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Travel Stories

Namibia

“Hic sunt leones”, steht auf alten Landkarten und warnt so vor Löwen. Die werden immer seltener in der ältesten Wüste der Welt. Doch wer als Surfer sein Abenteuer sucht, wird immer noch mit den Schätzen der Natur belohnt – Wind und Wellen gibt es im Überfluss an Namibias Küste. Einsamkeit, Sand und Weite ebenfalls.

Es ist diese Stille. Eine gewaltige, alles in sich aufsaugende Stille. Langsam schält sich der Vollmond aus den Hügeln am Horizont und taucht die Namib in ein unwirkliches, weisses Licht. So hell, dass wir alles um uns herum erkennen können. Sanft geschwungene Bergketten. Kleine Canyons. Wir hören ein Rascheln. Erst leise, dann ein Schnuppern am Zelt. Das Lagerfeuer ist längst erloschen, also warten wir, bis es wieder ruhig geworden ist. Langsam öffnen wir den Reissverschluss. Nichts zu sehen. Nichts zu hören. Etwas unruhig schlafen wir wieder ein.

Am Morgen entdecken wir Abdrücke. Am Zelt und am Lagerfeuer. Schakalspuren! Zum Glück waren es keine Löwen, die sind seit einigen Jahren so gut wie ausgestorben! Wir sind an der Skeleton Coast im nördlichen Namibia, rund 300 Kilometer von Swakopmund entfernt. Der Küstenstreifen zwischen dem Ugab River im Süden und dem Kunene im Norden bildet den Skeleton Coast Park. Der darf aber nur mit speziellen Permits betreten werden. Eine der besten Wellen Namibias läuft allerdings schon vor dem Skeleton Coast Park: Cape Cross.

Wir, Matthias und Lars aus Flensburg, Julien aus Australien, Mike aus England und Rob, der in Südafrika und Deutschland lebt, haben Glück: Cape Cross läuft. Mit von der Partie sind noch die beiden Locals Ernie und Karsten. Ernie lebt in Swakop und von den Fischereirechten an Namibias Küsten, die er gekauft hat. Karsten, dessen Eltern in der Lüneburger Heide wohnen, lebt schon sein ganzes Leben in Namibia. Ein ungemein kreativ denkender und handelner Mensch. Er ist in der Lage, auf seine Träume zu hören und sie zu realisieren.

Mike Young ist genau das Gegenteil. European Tour Surfer, australische Eltern, aufgewachsen in Südafrika, lebt auf Jersey. Er zaubert selbst in schlechten Bedingungen noch Cover-ups und Aerials in die Wellen. Julien Wicksteed, Queensland, Australien. Big Wave Surfer, eigenbrödlerisch, kaum zu verstehen, freundlich. Nur selten haben die Wellen genug Power, damit sein Potential zur Geltung kommt. In einem australischen Mag können wir sein Können bewundern. Auf einer Hochhauswelle irgendwo in Australien.

Robert “Rob” Gärtner. Geboren in Pretoria, aufgewachsen in Südafrika und Deutschland. Verbringt den Winter in Südafrika, den Sommer auf Sylt. Auch er braucht Powerbedingungen. Fühlt sich auf der Backhand nicht sonderlich wohl. Mathias Wöhl, Flensburg, mittlerweile weit gereister Windsurfer, begeisterter Wellenreiter, fühlt sich in allen Bedingungen wohl. Lars Kania, Nachwuchsfahrer aus Flensburg. Mit 19 der Jüngste unter uns. Liebt es, mit dem 4,0er voll angeblasen durch die Gegend zu ballern.

Unzählige Robben schwimmen im Line-up. Das grün schimmernde Wasser der aufsteigenden Welle ist schwarz. Mehr als einmal müssen die Jungs beim Takeoff zurückziehen, damit sie die Robben nicht über den Haufen fahren, denn Blut im Wasser könnte unangenehme Folgen haben. Wir verdrängen den Gedanken an die Great Whites, die in diesem Meer schwimmen. Wir wissen nur nicht, wo.

Schickt der Atlantik einen kräftigen Nordwestswell Richtung Küste, verbinden sich die drei Spots am Cape Cross zu einer langen Left. 1486 landete hier der portugiesische Seefahrer Diego Cao und gab der Bucht seinen bis heute gültigen Namen. Ein kleiner Friedhof, umzäunt von einem längst verwittertem Zaunm, zeugt von der Härte der Gewässer. Dahinter: Factory Point. Eine Left.

