Hast du kurz eine Minute Zeit für ein Interview?
Adriano: Klar, schiess los!

Wie alt bist du jetzt?
Ich bin 18 Jahre [inzwischen 19; Anm.d. Red.]. Meine Mum brachte mich am 13. Februar 1987 in Guarujá in der Nähe von São Paulo zur Welt.

Wann standst du zum ersten Mal auf dem Surfbrett?
Vor ungefähr neun Jahren an meinen Home Spot in São Paulo

Wie kamst du zum Surfen?
Das erste Mal bin ich mit meinem älteren Bruder rausgepaddelt. Der surfte zu der Zeit schon und hat mich dann einfach eines Tages mit einem alten Board von ihm mitgenommen. Ich war ziemlich aufgeregt, denn ich hatte bis dahin immer nur begeistert zugeschaut. Freunde von mir surften aber schon und so hatte ich meinen Bruder so lange genervt, bis er mich irgendwan mal mitnahm. Ich war damals, glaube ich, neun Jahre alt und sofort angefixt. Heute kann ich mir ein Leben ohne den Sport nicht mehr vorstellen.

Du hast 2004 den World-Junior-Titel gewonnen – was hat sich dadurch in deinem Leben verändert?
Es war natürlich superwichtig für meine Sponsoren und meine jetzige Karriere. Ich habe gemerkt, dass mich die Leute nach dem Titelgewinn mehr respektieren und ernst nehmen. Weisst du, wenn du als 16-Jähriger zwischen den ganzen Pros rumpaddelst, hast du es nicht wirklich einfach. Ausserdem war es mir sehr wichtig, den Titel mit in meine Heimat Brasilien zu nehmen. Das hat mich wohl am meisten mit Stolz erfüllt.

Ist es denn immer noch etwas Besonderes für dich, auf solchen Events wie hier in den Malediven mitzusurfen, oder ist das inzwischen purer Arbeitsalltag?
Nee, klar ist das immer noch etwas Grossartiges. Das wird es auch hoffentlich immer bleiben. Es ist doch ein Traum, in diesen perfekten Reef Breaks hier zu surfen – das Ganze dazu noch ohne Crowds! Und mit etwas Glück verdient man dabei sogar noch Geld. [lacht] Bei mir zu Hause habe ich hauptsächlich Beach Breaks, die dazu noch immer gerammelt voll sind. Mann, wäre das geil, wenn diese Welle hier bei mir zu Hause wäre! [schaut auf den Spot und lacht]

Du kommst aus einem Land, in dem Surfen Volkssport ist. Viel heisses Blut kocht in den Adern deiner Fans. Wie gehst du mit dem Druck um, der auf dir als Repräsentant Brasiliens lasten muss?
Anfangs war das echt hart für mich. Ich war erst 16 Jahre alt, als ich 2004 auf einmal Weltmeister war und in Brasilien auf so ziemlich jeder Titelseite wieder zu finden war. Alle wollten irgendetwas von mir. Ich habe mich an den Rummel Gott sei Dank schnell gewöhnt und lasse mich von fremden Meinungen und Druck von aussen nicht mehr beeinflussen. Ich versuche, soweit ich kann, meinen eigenen Weg zu gehen und dabei nicht mein Ziel aus den Augen zu verlieren.

Ich habe gehört, dass du so ehrgeizig bist, dass du, sobald du auf dem Wasser bist, keine Freunde mehr kennst. Du paddelst alles, aber wirklich alles an und gibst nie freiwillig Wellen ab. Was sagst du zu diesem Vorwurf?
Mmmh, so ganz stimmt das nicht. Ich bin oft mit Tiago Pirez oder Danilo Costa draussen. Das sind meine Freunde, mit denen ich oft auf Surf-Trips gehe. Die würden dir eher das Gegenteil erzählen, denn mit denen teile ich alles. Aber sonst mag das vielleicht schon stimmen. Ich bin oft so heiss aufs Surfen, dass ich wirklich ungern Wellen abgebe und schon mal dem einen oder anderen reindroppe. Aber das machen schliesslich auch genug Leute bei mir, von daher ist das also nur ausgleichende Gerechtigkeit. [lacht]

Mit wie vielen Boards begibst du dich in der Regel auf die Reise?
Mein Reise-Quiver besteht meist aus vier, fünf Brettern. Je nachdem, wohin ich fahre und wie die Wellen dort aussehen.

