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Gero Tragatschnig

Dass es einmal Gero Tragatschnigs Schicksal sein würde, einen Hobel zu schwingen, um so zu einem der wenigen deutschen Surfboard-Shaper von Rang zu werden, hätten selbst die hellsten römischen Götter nicht vorhersehen können. Irgendwie ist er da so hineingeschlittert. Doch spätestens nachdem er gemeinsam mit Pro-Surfer Thomas Lange auf Sylt mit Fatum das erste rein deutsche Surfboard-Label gründete, nahm Gero sein Schicksal selbst in die Hand.

Vor gut und gerne 20 Jahren lief ich Gero das erste Mal über den Weg. Bei einem Surfkumpel kamen wir ins Quatschen über den nächsten Trip und keinen Monat später sass der langhaarige Geselle im Flieger nach Gran Canaria neben mir. In den nächsten vier Wochen lernte ich erstens, ein Café con leche ist für Gero nur dann komplett, wenn drei Päckchen Zucker drin sind, zweitens, so leicht bringt den Jungen aus Lünen nichts aus der Ruhe, und drittens, ganz perfekt kann man es ihm so einfach nicht machen. Von Shapen war bei unserem damaligen, in erster Linie Windsurf-Trip noch nicht die Rede. „Damals ging es mir eigentlich nur darum, in der Sonne zu liegen, das Leben zu geniessen und surfen zu gehen.“ Um sich diese Kombi weiter zu ermöglichen, machte sich Gero kurz nach dem Kanaren-Trip auf nach Sylt. Dort heuerte er bei „Paradise Customs“ an, lernte Wellenreiten, lebte im Sommer im Bus mit kleinem Budget und gab das Gesparte im Winter für Reisen aus. Auf Sylt lernte er auch Thomas kennen, shapte ihm das, was er brauchte, um die Sylter Wellen in New-School-Manier zu zerstäuben. Gemeinsam gaben sie dem Kind dann einen Namen: Fatum. Vor sechs Jahren ging Gero von Sylt nach Portugal, shapte dort zur Untermiete bei S-Glass. Doch bald ging ihm der Trubel in Lissabon auf die Nerven und er zog weiter nach Peniche, „ein Platz, den ich zwar nicht gesucht, aber trotzdem gefunden habe“. Seit fünf Jahren lebt er nun dort und inzwischen ist aus dem kleinen Shape-Raum eine Halle samt Showroom und aus Gero ein frisch gebackener Papa geworden. Höchste Zeit für einen süssen Galao und einem Plausch unter der warmen Sonne Portugals.


»Das Wichtigste ist, wirklich das umzusetzen, was der Surfer nachher in seinem Brett haben möchte, und nicht nur seine eig
»Das Wichtigste ist, wirklich das umzusetzen, was der Surfer nachher in seinem Brett haben möchte, und nicht nur seine eig

SURFERS: Dass du mal mit Shapen dein Geld verdienen würdest, war nie so richtig geplant, oder?
gero: [lacht] Nein, auf gar keinen Fall. Obwohl, gleich nach dem ersten Board aus der elterlichen Garage hatte ich Feuer gefangen. Auf Sylt hab‘ ich halt bei „Paradise“ gejobbt. Wie es dazu kam, weiss ich selbst nicht mehr so genau, aber rücklickend kann ich nur sagen, dass alles sehr gut gelaufen ist. Im Sommer hatten sie damals ein paar Jahre Ken Tilton aus Hawaii als Gast-Shaper da. Der hat mir vieles, was ich zum Shapen brauchte, beigebracht. Im Winter bin ich dann nach Hawaii. Dort habe ich ein bisschen bei Ken gearbeitet. Auf Sylt kann man ja leider nur ein halbes Jahr als Shaper arbeiten, im Winter ist da tote Hose. In jungen Jahren war es ja ganz toll, im Sommer zu arbeiten und im Winter zu traveln, aber irgendwann reicht das Geld dann nicht mehr. Zuerst bin ich dann im Winter nach Lissabon und irgendwann habe ich mich dann doch ganz für diesen Platz entschieden. In Portugal ist der Surfboard-Markt eh viel grösser.

Von einem kleinen angemieteten Shape-Raum über eine kleine Halle bis heute zu einer grösseren Halle mit eigenem Showroom… eine rasante Entwicklung von Fatum!
Ja, es muss ja immer weitergehen. Wir hatten Glück dabei, die Zeit war reif für Fatum und so lief alles ganz positiv.

Wie viele Boards muss man im Jahr produzieren, um davon leben zu können?
Unter 400 Brettern im Jahr wird es eng.

Wie viele Leute arbeiten fest für Fatum?
Neben mir und meiner Frau Claudia, die sich um Airbrush und Buchhaltung kümmert, gibt es einen, der laminiert und sandet, und ein Allround-Talent. Wenn alle viel arbeiten, passt das mit vier festen Leuten. Plus ein paar „ehrenamtliche“ Helfer, ohne die es so nie laufen würde.

