Adi Gluska ist Israels bester Surfer. Auch wenn er nichts an dem ständigen Terror, Nahostkonflikt und politischen Machtkämpfen seines Landes ändern kann, so kann er zumindest ein ordentliches Statement in der Welt des Surfens hinterlassen.
Surfers: Adi, wo in Israel bist du auf die Welt gekommen?
Adi Gluska: Ich bin in Tel Aviv geboren, wo ich auch heute noch lebe.
Wie alt bist du jetzt?
Ich bin 33 Jahre alt.
Wo verbringst du die meiste Zeit des Jahres: in Israel oder „on the road“?
2001 und 2002 habe ich in Europa gelebt und seit-dem komme ich im Schnitt so drei-, viermal im Jahr nach Europa, um an Contests teilzunehmen und für meinen Sponsor O’Neill Europe in Surf Camps als Coach zu arbeiten.
Wen hast du noch als Sponsor?
Red Bull Israel und Spider Surfboards.
Mit acht Jahren standst du das erste Mal auf einem Surfboard. Wie kamst es dazu?
Mein älterer Bruder Arad hat mich ein paar Mal mit zum Surfen genommen. Es hat mich nicht mehr losgelassen, ich war sofort fasziniert von dem Sport. Danach hat mich mein Vater viele Jahre fast jeden Nachmittag zum Strand gefahren, bis ich meinen Rollerführerschein in der Tasche hatte. Danach war ich unabhängig und bin mit dem Roller überallhin gedüst, wo es in der Nähe von Tel Aviv Wellen hatte.
Und seit wann surfst du auf der WQS?
Seit dem Jahr 2000.
Hast du es inzwischen geschafft, neben dem Surfen dein Studium in Physiotherapie abzuschliessen? Möchtest du als Therapeut arbeiten, wenn du fertig bist?
Ja, ich habe das Studium beendet. Ich plane jetzt, Teilzeit als Therapeut zu arbeiten, um mein Wissen in der Materie weiter zu festigen und mit Sportlern zu arbeiten. Ich will mein Wissen als Therapeut mit meinen Kenntnissen im Surfen vereinen. So kann ich perfekt auf Surfer eingehen. Weiterhin will ich aber auch als Surf Coach in Europa und Israel arbeiten. Meine Contest-Karriere geht natürlich trotz all der anderen Jobs ebenfalls weiter.
Was ist es für ein Gefühl, Israels bester Surfer zu sein? Macht es dich stolz?
Nee, mit Stolz hat das nichts zu tun, es ist etwas anderes. Für viele Jahre war es superwichtig für mich, die Nummer eins in Israel zu sein. Das hat schon früh angefangen. Erst war ich drei Jahre lang Boys Champ, dann drei Jahre Junior Champ und anschliessend über neun Jahre Open Israel Champ. Zu gewinnen war für mich schon etwas sehr Selbstverständliches und Teil davon, wie ich mich selbst definiert habe. Das Gefühl zu verlieren kannte ich gar nicht. 2004 habe ich dann den ersten Platz knapp verschenkt, da ich einfach zu arrogant und selbstsicher an die Sache heranging. Ich konnte es nicht fassen, dass ich verloren hatte. Es war anfangs wirklich schwierig, damit umzugehen, aber inzwischen merke ich, wie gut es mir getan hat, mal auf die Schnauze gefallen zu sein, um von meinem hohen Ross runterzukommen.
Was ist dein bestes Resultat in einem EPSA/WQS Event gewesen?
Der fünfte Platz beim 1* WQS in Praya Amado in Portugal und Platz 17 beim 4* WQS in New-quai/England.
Was sind deine Ziele für die Zukunft?
Ich werde nicht mehr auf der israelischen SurfTour mitsurfen, sondern möchte mich mehr auf andere Projekte konzentrieren, die aber auch mit der israelischen Surf-Szene zu tun haben. Ausserdem will ich auch an vier bis sechs WQS Events pro Jahr in Europa mitsurfen wie im letzten Jahr und mich noch mehr in das Coaching-Projekt von O’Neill einbringen. Ach ja, und auf zwei, drei Surf Trips will ich natürlich auch noch. [lacht]
Wer ist der Surfer, der dich am meisten inspiriert, und warum?
Vor einigen Jahren noch war es definitiv Tom Curren. Er hat mich durch seinen unglaublich smoothen Surf-Stil und seine markante Persönlichkeit inspiriert. Seit aber ungefähr zehn Jahren gibt es haufenweise Surfer da draussen, die mich immer wieder aufs Neue überraschen und inspirieren. Ich habe mir angewöhnt, jedem Surfer in den WQS Events genau auf die Finger zu schauen. Wenn ich Zeit habe, beobachte und analysiere ich jede Bewegung, jeden Move meiner Gegner. Ich finde es superinteressant zu sehen, wie jeder Surfer seinen eigenen Style hat und wie sie in den Events auftreten. Einige der Jungs ziehen wirklich unglaubliche Manöver in die Wellen. Sie dabei zu beobachten inspiriert mich.