Und wie viele Boards schrottest du so pro Saison?
Das müssen letztes Jahr gut 40 gewesen sein. Aber mein Shaper Ricardo Martins passt immer gut auf, dass ich nicht irgendwann ohne dastehe. Der Typ macht echt die besten Bretter! Ich feile gerade viel an meinen Aerials herum, zurzeit bin ich dabei, den Superman und Aerial 360° zu perfektionieren – und dabei gehen halt echt viele Boards drauf. [lacht]

Mal was ganz anderes: Warum sieht man eigentlich so selten brasilianische Surfer in europäischen und amerikanischen Surf-Mags? Es werden so gut wie immer nur die Europäer, Amis oder Aussies gefeaturt, dabei kommt doch so viel Talent aus deinem Land! Hast du dafür eine Erklärung?
Ich bekomme leider nie mit, was in euren europäischen Mags so läuft, ich höre nur immer von Tiago [Pirez], dass ihr superschöne Hefte macht. Aber weshalb dort wahrscheinlich so selten Brasilianer drin zu finden sind, ist wohl, dass viele von uns leider nicht die finanziellen Möglichkeiten haben, auf solche Events wie zum Beispiel hier auf den Malediven zu kommen, und auch nicht die Kohle haben, um euch mal in Europa zu besuchen. Es ist eh schon schwer genug, in Magazine zu kommen. Du musst quasi immer präsent sein und immer extrem gute Leistungen zeigen, damit die internationale Presse auf dich aufmerksam wird.

Wie sieht das eigentlich in den Contests aus: Man sieht immer, wie die Australier zusammenhocken und die Amis, und ihr Brasilianer wirkt genauso eingeschworen – gibt es starke Rivalitäten untereinander?
Ja, es gibt schon starke Rivalitäten. Das hört sich jetzt aber härter an, als es ist. Wenn ein Brasilianer im Heat surft, wird der natürlich von uns angefeuert. Aber ausserhalb des Heats hebt sich das wieder auf und ich habe auch überhaupt keine Probleme mit den Amerikanern oder Aussies.

Wie ernst siehst du den Surf-Sport? Ist es immer nur Spass oder oft genug auch hartes Business?
Spass und Business, es ist beides! Ich nehme die ganze Geschichte schon sehr ernst und ich gehe den Sport so professionell an, wie ich nur kann. Trotzdem macht es unendlich Spass, auf der Tour zu sein. Ich meine, sieh‘ dich mal um, wir sind mitten im Paradies! Das ist schon ein recht entspannter Arbeitsplatz. Du surfst ständig die besten Wellen der Welt vor traumhaften Kulissen und bist während der Contests immer so gut wie allein in den Wellen.

Was würdest du machen, wenn du nicht Surfer geworden wärst?
Das war immer schon mein Ziel. Ich habe ehrlich gesagt überhaupt keine Ahnung, was ich sonst machen würde.

Wie hältst du dich fit?
Ich gehe viel laufen, schwimmen und surfen. Ich habe extra einen Trainer, der mich immer auf Trab hält und mich ordentlich scheucht. Ansonsten versuche ich, meine technischen Fehler mit meinem Coach auszubügeln.

Ist Surfen das Wichtigste in deinem Leben?
Am wichtigsten sind mir immer noch meine Familie, meine Freunde und meine Gesundheit. Surfen kommt aber direkt danach, denn wenn ich nicht jeden Tag ins Wasser komme, werde ich echt unausgeglichen.

Dann bin ich ja froh, dass ich dich direkt nach dem Surfen interviewt habe… Vielen Dank für das Gespräch!

Nach diesem Interview erreichte Adriano bei den O’Neill Deep Blue Open einen starken dritten Platz. Anschliessend surfte er sich, qualifiziert durch eine Wildcard, bei seinem ersten WCT in Florianopolis auf den 17. Platz und bewies seine Big-Wave-Stärke noch einmal im Winter, als er in einem Weltklassefeld beim Vans Hawaiian Pro in ordentlichen acht bis zehn Fuss grossen Brechern vor Haleiwa unter die Top 32 kam. Die vielen weiteren Siege auf der WQS 2005 verdeutlichen zusätzlich seine Leistung. Die Belohnung liess nicht lange auf sich warten: Der Aufstieg in die WCT ist geschafft und 2006 wird dank Adriano wohl ordentlich Samba beim Kampf um die WM-Krone getanzt!

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