Fatum hat auch in Portugal einen guten Ruf. Ihr seid aber auch etwas teurer als die einheimische Konkurrenz, oder?
Das mit dem guten Ruf stimmt hoffentlich, aber dass wir teurer wären, ist ein hartnäckiges Gerücht. Geht man bei einem Board von nur acht bis zehn Stunden reiner Arbeitszeit aus, braucht man kein BWL-Fuchs zu sein, um zu erkennen, dass Surfboards nicht zu teuer verkauft werden. Der Wettbewerb bestimmt leider den Preis, nicht die Kalkulation, also denke ich, dass ein Surfboard so gut wie nie zu teuer verkauft wird.

Auf Sylt hattest du dir, gerade was die Fishboards von Fatum anbelangt, einen sehr guten Ruf erworben. Als du dann in Portugal anfingst, war das aber sicher keine grosse Hilfe, um bekannt zu werden. War der Anfang schwierig?
Eigentlich nicht. Wenn du gut arbeitest und die Bestellungen immer pünktlich ablieferst, wird das schnell honoriert. Allerdings musst du wirklich hundertprozentig arbeiten. Das kann man mit Marlon vergleichen: Als deutscher Surfer musst du nicht nur genauso gut, sondern am besten viel besser sein als die ganzen Amis und Australier im Feld, um überhaupt beachtet zu werden. Denn einen Ruf als grosse Surf-Nation haben wir Deutschen leider nicht. Das ist hart, pusht auf der anderen Seite aber auch ungemein.

Gibt es eine besondere Eigenschaft, die alle Fatum-Shapes gemeinsam haben?
Sie funktionieren… [lacht]

Was macht für dich neben dem Handwerk einen guten Shaper aus?
Das Wichtigste ist, wirklich das zu umsetzen, was der Surfer nachher in seinem Brett haben möchte, und nicht nur seine eigene Idee von einem Surfboard in die Welt tragen zu wollen. Davon gibt es meiner Meinung nach wenige Shaper, auch hier gibt’s davon nicht viele. Ich denke, aus diesem Grund kann man in Portugal auch Fuss fassen. Im Prinzip ist es wirklich einfach: Es kommt einer vorbei mit seinem alten Board und erzählt, was er verändert haben möchte. Die meisten wissen es nicht in Massen auszudrücken, haben aber eine gute Idee davon, was sie gerne haben möchten. Dann kann man sich noch mal in Ruhe sein altes Brett anschauen und loslegen. Das können einige Shaper. Das Problem dabei ist nur, den Surfer auch wirklich ernst zu nehmen und das Gewünschte dann auch wirklich zu machen. Ich denke, bei uns zahlt es sich auf lange Sicht auf jeden Fall aus, dass die Leute das bekommen, was sie bestellt haben. Ansonsten sind die Unterschiede eher gering, es gibt auch keine grossartigen Geheimnisse.

Was für ein Board shapst du am liebsten?
Da habe ich keine Vorlieben.

Was reizt dich denn immer noch am Shapen, nachdem du es schon ein paar Jahre als Job gemacht hast?
Die Weiterentwicklung der Boards, die Veränderung der Shapes, all das lässt es nie langweilig werden. Shapen ist nach wie vor das Tollste an der Arbeit, das macht einfach Spass. Das ganze Drumherum ist für mich eher das, was an manchen Tagen nervt.

Mit dem Ende von Clark Foam kommt es ja momentan zu Engpässen auf dem Blanks-Markt. Hast du da Probleme?
Ich habe gerade einen Container voll Blanks bekommen und ein zweiter Container ist bestätigt. Da wir nicht mit Clark Foam, sondern mit Aussie Blanks arbeiten, betrifft uns das Problem nur indirekt, also falls die Amis shoppen gehen…

Seit Jahrzehnten passierte nicht viel, wenn es um die Bauweise von Surfboards ging. In den letzten drei Jahren ändert sich da aber einiges, oder?
Die Arbeitsweise hat sich bei den PU/PE-Boards nicht verändert, nur das Material ist wesentlich besser geworden. Ich bin sicher, diese Bauweise wird aus vielen Gründen bei der Mehrzahl der Boards noch eine ganze Weile Bestand haben. Daneben ist eine für uns viel versprechende Technik die Sandwich-Bauweise, ähnlich wie die der aktuellen Windsurfboards. Mit ihr ist es möglich, ultraleichte und fast unzerstörbare Boards herzustellen – und das zu 100 Prozent custom made! In Zusammenarbeit mit unserem Sandwich-Genie Ulf Landwehr sind wir da auf einem erschreckend hohen Level. Man sollte aber nicht verschweigen, dass diese Flitzer um einiges teurer sind als konventionelle.

Wo ist euer grösster Markt?
Schwer zu sagen. Wir verkaufen am meisten direkt hier aus der Fabrik heraus. Aber das sind nicht nur Portugiesen, sondern auch viele Travel-Surfer, die sich ihre bestellten Baords abholen. Viele werden aber auch verschickt.

Im Rückblick sind die letzten sechs Jahre in Portugal für dich ziemlich positiv verlaufen. Wo würdest du dich und Fatum gerne in sechs Jahren sehen?
Oh, da hab‘ ich mir noch gar keine festen Gedanken gemacht. Etwas mehr Zeit für Claudia und den Nachwuchs haben, aber ich denke schon, dass wir erst mal hier bleiben werden.

