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The Mission 2006

Visionen sind der Grundstein aller kreativen Umsetzungen. Ohne Visionen und Ziele stagnieren wir. Das dachten sich auch O’Neill, als sie gelangweilt von den üblichen Surf Contests mal Schwung in den sich selbst einschläfernden Markt bringen wollten. Erst starten sie den nördlichsten Surf Contest der Welt, dann protzen sie mit dem eindrucksvollsten. Vor der traumhaften Kulisse der Südsee stechen sie mit acht der besten Pros der Welt in See und revolutionieren die Definition von „Surf Contest“. Das Ergebnis: The Mission.

Heftige Sturmböen treiben schwere Regentropfen gegen die Fensterscheiben des altwürdigen „Hotel Royal“ im schottischen Thurso. Doch hinter ihnen herrscht gemütliche Wärme und das Knistern des Kaminfeuers sorgt für ein wohliges Gefühl in der Lobby. Ich nehme die Mütze ab, wisch‘ mir einen Tropfen Schnodder von der Nase und umklammere mit tauben Fingern eine dampfende Tasse English Tea.

Noch wenige Minuten zuvor stand ich vor einer der besten, aber auch kältesten Wellen Europas. Pünktlich zum Five Star WQS der Highland Open liefen perfekte Wellen über das felsige Riff von Brims Nest. Eisige Offshore-Böen pfiffen über die schottische Flora in Richtung offene See und machten es den 168 angereisten Pros schwer, ihr Brett heil in die Fluten zu bekommen. Allein die Gedanken daran treiben mir wieder eine Gänsehaut über den Rücken. Ich puste in den dampfenden Tee und ein schmerzhaftes Kribbeln in den Fingern deutet wiederkehrendes Leben an.

Wenig später versammeln wir uns zu einer von den Offiziellen der Highland Open angesetzten Pressekonferenz. Ein neuer Event von O’Neill soll präsentiert werden. Bernhard, der Event-Manager von O’Neill, projiziert türkisblaue Wellen, Palmen, springende Delfine und grüne Steilklippen an die massive Steinwand des „Royal“. Die Bilder wirken in dem Moment wie wärmende Sonnenstrahlen unter der Winterjacke.

Bernhard beginnt seine Präsentation: „Liebe Freunde, vom 27. Mai bis zum 03. Juni starten wir unser neuestes Projekt namens The Mission. Es handelt sich hierbei um einen Freesurf Contest vor der traumhaften Kulisse Tahitis und seiner Nachbarinsel Morea. Eine ausgewählte Crew von acht Surfern, die vier Besten hier bei den Highland Open plus vier Wildcard-Fahrer, werden eine Woche mit uns entlang der vielen perfekten Breaks Tahitis fahren und um ein Gesamtpreisgeld von 50.000 US-Dollar surfen. Die ,Haumana‘, ein Luxusliner, wie er im Buche steht, wird uns zu den verschiedenen Spots der Inseln bringen und keine Wünsche in Sachen Komfort, Mobilität und Luxus offen lassen. ,Freesurf Contest‘ bedeutet, dass die Fahrer ihr Surfen selber judgen werden und auch die Regeln des Events zum Grossteil mitbestimmen können. Jede Session wird von einem Kamerateam auf Zelluloid gebannt und am Abend bei Cocktails und eisgekühltem Hinano-Bier bewertet. Am Ende der Woche werden alle Punkte zusammengezählt und ein Gesamtsieger ermittelt, der mit einem satten Scheck von 25.000 US-Dollar von Bord gehen darf.“ Ich schaue durch ein Fenster, der Regen hat aufgehört, doch der eisige Sturm rüttelt nach wie vor unbarmherzig an den Fenstern. Tahiti? Morea? Boat Trip? Unvorstellbar!

Doch das soll sich schnell ändern, denn knapp einen Monat später strecke ich meine Gliedmassen das letzte Mal, bevor es für 30 Stunden in den Flieger nach Papeete geht. Im Gepäck: Bretter, Boardshorts und Sonnencreme…

Eine Horde nackter und williger Frauen bereitet mir zwar nicht den Empfang wie einst Captain Cook, als mir der erste Hauch der Südsee entgegenweht, doch noch bevor ich mir Sorgen machen muss, wo ich hinmuss, umarmt mich eine Tahitianerin mit Küsschen links, Küsschen rechts. „Welcome to our beautiful island of Tahiti!“ Der Blumenkranz um meinen Hals duftet wunderbar und reaktiviert die Sinne.