Seit Stunden sind wir zwischen Walvis Bay und Lüderitz in der Namib unterwegs. Nachts wird das Fahren auf den Dirt Roads gefährlich. Extreme Niederschläge im vergangenen Monat verwandelten die Fahrbahn in unberechenbare, unterspülte Achsenkiller. Auf den höher gelegenen Plateaus überzieht ein dünner grüner Flaum den Wüstenboden. Noch immer sind Wasserlöcher vorhanden. In wenigen Wochen wird aus der Namib allerdings wieder eine sandig braune Einöde. Sie wird als die älteste Wüste der Welt bezeichnet.

Der Benguelastrom sorgt mit seinem eiskaltem Wasser dafür, dass sich die feuchte Luft bereits vor der Küste abregnet. So gehört die Namib, obwohl an der Küste gelegen, zu den trockensten der Welt.
Das Wasser hat unglaubliche 22 °C. Shorts statt Fullsuit. Karsten kann sich kaum an das letzte Mal erinnern, als das Meer so warm war.

Der Spot am Laangstrand fängt selbst den kleinsten Swell auf. Wir surfen den Spot bei allen Tiden. Mit der Zeit wissen wir, wann die Right am besten läuft und wann sich die Left glasklar aus dem Wasser fräst. Aber ein Tag bleibt uns in Erinnerung: Overhead Shorebreak. Die Stunde von Mike. Noch bevor wir die Wellen sehen können, ist er bereits am Paddeln und bringt sich in die beste Takeoff-Position. Und pullt in die Barrel. Ein ums andere Mal.

Die Tage bekommen einen eigenen Rhythmus. Wir wissen kaum noch, welcher Tag eigentlich ist. Wir leben in einer Welt, die aus Wind und Wellen besteht. Ein gefährliches Spiel. Leicht kann man sich darin verlieren.

Thick Lip (einziger Reef Break), Fitschis (Matthias: “Sieht wie eine Nordseewelle aus, läuft aber viel länger und kraftvoller), Veneta Point, Guns (mit Cape Cross der beste Spot an Namibias Küste), sie alle liegen in und um Swakopmund verteilt. Doch noch immer liegen viele Spots ungesurft im Sperrgebiet.

Wir haben in Swakopmund unsere Basis. Deutsche Gegenwart und kaiserliche Vergangenheit gehen in der Küstenstadt eine Symbiose ein. Etwa 27.000 deutschstämmige Namibier treiben hier in einem Schiff der Vergessenheit vor sich hin. Die Stadt lebt von und mit den Touristen. Deutsche Zeitung und Radiosender, Leuchtturm, Aquarium, wir fühlen uns wie zu Hause.

Der Sand, der von der Namib in den Strassen liegen bleibt, wird akribisch, fast schon symbolisch weggefegt. Weggefegt wie die Vergangenheit der Ureinwohner. San. Herero. Nama. Ovambo. Kavango. Damara. Die Entscheidung für ihren “Untergang” fiel 1904 am Waterberg beim letzten grossen Aufstand der Herero. Der Befehl des deutschen Generals von Trotha lautete: “Innerhalb der ,deutschen Grenzen’ wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen.” Von 60.000 Herero überlebten 20.000.

Wir sind die ganze Nacht nach Lüderitz gefahren und erleben den Sonnenaufgang an der Grossen Bucht. Hier im Süden Namibias powert der Wind mehr als 250 Tage im Jahr. 40 bis 50 Knoten, zwei Wochen lang, sind keine Seltenheit. Der Beachbreak, der in die grosse Bucht läuft, erinnert uns an Rømø in Dänemark. Viel Weisswasser und Chaos – Nordseewellen. In der Regel powert der Wind cross-onshore von links oder cross-offshore von rechts durch die Bucht. Durch Stacheldraht, Warnschilder und Sicherheitsbeamte gesichert verläuft hier die Grenze der De Beers Diamond Company.

Die kleine Bucht Guano Bay bietet optimale Windsurfbedingungen. Cleaner Swell in allen Grössen. Windrichtungen: Südwest, Nordwest, on- oder offshore. Je nach Vorlieben: Aerials oder Loops. Vor der Bucht ziehen im seichten Wasser Delfine ihre Bahnen. Auf der Suche nach Futter schwimmen sie durch den Channel, der die Guano Bay von Halifax Island trennt. Die Einwohner haben das Eiland vor langer Zeit verlassen.