Wie willst du das mit der Zeit hinbekommen? Du sagtest, 400 Bretter im Jahr müssten schon sein. Da musst du ja schon einiges produzieren?
Ja, im Februar haben wir mal für einen Monat Urlaub gemacht; dafür müssen wir aber nun richtig Gas geben, sonst wird es schwierig.

Wie sieht dein normaler Arbeitstag aus?
Zwischen acht und halb neun Uhr schlage ich hier auf. Dann shape ich erst mal, denn morgens hat man am meisten Ruhe und es kommen keine Kunden vorbei. Abends pünktlich um acht wird zugemacht. Das war auch schon mal anders, aber das haben wir jetzt fest eingerichtet. Montag ist zu, dafür haben wir am Wochenende auf, denn sonntags kommen echt noch viele Leute an. Ausserdem sind die Strände montags nicht so voll, und wenn wir dann mal selber aufs Wasser wollen, ist weniger los.

Kommst du noch viel aufs Wasser?
Nicht mehr so viel, aber ab und zu morgens oder, wenn es richtig gut ist, auch mal zwischendurch. Na ja, das ist halt das Los von Shapern und Surf-Fotografen… Allerdings habe ich mit Claudia jemanden, der sich um dieses ganze Drumherum kümmert. Da kann ich dann doch mal einfach verschwinden. Das hilft schon sehr.

Hast du gemerkt, dass es in den letzten Jahren immer mehr Leute gibt, die surfen wollen?
Klar, das ist nicht zu übersehen! Schau dir einfach mal nur die wachsende Zahl von Surfschulen an. Auch hier in Portugal kann man das gut beobachten: Auf der einen Seite fangen ältere Leute wieder an, die früher schon mal gesurft haben, auf der anderen Seite geht Surfen auf einmal durch alle Gesellschaftsschichten in Portugal.

Wenn jemand in Deutschland Shaper werden möchte, was würdest du ihm raten?
Vergiss es, unmöglich… [lacht] Nee, okay, ist auf jeden Fall schwierig, ist ja nun mal kein Lehrberuf in Europa. Handwerkliches Können ist ein Muss. Schaut euch alle Boards, die euch in die Hände fallen, genau an, Reparieren und am besten Sanden bringt Gefühl. Irgendwann hast du dann die Formen so verinnerlicht, dass du selbst shapen kannst.

Ist es wirklich so schwierig? Du hast es doch auch geschafft?
Ja, aber ich wollte das eigentlich nicht werden, also zumindest bin ich nicht morgens aufgewacht und dachte: „Gero, du musst Shaper werden!“ Für meinen Teil denke ich, dass es bei einem Job wie diesem so auch nichts werden kann.

Was war denn dein ursprünglicher Berufswunsch?
Ich wolllte nie etwas werden, ich wollte eigentlich in erster Linie immer nur surfen… Das habe ich auch ziemlich lange hinbekommen.

Dafür klingt das jetzt ja nach einem regelmässigen Job.
Na ja, irgendwann muss man wohl die Rechnung dafür bezahlen dafür, dass ich zehn Jahre eher nicht so viel gearbeitet habe. Es rufen oft genug bei mir Leute an, die Shaper werden wollen. Doch die meisten haben eine ziemlich romantische Vorstellung von der Sache. Am Ende des Tages ist es doch ein sehr schlecht bezahltes Handwerk. Und da muss man schon gute Nerven haben, wenn man das durchziehen will. Und obwohl immer mehr Leute surfen, ist das Angebot von Boards auf dem Markt mehr als gross genug.

Was hältst du in diesem Zusammenhang von den immer mehr auf den Markt drängenden Serien-Surfboards?
Ich bin mir nicht ganz sicher, wie die Zukunft dieser Boards aussieht. Wenn jemand günstig ein Pop-out Board schiessen kann, um darauf surfen zu lernen, okay. Als fortgeschrittener Surfer greifst du dann doch meistens lieber zu einem genau für dich geshapten Board.

Okay, zum Schluss gib uns bitte noch eine Board-Empfehlung für einen deutschen Surfer, der an der Nordsee oft aufs Wasser geht und der so langsam aus seinem Malibu herausgewachsen ist.
Generell sollten alle Boards, die man sich für die Nordsee zulegt, schon mal mindestens ein halbes Inch breiter sein als ein Board, das man am Atlantik surft. Also, so ein Old School Fish, das dann aber deutlich über 21 Inch breit ist, ist schon gut für die Nordsee. Ein richtiges Allround-Shortboard ist etwa 19 3/4 Inch breit und von der Outline ein Mittelding zwischen Old School Fish und Shortboard. Bei den Longboards ist es einfacher: Ein klassisches Longboard kann man in jeder Welle surfen, die für ein Longboard funktioniert. Aber es gibt natürlich noch jede Menge Misch- und Zwischenformen, das macht das Ganze ja gerade auch so spannend. Also, die Boards sind insgesamt etwas breiter geworden, damit nicht ganz so anspruchsvoll, echte Spassboards halt – und darum geht es doch!

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