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Clay Marzo

Clay Marzo ist einer der spannendsten jungen Surfer, den die Welt gesehen hat. Seine Performance ist von einem anderen Stern und die Surf-Medien reissen sich um dem Maui Boy. Doch nicht allein seines Talents wegen, denn Clay unterscheidet sich auch sonst vom Rest der Weltklasse-Surfer.

Die Anfänge
Clay Marzo war schon immer etwas anders. Er war fünf Jahre alt, als seine Mutter Jill dies zum ersten Mal bemerkte. „Er war verrückt nach Muscheln. Er verbrachte Stunden über Stunden damit, sie vom Strand aufzusammeln. Er war dabei viel ehrgeiziger als andere Kinder!“ Der Ton in Jills Stimme klingt nicht stolz, hat eher etwas Nachdenkliches. „Er hat den Strand von morgens bis abends abgesucht. Dann reihte er jede einzelne Muschel auf, sortierte sie nach Grössen und Farben und zählte sie. Seine Sammlung war riesig.“ Wie die meisten Kindern der hawaiischen Inseln wurde auch Clay früh dem Meer und dem Surfboard vorgestellt. „Von der Minute an, als er das erste Mal mit dem Ozean in Kontakt kam, bekam man ihn nicht mehr heraus“, erinnert sich Jill weiter. „Schaut man sich heute die alten Homevideos an und beobachtet ihn, erkennt man, wie sehr er im Ozean mit sich im Reinen war.“

Im Alter von 14 trat Clay dem Hawaiian-State-Schwimmteam bei und schlug in seiner Paradedisziplin 200 Meter Freistil jeden in seiner Altersgruppe ohne Weiteres. Er wurde als die Geheimwaffe seines Teams eingesetzt. Aber so schnell er als neuer Schwimmstar gefeiert wurde, so schnell gab er es auch wieder auf. „Er würde nie im Leben Speedos tragen!“, lacht seine Mutter. Seither lag der Fokus auf Surfen. 2004 gewann er die NSSA Nationals Open Juniors. Im folgenden Jahr,gewann er mit zarten 15 Jahren die Open Men. „Ich erinnere mich, wie ich ihn das erste Mal getroffen habe. Das war in Trestles“, erzählt Spy-Teammanager John Oda, der einer der Ersten war, dem Clays Surfen aufgefallen war. „An Land war er solch ein ruhiger, unscheinbarer kleiner Junge, doch im Wasser war er unglaublich. Man konnte sehen, dass er was Besonderes war.“

Zur gleichen Zeit, als Clay bei seinen ersten Contests die Köpfe der Surf-Welt verdrehte, stand sein älterer Bruder Cheyne Magnussen in Kontakt mit Strider Wasilewski, dem Mann, der bei Quiksilver für Verträge verantwortlich ist. „Cheyne war zu der Zeit bei uns unter Vertrag, erzählte mir aber, dass man das Geld lieber in seinen kleinen Bruder Clay investieren sollte: Er wäre das Talent der Familie“, erzählt Strider. Keine sechs Monate später schickte Clay ein selbst geschnittenes, einige Minuten langes Promo-Video an Quiksilver. „Ich sass vor dem Computer und war von der ersten Minute an begeistert!“, so Strider weiter. „Sein Surfen hat mich komplett von den Socken gehauen! Am meisten beeindruckte mich seine unglaubliche Agilität und Kontrolle. Bis heute habe ich nichts Vergleichbares gesehen!“ Seit jenem Tag läuft Clay Marzos Karriere auf Hochtouren. Auftritte in den Quiksilver-„Young Guns“-Filmen folgten wie auch eine Nominierung bei den Surfer Video Awards für die Best Performance und unzählige Cover-Shots auf diversen Surf-Mags.

Die Krankheit
Doch es herrschte auch Skepsis gegenüber Clay. Manche Leute hielten ihn für ein Risiko. Sein Sozialverhalten beunruhigte sie. Manche glaubten, er würde bald an einer Art Burnout zusammenbrechen, da sich bei ihm wirklich alles ums Surfen zu drehen schien. Wieder andere meinten sogar, er könnte als Goofy Footer nur nach links surfen und sein Backside-Surfen wäre zu schlecht. Zu guter Letzt hiess es immer wieder, Clay würde mehr Weed rauchen als Bob Marley, was doch nur schlechte PR brächte. Je älter Clay wurde, desto mehr seiner „Ticks“ kamen ans Tageslicht. Die Lehrer in der Schule erzählten Clays Mutter, dass ihr Sohn unter dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom leiden würde. Und immer wieder kam das Thema von zu viel THC auf den Tisch.