Erzähl mir von deinen Endergebnissen auf der WQS in den letzten Jahren.
In den letzten Jahren habe ich nur an vier bis sechs Events im Jahr teilgenommen, daher war die Platzierung nie so ganz gut. Ich versuche aber immer, zu den grossen Events zu kommen. Es hält mein Sur-fen auf einem hohen Level. Ich mag die Vier- bis Sechs-Star-Events lieber als die kleineren. Das Level des Judgings ist dort bedeutend besser und objektiver als bei den kleineren.
Wie sind eigentlich die Wellen in Israel?
Es gibt viele verschiedene Arten von Breaks bei uns. Wenn die Wellen kommen, findest du überall gute Spots im Umkreis von einer Stunde Fahrt um Tel Aviv. Wir haben Wellen, die sechs bis sieben Fuss gross werden können, wir haben einige Weltklasse-Reefbreaks oben im Norden und einige Weltklasse-Beachbreaks im Süden. Das einzige Problem ist die Beständigkeit. Meistens sind es nur ein, zwei Tage die Woche, wenn Wellen brechen.
Wann ist bei euch die beste Zeit für guten Swell?
Die israelische Küstenlinie ist ungefähr 250 Kilometer lang. Für jede Jahreszeit haben wir unsere bevorzugten Spots. Im Sommer sind es eher die Beachbreaks im Süden und im Winter ist es eher der Norden mit seinen Reefbreaks. In der Mitte, also um und bei Tel Aviv, findest du das ganze Jahr über Wellen. Der Winter ist am besten, besonders zwischen Januar und Februar. Dann gibt es oft starke Stürme und grossartige Wellen brechen im Norden in der Gegend um Bat Galim in der grossen Bucht von Haifa. Allerdings sind die israelischen Wellen im Grossen und Ganzen Windwellen. Wir bekommen fast nie richtigen Groundswell ab, da das Mittelmeer leider zu klein ist. Ab und an bekommen wir einen ordentlichen Groundswell, wenn ein Erdbeben den Grund des Meeres oder die Küsten der Türkei erschüttert. Aber Stürme aus Südsüdwest sind immer noch die besten Garanten für Wellen an den meisten bekannten Spots.
Wird es schon manchmal voll an deinen Lieblings-Spots? Kommen auch ab und zu mal ausländische Surfer bei euch zum Surfen vorbei?
Es kann schon mal voll werden, normalerweise sitzen aber nur israelische Surfer im Line-up. Israel hat Wellen, aber wenn du zu Besuch kommst, solltest du nicht ausschliesslich wegen der Wellen hier-her kommen. Es ist ein Land mit extrem viel Geschichte und Vergangenheit, wegen der es auf jeden Fall mehr lohnt, Israel zu besichtigen, als für unsere Wellen.
Wie gross ist die lokale Surf-Szene?
Für Israels relativ kleine Bevölkerungszahl von circa sieben Millionen Menschen ist der Anteil von etwa 10.000 Surfern recht hoch. Wir haben sogar ei-ne eigene Surfboard- und Klamottenindustrie, doch auch die grossen Firmen haben erkannt, dass es hier eine Menge Surfer gibt. Ausserdem haben wir Surf-Organisationen und nationale Contests seit den letzten drei Jahrzehnten.
Wie gross ist das surferische Potenzial? Können wir in nächster Zeit israelische Surfer in der WQS oder sogar auf der WCT erwarten?
Es gibt einige wirklich gute Surfer hier und viele Kids mit richtig Potenzial. Ich kann mir schon vorstellen, dass bald noch ein paar mehr von uns auf der WQS ihr Glück versuchen werden, doch Israelis auf der WCT sehe ich momentan nicht. Dafür müsste einer sehr, sehr viel Talent mitbringen und am besten an einem Ort mit beständigeren und mit besseren Wellen aufwachsen. Wenn er dazu noch eine finanzstarke Familie im Rücken hat, könnte er es schaffen.
Mal eine ganz andere Frage, die mir schon die ganze Zeit auf den Nägeln brennt: Ich habe gehört, dass in Israel unendlich viele hübsche Frauen leben. Ein wenig konnte ich mich auf meinen Reisen auch schon überzeugen. Ich habe mal gehört, dass das Verhältnis Mädels zu Jungs 2:1 beträgt. Stimmt das? Das wäre ja ein Traum! Und wie sieht das Verhältnis im Wasser aus? Surfen bei euch viele Mädels?