Bernhard hatte bei der Präsentation nicht übertrieben. Die „Haumana“ ist ein 36,5 Meter langer Luxusliner, der normalerweise nur von vor Geld triefenden Multimillionären gebucht wird. Wir staunen nicht schlecht, als wir zögerlich die ersten Schritte auf dieses Prunkstück setzen. Drei weitläufige Decks, ein Jacuzzi auf dem vorderen Teil der Yacht, Flatscreen in jeder Kajüte, komplette Hochseeangelausrüstung und eine Crew, die einem jeden Wunsch von den Augen abliest. Keiner der acht Surfer hatte jemals an einem so dekadenten Boat Trip teilgenommen. Dementsprechend ist die Stimmung, als die Stars der Mission Russell Winter, Luke Munro, Aritz Aranburu, Ian Walsh, Ry Craike, Bernardo Miranda, Noi Kaulukukui und Hugo Savalli ihre Zimmer beziehen.

Sails Are Set

Zu traditioneller tahitianischer Musik verlassen wir den sicheren Hafen und Kapitän Moe manövriert die „Haumana“ durch den engen Riffpass hinaus ins kristallklare, tiefblaue Meer. Die Fahrt geht entlang des äusseren Riffs in Richtung Südosten. Dichte Palmenwälder säumen die Küste vor den smaragdfarbenen Steilklippen. Tiefe Wolken hängen in den Spitzen der Berge. Das Ziel an diesem ersten Tag ist die Lagune von Maraa. Die Fahrt dorthin gibt uns einen Vorgeschmack auf den Swell, den wir erwarten. Der Ozean bewegt sich wie eine zu volle Badewanne hin und her und schwappt in riesigen Close-out-Brechern über die Riffkante. Die Fahrt ist rau und die anfangs ausgelassene Stimmung weicht nach und nach einer konzentrierten Stille. Gerade noch rechtzeitig erreichen wir die sichere Lagune und die Farbe kehrt zurück in die Gesichter. Ohne zu surfen, aber mit vollem Bauch, nachdem die Köche frischesten Tunfisch auf Vanillesosse aufgetischt haben, geht die gesamte Besatzung schlafen; schliesslich ist für morgen ein grosser Tag angesagt und der Forecast auf Swell ist viel versprechend.

Broken Boards

Der Geruch des Kaffees in den Tassen der Frühaufsteher breitet eine relaxte Atmosphäre auf dem obersten Deck aus. In kleinen Gruppen steht jeder mit seiner Tasse und einem frischen Croissant an der Reling und schaut staunend auf die unwirkliche Kulisse. Das morgendliche Licht taucht die Berge in ein frisches Grün. Nach und nach kommen alle zusammen, um mit Raimana van Bastolaer, Tahitis bekanntestem Surfer, und Matt Wilson, dem The-Mission-Manager, zu entscheiden, wo gesurft werden soll. Die Entscheidung fällt auf den Reef Break von Paparaa.

Mit den Speed-Booten rasen wir entlang des Riffs ein Stück weiter die Küste entlang. Fliegende Fische springen aus dem Ozean und weisen uns den Weg. Ohne dass dieser Surf in die Wertung eingehen soll, surfen sich die Jungs schon mal für die kommende Woche warm. Die Bedingungen sind nicht ideal, dafür hat der Swell aber eine Respekt einflössende Grösse. Der sich schnell auftürmende Lefthander sorgt für tiefe Drops und das erste gebrochene Board von „Walshy“. Nachdem sich über Nacht der Anker der „Haumana“ durch die starke Strömung tief in den Korallen verhakt hatte, benötigt Kaptain Moe ein paar Stunden, um das Schiff durch die enge Riffpassage entlang dutzender Delfine zu uns nach Paparaa zu manövrieren. Nach einem kurzen Stopp geht es direkt weiter zu dem Spot, der den neuen Westswell am besten handeln sollte. Der Spot heisst Teahupoo, seines Zeichens die spektakulärste Welle der Erde.