Maui verlassen zu müssen grenzt für Clay an Folter, da hilft auch die viele Routine im Reisen wenig. Augenkontakt mit Menschen herzustellen ist unglaublich schwierig für ihn. Solltest du eines Tages mal die Gelegenheit bekommen, ihm die Hand zu schütteln, wundere dich nicht, wenn er dich nicht anschaut. Er meint es nicht persönlich, er will auch nicht unhöflich rüberkommen, es ist einfach nur unglaublich schwierig für ihn. Für eine Multimillionen-Dollar-Firma ist dies allerdings ein echtes Problem: Stell dir vor, du willst einen Marketingplan um deinen Star stricken, willst ihn zu Promotions ins Rampenlicht schicken und ihn auf überdimensionalen Werbeplakaten lächelnd abbilden. Du willst, dass er mit Geschäftspartnern bis in die Nacht hinein feiert. Doch stattdessen sitzt der lieber die ganze Nacht im Auto, bis die Party vorbei ist. Dann hast du ein echt interessantes Public-Relations-Problem.

Die Diagnose
Der letzte Winter brachte schliesslich Aufklärung. Nachdem Clay eine Reihe an Tests und Untersuchungen über sich hatte ergehen lassen, fand man heraus, dass er am Asperger-Syndrom leidet, einer leichten Form von Autismus. „Ich weiss nicht“, sagt Clay. „Ich denke eigentlich nicht wirklich über die Diagnose der Ärzte nach. Ich bin einfach ich und mache das, was ich halt mache!“ Auch wenn ihn das Ergebnis nicht weiter beeinflusst, für sein Umfeld brachte es Klarheit. „Ich kann gar nicht in Worte fassen, welche Erlösung die Diagnose für mich war!“, sagt Jill. „Man geht durchs Leben und fragt sich immer wieder, was mit seinem Kind nicht stimmen würde, und mit einem Schlag macht alles so viel mehr Sinn.“

Beim Asperger-Syndrom weisen die Betroffenen eine normale Sprachentwicklung und Intelligenz auf, während die weiteren Symptome von Autismus wie Probleme in der Kommunikation und bei sozialen Fähigkeiten nicht so stark ausgeprägt sind. Es ist eine relativ neu erkannte Form des Autismus. Ein Arzt namens Hans Asperger hatte bereits 1944 die Symptome dieser speziellen Ausprägung beschrieben, doch niemand hatte sich je weiter um dessen Aufzeichnungen gekümmert, bis man sich 1994 diesem Thema wieder widmete. Autismus wird immer öfter diagnostiziert. Statistiken des Center for Disease Control zufolge wird in diesem Jahr eins von 166 amerikanischen Kindern mit Autismus geboren. Es gibt anderthalb Millionen Amerikaner, die damit leben. Das Asperger-Syndrom ist etwas seltener (1:300), aber doch weit genug verbreitet, um als solches beachtet werden zu müssen.

Den Menschen, mit denen Clay zu tun hat und denen er vertraut, öffnet er sich auch. Und er weiss selber, was für ein Glück er mit seinem sozialen Netzwerk hat. Sein Kameramann ist gleichzeitig sein Reisepartner, bester Freund und Manager. Clay hat Teammanager, die sich mehr um seine Persönlichkeit bemühen, als um seinen Top Turn, auch wenn er mal lieber im Auto sitzen bleibt, als bei seiner eigenen Filmpremiere über den roten Teppich zu laufen. Das Allerwichtigste für Clay ist allerdings, dass er eine Familie hat, die ihn jetzt versteht.

Das Lustige an seiner Störung ist: Clay ist der ganze Rummel um seine Person – wie auch der um andere Surf-Stars – total egal. Im letzten Jahr war er zusammen mit Kelly Slater und Joel Parkinson auf einem Trip nach Tavarua. Zwischen den Surf-Sessions hing Clay immer nur superruhig im Pool ab und schaute gen ,Restaurants‘. Jeder andere surfbegeisterte 18-Jährige hätte den inzwischen neunfachen World Champ wohl in jeder freien Minute mit Fragen gelöchert. Kelly erinnert sich jedoch nicht, dass Clay überhaupt ein Wort mit ihm gesprochen hätte.

Clay ist das komplette Gegenteil zu den anderen „Young Guns“-Stars wie Julian Wilson oder Ry Craike. Sie verkörpern den typischen extrovertierten Charakter australischer Surfer. Clay, um es kurz zu sagen, tut dies nicht. Er ist glücklicher alleine im Wasser. Und wenn er in einen überfüllten Line-up hinauspaddelt, sucht er sich immer das, was in der Inside überbleibt. Orte wie Snapper Rocks sind für ihn die Hölle. Er flüchtet vor den vielen ihn aufspiessen wollenden Blicken und erfindet sich und sein Surfen lieber in Ruhe neu. Eine Menge Jugendliche wären überglücklich, wenn sie nur die Hälfte von dem erreichen könnten, was Clay Marzo bereits erreicht hat. Er aber muss immer noch jedes Mal aufs Neue daran erinnert werden, sein Board zu bestickern, bevor er hinauspaddelt.

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