Yeah, die israelischen Frauen sind superhübsch, da stimm ich dir zu! [lacht] Pass aber gut auf! Sie sind sehr speziell, mit starkem Selbstbewusstsein und noch stärkerem Willen. Ich persönlich mag das ja! In der Vergangenheit während der Kriege gab es auf jeden Fall mehr Frauen als Männer, aber inzwischen ist das Verhältnis ziemlich ausgeglichen. Im Wasser findet man auch immer mehr Frauen, aber da sind es schon noch mehr Jungs. Mal schauen, wie lange noch…
Wo surfst du die meiste Zeit? Around the world oder doch lieber an den heimischen Küsten? Wo ist dein Lieblings-Spot?
Die meiste Zeit surfe ich zu Hause. Aber einen Monat im Ausland an einem richtig guten Spot zu surfen ist wie drei bis vier Monate Surfen in der Heimat. Daher versuche ich, so oft wie möglich loszukommen. Normalerweise versuche ich, im Winter zu Hause zu bleiben, um die beständigeren Wellen zu surfen und während des Sommers irgendwo anders zu surfen. Mein Lieblings-Spot in Israel ist Bat Galim in Haifa und ausserhalb Israels ist es bzw. war es Mundaka.
Du bist wie jeder israelische Teenager für drei Jahre zur Armee gegangen. Hattest du trotzdem noch die Möglichkeit, ins Wasser zu kommen, um zu surfen? Hattest du vielleicht einige Vorzüge als Pro-Surfer?
Ja, ich habe im Alter von 18 bis 21 Jahren für drei Jahre der Armee gedient. Ich habe dort als Sportlehrer gearbeitet. Und ja, ich hatte einige Vergünstigungen als Profisportler. Nach den vier Monaten Grundausbildung, in denen ich nicht surfen konnte, hatte ich die nächsten 32 Monate alle Freiheiten und konnte, sobald es am Pumpen war, ans Wasser. Und man hat mich sogar im Namen des israelischen Surf-Teams zu den Euromeisterschaften und zu den World Games geschickt.
War es okay für dich, zur Armee zu gehen, oder wärst du, wenn du damals die Wahl gehabt hättest, lieber zu einer Art Zivildienst gegangen?
Damals war es üblich, zur Armee zu gehen, und Patriotismus war sehr wichtig und weit verbreitet. Ich war ein Teil dieser patriotischen Bewegung, so wie meine gesamte Familie. Es gab gar keinen Zweifel daran, dass ich nicht dem Land dienen würde. Ich war bereit, den Weg des Surfens zu verlassen und den Neopren- gegen den Kampfanzug zu tauschen. Ich trainierte viele Monate und schrieb spezielle Tests, um in eine Sondereinheit der Armee eingeteilt zu werden. Glücklicherweise kam ich nicht genau dorthin, wo ich hinwollte. Denn dann wäre ich die ganzen drei Jahre nicht mehr zum Surfen gekommen. Und so wurde ich wie gesagt als Sportlehrer eingestuft, konnte surfen gehen und trotzdem meinem Land etwas Gutes tun.
Du hast mal erzählt, dass du während deiner Zeit bei der Armee viel über die Grenzen des menschlichen Körpers gelernt hättest. Hilft dir dieses Wissen über das Ans-Limit-Gehen, wenn du an grossen Tagen oder wichtigen Contests rauspaddelst?
Mein Job bei der Armee war es, den grossen, wichtigen Offizieren ordentlich in den Arsch zu treten und sie fit zu halten. Ich musste sie beispielsweise fit bekommen, damit sie locker einen Halbmarathon überstehen konnten. Als ihr Lehrer musste ich es natürlich besser können als sie, somit trainierte ich rund sechs Stunden pro Tag. Es war eine körperlich sehr anstrengende und auch entbehrungsreiche Zeit für mich. Wenn die Wellen kamen, bin ich nach dem harten Training noch ans Meer gefahren und bin surfen gegangen. Aber zu der Zeit haben mir diese körperlichen Anstrengungen Spass gemacht und ich war so fit wie nie zuvor. Wahrscheinlich war ich sogar einer der fittesten und besttrainierten Menschen in Israel. Und natürlich hilft mir das sehr, wenn ich an grossen Tagen oder an Contests rauspaddele, denn ich kenne meine persönlichen Grenzen und kann mich auf meinen Körper verlassen.
Gibt es spezielle Momente aus dieser Zeit, die du nie vergessen wirst? Etwas Schlimmes, etwas Verrücktes, etwas Lustiges?
