Cover: Hannah Dürr
Am 22. Februar ist Vinicius dos Santos in eine riesige Welle am Praia do Norte gepaddelt und schaffte es nach einem halsbrecherischen Air-Drop, sie komplett abzureiten. Seine Welle sorgte im Anschluss für viel Aufsehen in Nazaré und wurde bereits in die Auswahl für die WSL XXL Awards eingereicht.
Der Brasilianer, aufgewachsen auf der Insel Florianopolis, gibt uns im Interview ein paar Einblicke in die Welt des Big-Wave-Surfens. Aus der Perspektive eines Paddle-In-Athleten erklärt er beispielsweise die Unterschiede zwischen Paddeln (Paddle-In) und Tow-In per Jetski in die gigantischen Wellen.
Erstmal herzlichen Glückwunsch zu der Welle! Welche Erinnerungen sind dir von dem Ritt geblieben?
An diesem Tag paddelte ich von der Nazaré Vila aus mit meinem guten Freund Ollie Dousset raus. Während er die Wellen vor dem Canyon beobachtete, der die Vila vom Nordstrand (Praia do Norte) trennt, hatte ich mir schon ziemlich genau überlegt, was ich machen wollte. Aufgrund der Zeit, die ich hier verbracht habe, um den Spot zu studieren, wusste ich, dass die Richtung des Swells für perfekte Bedingungen sorgen würde, ebenso der Wind. Schon Tage zuvor plante ich, im richtigen Moment an genau dieser Stelle im Wasser zu sitzen. Also kreuzte ich direkt von dem Canyon zum zweiten Peak. Ich sah das Team von Maya und Sebastian, die kurz vor mir ankamen. Ich blieb dort und versuchte, eine sichere Position zu finden, um nicht von einem Set erwischt zu werden und zu weit vom idealen Punkt entfernt zu sein, als meine Freunde Ollie, Tito und Tony zu mir kamen. Auch eine große Crowd von Tow-In-Surfern gesellte sich dazu, sie surften um uns herum und nah an uns vorbei, oft auch zwischen uns hindurch.
Ich erinnere mich nur daran, dass ich sie anschrie, weil sie so viel Wirbel machten. Schließlich bekam ich die Welle direkt danach. Ich habe es noch so frisch im Gedächtnis, wie ich den Berg hinunterblicke, meine Arme öffne und mich fast wie ein fliegender Vogel fühlte. Als ich schließlich auf meinem 11’6-Board auf den Füßen landete, lag das Brett in der Welle. Ich hatte erst das Gefühl, es zu verlieren, also passte ich instinktiv meine Haltung an, um zum Hauptziel zurückzukehren: den Bottom Turn um die Kurve zu kriegen, um der auf mich zukommenden Lawine zu entgehen. Ich war echt glücklich und fühlte mich so lebendig, als ich die Fahrt in der kleinen Rinne zwischen Gipfel eins und zwei beenden konnte. Aber es war noch nicht Zeit zum Feiern, ich musste mich zurück zum Line-up arbeiten, komplett “on fire” – und erwischte nach dieser Welle noch zwei weitere.
Nazaré ist bekanntermaßen ziemlich furchteinflößend. Woher nimmst du den Mut, in so eine Bombe hineinzupaddeln?
Ich bete, um Schutz zu erbitten. Aber ich trainiere auch sehr viel und gehe mit meinen Schwimmflossen ins Meer. Als Rettungsschwimmer habe ich das oft gemacht. Nazaré ist kein neuer Ort für mich, ich beende gerade meine dritte Saison hier und kenne die Wasserdynamik und die Felsen. Ich habe hier Sicherheits- und Rettungstraining hinter mir und wurde schließlich von der WSL eingeladen, bei der Nazaré Tow-In Challenge als “Safety Holster” mitzuarbeiten.
Wenn wir einmal da draußen sind, nehmen wir bestimmte Risiken in Kauf. Ich mache das aus Leidenschaft, für mich gibt es kein besseres Gefühl. Ich liebe die Atmosphäre.