Thomas Campbell ist einer der kreativsten Köpfe der kalifornischen Surf-Szene und damit prädestiniert für diese People Issue. Mit seinen Filmen „The Seedling“ und „Sprout“ hat er einen neuen Blickwinkel in die wettkampforientierte Surf-Welt gebracht und so den heutigen Retro-Trend um Surfer wie Alex Knost & Co. mit losgetreten. Jetzt kommt mit „The Present“ Campbells dritter Film in die Läden, der ebenfalls wieder Massstäbe setzt.
Surf-Filme sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Vorbei sind die Zeiten, in denen Filmemacher mit ihren neuesten Streifen durchs Land zogen und Kinosäle mit Horden an testosterongesteuerten Surf Rats füllten. In Zeiten von Digitalkameras, Internet und DVDs erscheinen monatlich dutzende Surf-Filme auf dem Markt, deren Macher mehr auf schnellen Profit aus sind, als Qualität zu produzieren. Doch einige helle Sterne leuchten da noch am Filmehimmel. Einer davon: Thomas Campbell. Seine Filme sind diese seltenen Perlen, die auch nach Jahrzehnten noch ihre Daseinsberechtigung haben.
Aufgewachsen in Kaliforniens Dana Point, verliess der Skater und Surfer den Ort in jungen Jahren: „Als der ,90210‘-Hype aufkam, wurde es mir dort viel zu kommerziell, nicht auszuhalten!“ Das Longboard-Fieber hatte ihn bereits im Alter von zehn Jahren erfasst und in seinen frühen Zwanzigern tauschte er West gegen Ost und zog nach New York, um seiner Karriere als Skateboard-Fotograf auf die Sprünge zu helfen. Vom Fotografieren war der Schritt zur Bewegtbildkamera für Campbell nicht weit und bei einem Dreh zu einem Skate-Video kam er zum ersten Mal mit einer alten 16-Millimeter-Kamera in Kontakt, heute das Markenzeichen seiner Filme. Das Salz in seinen Venen brachte ihn schliesslich zurück zum Surfen und somit zum Surf-Film. „Ich verlor ein wenig das Interesse daran, Skateboarden zu dokumentieren, daher war der Schritt zurück zu meiner eigentlichen Leidenschaft nur natürlich.“
1999 veröffentlichte er sein Erstlingswerk „The Seedling“. Nicht Profit, sondern das Umsetzen der eigenen Vorstellungen von einem Surf-Film war seine Motivation. Er arbeitete mit einem sehr kleinen Budget und einer Crew südkalifornischer Surfer, die er vorher selbst kaum kannte. Unbewusst begab er sich damit auf ein ganz neues Feld im Surf-Film-Business und leistete somit Pionierarbeit für etwas komplett Neues: eine Liste A-Surfer, schnelle Schnitte, radikale, mit Punkrock unterlegte Manöver waren ihm dabei fremd, unter anderem bedingt durch das knappe Budget. Stattdessen richtete Campbell, inspiriert von Filmemachern wie Bruce Brown und Paul Witzig, seinen Fokus auf die kommerziell kaum beachtete Untergrundszene der Longboarder. Für ihn selbst überraschend, wurde der Film von der Öffentlichkeit akzeptiert und verkaufte sich vom Start weg sehr gut. Das verstaubte Image des Longboardens wurde weggeblasen.
Von dem grossen Erfolg angetrieben machte sich Campbell schnell an sein nächstes und bisher erfolgreichstes Werk: „Sprout“. Auch hier bleib er seiner Maxime treu, nicht dem Mainstream an Surf-Filmen zu folgen. Er begleitete eine exquisite Gruppe an Surf-Ästheten auf Trips und folgte ihnen rund um den Globus. „Dieses Mal sollten nicht nur Longboards im Mittelpunkt stehen, sondern all das, was in den 60ern und 70ern übrig geblieben ist und auf den Dachböden der heutigen Shortboarder verstaubt: Fishs, Bonzers, Eggs bis Single Fin Longboards. Als Subkultur gedacht, beinhaltete der Film allerdings auch bekannte Namen wie Ozzie Wright, Dan Malloy, David Rastovich und Rob Machado“, sagt Campbell über „Sprout“.
Inzwischen sind seit der „Sprout“-Premiere in Hollywood schon wieder fünf Jahre ins Land gegangen, und während diese Worte getippt werden, liegen die einzelnen Filmrollen zu Campbells vielfältigstem und wahrscheinlich bestem Werk wie zu lange gekochte Spaghetti im Schneideraum verteilt. „,The Present‘ ist lediglich ein weiterer Schritt, die vielen Arten des Surfens zu zeigen“, sagt Campbell schlicht. „Vielleicht war ich damals in ,The Seedling‘ einfach zu engstirnig, dass ich mich nur auf eine Art des Surfens konzentrierte. Vielleicht reflektiert ,The Present‘ aber auch nur eine natürliche Weiterentwicklung meiner eigenen Persönlichkeit.“
Der neue Film umspannt jedenfalls, wie der Name vermuten lässt, das gesamte Spektrum des heutigen Surfens. Somit ist nicht nur die unglaubliche Entwicklung des Shortboardens gemeint, schliesslich sind immer mehr Menschen mit einer weiten -Range an Equipment unterwegs. „Wir befinden uns in einer Zeit des Experimentierens. Schaut man heute aufs Meer, sieht man Surfer wie Ry Craike, Sofia Mulanovich, Dane Reynolds und Chelsea Hedges unglaubliche Manöver auf ihren Shortboards performen, und eine Bucht weiter sieht man Longboarder wie C.J. Nelson und Alex Knost one-footed auf der Nose stehen.
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