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, als wir über die Wellenkämme fliegen. Als wir ankommen und uns im Channel in Position bringen, wirkt Teahupoo extrem unwirklich. Bis zum Horizont brechen riesige Close-outs, bis sie zum Riffpass von „Chopes“ kommen. Dort brechen die Wellen im Bogen in die Lagune hinein und explodieren in unbeschreiblichem Sound über dem fast trockenen Riff.

Die Jungs springen direkt vom Boot ins Wasser und paddeln in den Line-up. Russell Winter zieht in die Welle des Tages, verschwindet für lange Sekunden in der Stand-up Barrel und wird vom Spit lebend wieder ausgespuckt. Unter tosendem Applaus gewinnt er am Abend die Videoauswertung. Das nimmt Russell zum Anlass, um am Abend ordentlich das Tanzbein zu schwingen und ordentlich Hinano zu vernichten. „Ich glaub‘, das war die beste Barrel meines Lebens. Das hat mir eine Menge Selbstvertrauen gegeben und ich bin total angefixt auf weitere solcher Wellen.“

Spät am Abend ziehen sich tiefe Wolken wie ein zäher Milchshake über dem Horizont zusammen, um sich wenig später in Form von Hagelkörnern über der „Haumana“ zu ergiessen. Die Einschläge sorgen für einen ohrenbetäubenden Lärm und Blitze gehen nur Meter neben unserem Boot nieder. Die Nacht wird zum Tag. Weltuntergang. Eine düstere Stimmung macht sich breit und die Crew der „Haumana“ steht mit offenen Mündern auf dem Deck. „Harter Regen? So etwas hat’s hier noch nie gegeben!“

Teahupoo’s Teeth

Das Wetter klart am nächsten Morgen langsam wieder auf und mühsam kämpfen sich die ersten Sonnenstrahlen durch die graue Wolkendecke. Die kommenden zwei Tage bleiben wir an unseren Ankerpunkt in der Lagune vor Teahupoo, da der Swell noch einige Zeit so kraftvoll bleiben soll. Zum Greifen nah sitzen die Fotografen in den Speed-Booten und halten ihre Teleobjektive tief in die Tube. Bill Morris, Carlos Pinto und Larry Haynes, alle drei mehr Fisch als Mensch, liegen mit ihren Kameraausrüstungen in dem brodelnden Wasser. Als ein grosses Set anrollt, schafft es Larry nicht mehr rechtzeitig raus in den sicheren Line-up: Die Lippe der Welle schlägt ihm wie eine Guillotine in den Nacken und schenkt ihm einen spannenden Unterwasserritt übers Riff. Erst viele Sekunden später taucht er prustend wieder auf. Doch anstatt zitternd auf eines der Boote zu klettern, schwimmt er wieder zurück auf seine Position. Das ist Einsatz..! Aber auch die Pros, allen voran Ry Craike und Bernardo Miranda, schrecken nicht vor Konsequenzen zurück und verschwinden immer wieder tief im Rachen des Monsters.

Te ava iti und Vairao

Am fünften Tag wird der Anker gelichtet und die gesamte Crew macht sich auf zurück in Richtung Westen, um die beiden Spots „Big Pass“ und „Little Pass“ zu rippen. „Vairao Pass“, wie „Big Pass“ auch genannt wird, sorgt für eine barrelnde Takeoff Section, die in eine lange Wand übergeht, perfekt für Aerials und sonstige Manöver. Hugo Savalli kennt diese Welle bereits wie seine Westentasche, da sein Kumpel Alain Riou ein Haus direkt vor der Welle besitzt und Hugo dort Dauergast ist. Daher verschwindet er auch am tiefsten in der Tube-Section. Anschliessend zerhackt er die Welle in H2O-Moleküle.

Bernardo steht Hugo aber in nichts nach und surft diese schnelle Welle auf der Backhand-Seite. Aritz, Russell und Luke haben alle zumindest eine ähnlich gute Welle im gleichen Style, Russell mit einer engen Tube und anschliessenden radikalen Snaps. Ry beeindruckt die Locals im Line-up mit einem Fins-out Snap. Ein longboardender Gast von O’Neill unterschätzt die Power der Welle und geht ohne grosse Gegenwehr nach einem viel zu steilen Takeoff mit dem Kopf voraus über das scharfe Riff und darf sich von einem guten Stück Haut verabschieden, das nun als Fischfutter übers Riff treibt. Mit geschockten Augen paddelt er nach langem Tauchgang zurück zum rettenden Boot.

