Für all diejenigen, die wie wir noch nie in Japan gewesen sind, lädt alleine der Gedanke an dieses ferne Land zum Träumen ein. Bunt bemalte Geishas, Reiswein. Sushi-Gerichte verlieren in unseren Köpfen als Klischees ihre Bedeutung und während unseres Fluges werden wir das Gefühl nicht los, in eine fremde Welt einzutauchen. Ganz wie auf einer Weltraumfahrt in Richtung Mars – willkommen in der vierten Dimension!
Narita Airport, Tokyo City: Didier und ich werden von unseren japanischen Freunden empfangen.Ich muss zugeben, dass wir ohne sie auf erhebliche Schwierigkeiten hätten stossen können, denn auch im Zeitalter der Globalisierung ist es für einen Europäer schwer, sich auf Anhieb in diesem fremden Land und seiner Gesellschaft zurechtzufinden. Für viele ist Japan ein fernes Land, in dem die Wellen klein und somit auch nicht der Rede wert sein könnten. Das mag in gewisser Weise stimmen – aber andererseits auch wiederum nicht, denn während der Taifun-Saison von August bis November erreichen die Wellen vor Nippons Küste beachtliche Ausmasse.
Unsere sorgfältig geplante Reise hat das Ziel, die Inseln des südlichen Archipels zu erkunden. Mickey Picon, der sich eine kleine Auszeit von seinem vollen Terminkalender für uns genommen hat, wird uns nach der WQS in Irago dort treffen. Donavon Frankenreiter, Soul-Musiker und Surfer auf Tour, und Tetta Mori, ein junger und sehr talentierter japanischer Surfer, sind ebenfalls mit von der Partie. Der Zeitpunkt ist günstig gewählt, denn wir wussten, dass Japan vor allem zu dieser Jahreszeit immer von tropischen Wirbelstürmen den Taifunen, heimgesucht wird. Hinzu kommt eine sehr hohe tektonische Aktivität, so dass in dieser Gegend mit seinen 30 aktiven Vulkanen regelmässig die Erde bebt.
Am darauf folgenden Tag steigen wir in den Flieger nach Süden. Kaum gelandet checken wir auch schon in einer kleinen Pension ein, entledigen uns unseres Gepäckes, nehmen die Bretter unter die Arme und begeben uns in Richtung des nahe gelegenen Strandes. Die erste angenehme Überraschung: Neopren braucht man nicht, die Wassertemperatur liegt bei 25 Grad. Es ist kein Taifun am Horizont zu erkennen, trotzdem surfen wir einen korrekten Drei-Fuss-Break in smaragdgrünem Wasser, das in seiner Schönheit den uns bekannten paradiesischen Spots in Polynesien oder auf den Malediven in gar nichts nachsteht.
Was wäre das Leben ohne Diskussionen? Wohl ein wahrlich langweiliger Zeitvertreib! Wassersportler sind sozusagen prädestiniert dafür, sich die Spot-Wahl dreimal durch den Kopf gehen zu lassen. Gerettet werden wir erst durch ein Wunder der Technik – SMS: “Elandsbai, 5-6 ft. glassy!” Die Left läuft fast minutenlang, bevor sie bricht. Quirin ist als Erster im Wasser. Sein Stil ist unverkennbar. Robert und Mike sind bereits im Wasser. Die Südafrikaner sind seit Monaten mit ihrem Patchwork-Bus unterwegs und waren so nett, uns morgens von der Diskussion zu befreien. “Jesus will come to everyone” ist in einem kleinen Laden zu lesen. Petrus scheint uns heute aber nicht besuchen zu wollen. Der komplette Ort samt Spot hängt in der Nebelsuppe. “In der Suppe ist nichts zu drehen.” – Frank wird nervös.
Im Verlauf des Abends wird uns von unseren Gästen dann stolz ein Video präsentiert, auf dem zu sehen ist, was für Swell ein Taifun auf die Inseln treffen lassen kann. Eine Left, die neben einem Riesenfelsen bricht und unglaublich saubere Tubes aufwirft, beeindruckt uns besonders. Wenige Meter daneben präsentiert sich auch schon der nächste Break: eine wunderschöne Right, bei der die aus den Tubes rausgepresste Gicht den Druck dieser Wellen erahnen lässt, vergleichbar mit “Box” in Westaustralien.
Man muss dazu sagen, dass dieses Archipel viele verschiedene Breaks zu bieten hat und für diejenigen, die gerne auf Erkundung gehen, gibt es eine Vielzahl an schönen Überraschungen. Einsame Peaks, die danach verlangen, gesurft zu werden, sind keine Seltenheit. Die Tage vergehen schnell, leider ohne dass sich so ein berüchtigter Taifun blicken liesse. Keine G-Land-ähnlichen Killerwellen und nichts mit massivem Swell, denn das Tiefdruckgebiet scheint nicht in den Süden hinunterkommen zu wollen. So bleibt uns nichts anderes übrig, als uns mit guten anderthalb Meter Wellen von ausgezeichneter Qualität in Tebiro Beach, unserem Basis-Camp, zufrieden zu geben, was aber keinen Grund zum Meckern darstellt, im Gegenteil.
Tetta Mori, japanischer Profi-Surfer, der vom Körperbau eher klein und drahtig ist, zeigt uns seinen geschmeidigen Stil. Unsere Reise neigt sich dem Ende zu. Dass wir dieses kleine Paradies, irgendwo verloren im japanischen Meer, verlassen müssen, stimmt uns traurig. Was den Surf angeht, so war das Potenzial der Wellen unverkennbar vorhanden und durchaus ausbaufähig – das letzte Wort ist in diesem Punkt aber noch nicht gefallen… Wir kommen wieder.
Trip-Infos:
Japan ist teuer. Deshalb ist es besser, die Metropolen wie Tokio oder Osaka zu meiden. Die Anreise ist im Vergleich zum Aufenthalt recht günstig, Last-Minute-Angebote gibt es im Internet schon ab 850 Euro. Tokio wird von jeder grossen Fluggesellschaft angeflogen. Board-Transport und Gebühr ist bei den einzelnen Airlines zu erfragen. Für die Einreise genügt ein Reisepass, der noch drei Monate bei Einreise gültig ist. Inlandsflüge sind die schnellste, nicht aber die billigste Variante. Das Bahnnetz ist in Japan sehr gut ausgebaut. Ein Mietwagen kostet rund 250 Euro pro Woche, das Benzin etwa 1,20 Euro/Liter. Die günstigsten Unterkünfte sind die Youth.
Hostels, die leiern euch aber immer noch etwa 30 Euro für eine Unterkunft aus dem Kreuz. Das einheimische Sushi ist unglaublich gut und immer frisch. Eine Portion liegt bei acht bis zehn Euro. Das Klima in Japans südlichem Landesteil ist recht gemässigt. Der Sommer ist warm und durch erhöhte Niederschläge auch feucht. In der Herbstzeit beginnt die Taifun-Saison und das Wasser bleibt ausreichend warm für einen Shorty. Wer auf den Gedanken kommt, ein neues Board in Japan zu kaufen, fällt rückwärts aus dem Laden: Der Preis liegt bei circa 1.200 Euro! Ein Tipp noch: Bringt genügend Visitenkarten zum Tauschen mit.
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