Wir hatten einen Computerkurs in der Nähe des Frauenlagers. Einige von den Mädels dort waren echt heiss! Zwei ganz besonders. Mein Kumpel und ich waren die Einzigen, denen es erlaubt war, in kurzen Hosen und mit freiem Oberkörper zu trainieren. Also posierten wir immer fleissig auf dem Weg zum Computerkurs. Allerdings waren wir viel zu schüchtern, um die beiden anzuquatschen. Wir waren uns nicht sicher, ob wir bei ihnen landen könnten, also haben wir es gleich ganz gelassen. Das war ein Fehler! Nach einigen Jahren – inzwischen war ich schon aus der Armee entlassen –, traf ich eines der Mädels zufällig wieder. Ich fand heraus, dass sie zu der Zeit genauso in mich verschossen war wie ich in sie. Jetzt ist sie leider vergeben und nicht mehr interessiert. Tja, that’s life! Ich habe mir nach dem Treffen auf jeden Fall echt in den Arsch gebissen!
Ein ganz anderes Thema: Was geht dir durch den Kopf, wenn der iranische Präsident Ahmadinejad der gesamten Welt verkündet, dass er Israel am liebsten von der Landkarte radieren würde? Schüchtern dich und deine Familie bzw. deine Freunde solche Drohungen ein?
Es ist nichts Neues für mich. Ich bin aufgewachsen mit solchen Medien- und Presseveröffentlichungen und diesen Aussagen irgendwelcher verrückter Politiker. Ich persönlich finde es natürlich sehr schlimm, dass jemand will, dass andere Menschen sterben, besonders wenn er noch nicht einmal Ahnung von uns und unserer Geschichte hat. Ich, meine Familie und die gesamte Nation denken, dass diese Person durch sein unüberlegtes Handeln nicht berechtigt sein sollte, eine derartige politische Position zu besetzen bzw. überhaupt ein Land anzuführen.
Wie beeinflusst die politische Situation in deinem Land deinen Alltag? Wie gehen du und deine Freunde mit dem ständigen Terror um euch herum um?
In diesen verrückten Zeiten herrscht fast überall auf der Welt Terror. An Plätzen, an denen bisher noch nichts passiert ist, schätze ich leider, wird es in nächster Zukunft auch zu Terroranschlägen kommen. Es ist eine traurige Situation, aber ich fürchte, dass sich das so schnell erst mal nicht legen wird. In Israel lebe ich ein ganz normales Leben und lass mich von nichts beeinflussen. Ich lebe hier genauso, wie wenn ich im Ausland unterwegs bin. Ich fühle mich hier sogar sicherer als irgendwo anders.
Ich habe neulich einem Kumpel, der zurzeit in Tel Aviv arbeitet, einige SURFERS-Ausgaben runtergeschickt. Er meinte, es sei superschwierig für ihn gewesen, an die Hefte heranzukommen. Er musste erst ein Fax mit seinen persönlichen Angaben wie Name, Adresse, dann den Grund seines Aufenthalts in Israel, was sich in dem Umschlag verbirgt etc. pp. schreiben. Ich kann mir vorstellen, dass, wenn schon die Post so sensibilisiert und vorsichtig ist, dann der gesamte Alltag doch erst recht davon betroffen sein muss. Wie ist es zum Beispiel, wenn du mit riesigen Boardbags auf dem Dach an den etlichen Strassenkontrollen auf dem Weg zu Strand vorbeiwillst? Beeinflusst dich das nicht? Bekommst du nicht immer wieder Probleme?
Ich habe die Surf-Mags, die du mir geschickt hast, drei Tage später in meinem Briefkasten gefunden. Ich hab noch nie Probleme gehabt, Sachen in die Welt zu schicken oder welche zu empfangen. Aber wie du schon sagst, mit einem Auto voll mit Surf-Equipment zu reisen ist echt super nervig. Deshalb tun es auch nicht allzu viele Leute. Wir sind umgeben von muslimischen Ländern. Dort einzureisen ist superschwierig, erst recht mit ein paar Triple-Boardbags auf dem Dach. Es ist hier leider nicht so einfach wie bei euch in Europa, wo du, ohne es zu merken, über die Grenzen fahren kannst. Führt euch das immer mal wieder vor Augen, was ihr eigentlich für Möglichkeiten und Freiheiten habt!
Hast du ein abschliessendes Statement für unsere Leser?
Jeder von euch ist willkommen, auf meine Website zu klicken. Auf www.adigluska.com findet ihr auch einen Link zu meiner E-Mail-Adresse, und wenn ihr noch irgendwelche Fragen habt, beantworte ich sie euch sehr gerne.
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