Nach kurzer Pause an Deck der „Haumana“ geht’s auf direktem Wege nach „Te ava iti“ a/k/a „Little Pass“, einer sucky rechts brechenden Welle, die alle möglichen Manöver zulässt. Mit einem hohem Air to Fakie Revert von Ian, einem Backside 360° von Craiky und einigen Superman-Versuchen von Luke geht auch diese Session in voller Zufriedenheit aller zu Ende.

Freesurfing’s Paradise

Die Surfer entscheiden nach einem wieder mal leckeren Frühstück, dass sie den Rest des Trips nur noch freesurfen wollen, um am Ende eine Best Overall Performance zu voten. Und weil der Swell immer kleiner werden soll, sind alle schon früh wach, um die Spots vom Vortag zu checken.

Die Rechtswelle von „Little Pass“ läuft am besten. Der Swell ist zwar kleiner geworden, dafür sind sie die Einzigen im Line-up und jeder gibt sein Bestes, um die beste Tages-Performence hinzulegen. „Russell war der herausragende Surfer an diesem Morgen. Seine Snaps waren echt radikal und einige kleine Tubes bekam er auch“, findet Hugo nach der Session.

Am Abend sind alle wieder fit, um noch eine spannende Session nachzuschieben. Der Line-up ist etwas voller, doch die Atmosphäre zwischen den Pros und den Locals sehr entspannt „Wir haben gewartet, bis wir an der Reihe waren, aber die Locals gaben uns von Anfang an Wellen ab und feuerten uns an, in die Wellen zu ziehen. Die sind so entspannt wie nirgends auf der Welt“, so Hugo. Als Matt am Abend ankündigt, dass der Swell in den kommenden Tagen noch kleiner werden soll, entscheiden wir, über Nacht „Segel zu setzen“ und zur vor Tahiti liegenden Insel Morea überzusetzen.

Judgement Day

Ich reibe mir den Schlaf aus den Augen und befinde mich plötzlich in der traumhaften Cook Bay vor Morea. Grüne Steilklippen fallen um uns herum in die kristallklare Bucht und ich fühle mich in den Film „Jurassic Park“ versetzt. Heute wird nicht gesurft, sondern die Insel erkundet. Dazu sag‘ ich nur eins: Ein Landgang auf Morea lohnt sich!

Am Nachmittag werden die Dieselmotoren der „Haumana“ wieder angeschmissen und wir verlassen Morea mit Ziel Heimathafen. Nach einer Woche perfektem Surfen mit triple-overhead Teahupoo und schulterhohen Aerial-Wellen bei „Little Pass“ ist The Mission zufrieden stellend erfüllt worden. Stellt sich nur noch die Frage, wer den Scheck in Empfang nehmen soll und somit als Sieger von Bord gehen darf. Doch diese Frage scheint beinahe nebensächlich, haben doch alle an Bord dank der ereignisreichen letzten Woche gewonnen.

Aber da 25.000 US-Dollar nicht zu verachten sind, ziehen sich die Jungs noch mal die besten Surf-Szenen der vergangenen Tage rein, um via Stimmzettel die Punkte an die Kollegen zu verteilen. Während sie noch voten, legen wir unter grossem Aufsehen in der Nähe von Papeete an. Der Pier ist voller Menschen, die von unserem Trip erfahren haben und zur Siegerehrung gekommen sind. Nachdem die gekühlten Sektflaschen positioniert sind, moderiert Sprecher Dave Mailman die Siegerehrung an: „And the winner is…“, brüllt Dave ins Mikro, während er die beiden übrig gebliebenen Ian Walsh und Russell Winter an den Händen hält. „And the winner of the O’Neill Mission 2006 is… the Hawaiian Kid Ian Walsh!“ Unter grossem Jubel, fliegenden Sektkorken und einer ordentlichen Schampusdusche nimmt der überglückliche Ian eine kiloschwere Tiki-Figur in Empfang und reisst den Scheck von 25.000 US-Dollar in die Höhe.

Eine traumhafte Woche mit perfekten Wellen geht zu Ende. The Mission is over… Aber im nächsten Jahr heisst es hoffentlich wieder: Leinen los und ab durchs Paradies!

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