Der 1883 eintreffende Adolf Lüderitz erwarb grosse Landstriche von den Nama und forderte die Holländer zum Verlassen der Insel auf. Der deutsche Kaiser nahm offiziell von Namibia Besitz. Nur ein Jahr später wird Namibia zu Südwestafrika. Land, auf dem seit Urzeiten die Eingeborenen lebten, wurde unter deutschen Siedlern aufgeteilt. Zäune gliedern das Land unter mir in riesige Farmen auf. Farmen grösser als Schleswig-Holstein.

Wolkenschatten verwandeln die Landschaft in ein gewaltiges Puzzle. Hell. Dunkel. Der Schatten des Flugzeuges spiegelt sich, umgeben von einem kreisrunden Regenbogen, in den Wolken. Darunter, eine unendliche Stille.

INFORMATIONEN FÜR NAMIBIA-REISENDE:

S p o t s :
Norden:
1. Cape Cross: direkt an der Robbenkolonie. Nichts für Weicheier! Viele Robben und… perfekte Left. Bei grossem Swell verbinden sich mehrere Wellen. Angeblich einer der besten Spots der Welt.
2. Buddhas: Richtung Hentiesbaii. Je nach Swellrichtung entweder Left oder Right.
Mitte:
Swakopmund:
1. Tiger Reef: Stadtstrand in Swakop. Bei Südwest, schräg auflandiger Wind, harter Shorebreak, ansonsten eher Nord-/Ostseewellen, Shifting Beachbreaks.
2. Fitschis: Left. Wie Nordsee, nur kräftiger und länger, längerer Paddelweg.
3. Veneta Point: ähnlich wie Fitschis, nimmt aber schonkleineren Swell auf.
4. Last Toilet (Long Beach): Richtung Walvis Bay. Beachbreak. Am besten kurz vor und kurz nach Hochwasser. Left und Right. Wenn Swell, dann da.
5. Thick Lip: Reefbreak. Braucht circa vier Fuss, um zu laufen.
Süden:
1. Guns: einer der besten Spots, wenn Swell. Perfekte Left. Welle bricht über einem scharfen Muschelriff. Läuft erst ab vier, fünf Fuss. Ab sechs Fuss Barrel. Kann richtig (!) hoch werden.
2. Walvis Bay Lagune: Speed Trip, Flachwasser bei High Wind Power. Fast immer Wind. Vorsicht bei Low Tide: extrem flach!
3. Paalthies: südlich der Lagune. Bei Südwest sideshore. Beachbreak mit extremer Strömung.
4. Lüderitz: Grosse Bucht: wie Rømø in Dänemark. Braucht Südwestswell. Shifting Beachbreaks. Side-onshore oder side-offshore. Wind nimmt ab mittags stark zu. Mindestens 250 Tage im Jahr Gleitwind!
5. Guano Bay: Richtung Diaz Point. Braucht Nordwestswell. Cleanere Wellen als Grosse Bucht.
Viele Spots haben keinen Namen oder liegen in Sperrgebieten (Süden: de Beers Company, im Norden Skeleton Coast Park). Also gibt es noch viel zu entdecken.

U n t e r k ü n f t e :
Swakopmund:
A-Frame House (sechs Betten) 170 N$ pro Tag (Tel.: 0026464402807), verschiedene Backpackers, vor Ort erfragen, 14 Hotels (Preise zwischen 50 und 250 N$).
Lüderitz: nur Lüderitz Packpackers, Toya & Steven Louw, e-Mail: toya@ldz.namib.com. Nur wenige Hotels (verschiedene Preise).

A l l g e m e i n e s :
Sprache: 1. Englisch, 2. Deutsch, 3. Afrikaans.
Geld: 3 Namibian Dollar (N$) entsprechen 1 DM. Kreditkarten für Restaurants und Banken, Traveller Check und südafrikanische Rand werden identisch eingesetzt.
Impfungen: Hepatitis empohlen, Malariamittel mitnehmen, Polio.
Surfen: März bis September, Windsurfen: November bis Februar (mit Glück Sommerswell zum Surfen).
Leihwagen: Sehr teuer! Zu empfehlen: Classic Car Hire & Adventure Tours: Dirk & Carmen Louw in Windhoek, e-Mail: ccarhire@iafrica.com.na.
Flüge: Lufthansa, LTU, British Airways. Preis zwischen 1.000 DM und 1.600 DM.
Surfshops: “get wet”, Inh. Siggi und Rod Braby, Ebonystr. 8, Swakopmund – Kramersdorf
Der Shop öffnet nicht täglich und auch nicht für 8 Stunden, aber mit etwas Hartnäckigkeit kommt ihr zu dem Stuff, den ihr dringend benötigt.

text: tom körber
photos: tom körber

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