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Travel Stories

Mentawai-Inseln

Mit David Rastovich, Mike Stewart, Tyler Hatzikian, Dan Malloy, Ozzie Wright und Devon Howard versammelten sich ein paar der exzentrischsten Wellenliebhaber des Globus auf einem Boot. Mittendrin Matt Ratt, ein junger Surf-Punk aus Santa Cruz.

Filmemacher Thomas Campbell hatte diese Crew vor den Mentawai-Inseln zusammengetrommelt und besonders für den engstirnigen Surf-Punk sollte der Trip viel mehr sein als nur die Suche nach ein paar anständigen Wellen.

Schon auf den ersten Blick merkte man, dass der Junge noch recht grün hinter den Ohren war. Nicht so sehr, weil er die letzten Stunden damit verbracht hatte, seinen Mageninhalt über die Reling des Wassertaxis zu ergiessen, nachdem sie Padang verlassen hatten. Nein, man merkte es einfach daran, wie er sprach und wie er sich verhielt während der ersten Tage auf unserem Trip, der uns in eine kleinen Ecke des Indischen Ozeans zu recht selten besuchten Inseln führte. Während er die Treppe vom unteren Deck zu den Kabinen hinaufstieg, streckte der drahtige 19-Jährige seine rechte Hand aus und stellte sich vor: „Matt, aber alle nennen mich Matt Ratt!“ – “ Jungs, ihr seid spät dran!“, erwiderte eine freundliche Stimme aus dem Kabinendeck. „Kein Problem, gerade noch rechtzeitig, Matt“, beruhigte ihn ein grosser, breitschultriger Mann mit südafrikanischem Akzent, während er aus dem Steuerhaus herunterkam.

„Ich hab‘ gehört, ihr hattet ein paar Probleme. Schön, euch kennen zu lernen! Ich bin Jock, der Kapitän“, sagte er stolz und streckte seinen soeben eingetroffenen Gästen seine Pranke entgegen. „Wir machen uns sofort auf den Weg. Hier sind zu viele Boote unterwegs. Macht euch schon mal klar für die Reise. Wir sehen uns dann beim Dinner.“ – „F-ck! Ich könnte gut was zu beissen zwischen die Zähne gebrauchen“, antwortete Matt „Ratt“ Schrodetz in seinem schlampigen kalifornischen Surfer-Dude-Akzent. Während er sich den Bauch hielt, setzte er sich und schaute sich seine neue Bude genauer an. „Oh Mann, ich war so was von seekrank. Ich bin froh, endlich hier zu sein. Im Flugzeug war mir schon schlecht und dann diese elende Schaukelei auf der Fähre…“

Matt erkannte ein paar Gesichter an Bord aus Magazinen und Videos. Da waren David „Rasta“ Rastovich und Oscar „Ozzie“ Wright, doch mit Namen wie Tyler Hatzikian und Mike Stewart konnte er nichts anfangen. Andersherum hatte noch niemand etwas von dem weissblonden Surfer aus Santa Cruz gehört, ausgenommen der Mastermind des Trips, Filmemacher Thomas Campbell. Er hatte diese interessante Mischung an Surfern an Bord geholt, um Bilder für seinen nächsten Film zu bekommen. Da ein anderer Gast ihm noch kurz vor Beginn des Trips eine Absage erteilt hatte, blieb Campbell nichts anderes übrig, als diesen Platz mit einer Wild Card zu belegen.

Nach der Begrüssung wurde Matt zu seinem neuen Zuhause geführt, einem durchgesessenen Sofa im Aufenthaltsraum. Wer zuletzt kommt, muss halt mit dem leben, was übrig bleibt. Aber aufgrund seines nervösen Magens war es auch gar nicht so schlecht, dass er nicht weit von der Reling entfernt schlief.

Auf dem unteren Deck packte inzwischen Dan Malloy einen ziemlich langen Karton aus. Der Krach machte Rasta und Matt neugierig und sie schauten sich die Sache von Nahem an. Als Rasta sah, was Dan da auspackte, wurden seine Augen ganz gross. Er nahm sich eine der beiden knallroten, altmodischen Single Fin Mini Guns, geshapt von Gerry Lopez, und sah sie sich genauer an. „Wofür sind die Dinger?“, fragte Matt Ratt, nur um sich im gleichen Moment selbst zu antworten: „Die sind für grosse Wellen, uhh?“ Während seine Hand über das strahlend polierte Gloss Coat fuhr, checkte Rasta den Rocker- und Rail-Verlauf der 7’2″ Gun. „Diese Boards hatten Gerry [Lopez] und seine Kumpels Mitte der 70er auf Hawaii unter den Füssen und waren auch dabei, als sie grosse Wellen an Plätzen wie diesen auskundschafteten“, erklärte er anschliessend. „Und die Dinger funktionieren?“, fragte Matt lieber noch mal nach. „Da kannst du sicher sein, Kleiner. Wir sind auf dem Weg zu einem Spot, an dem sie sogar unglaublich gut funktionieren werden!“, entgegnete Rasta. Dan teilte Rastas Optimismus und so diskutierten die beiden weiter, wie viel Spass diese Shapes in grossen, schnellen Wellen machen würden.

Mit einem etwas ungläubigen Gesichtsausdruck versuchte Matt zu verstehen, warum wohl so viel Aufhebens um diese alten Designs gemacht wurde. Er hatte für das ganze Retro-Zeug und erst recht die Longboards, die viele Surfer in seiner Heimat Santa Cruz gerne hervorholen, nichts übrig. Matt Ratt surfte nur moderne Thruster, und warum sollte er auch nicht? Schliesslich ist er aufgewachsen mit dem Dogma der Surf-Medien, dass das Surfen gefälligst progressiv und wettkampforientiert zu sein habe. Das bringt einen leicht dazu, in nahezu allen Bedingungen mit einem ultraleichten 6’2″er-Thruster rauszugehen.

Nach dem Abendessen wollte Dan wissen, was denn in den letzten zwei Tagen, die er und Matt verpasst hatten, so abgegangen war. Da das Boot noch vor den Mentawai-Inseln warten musste, hatten die Jungs ihre erste Session in der Gegend um „Playground“. Dort holte Rasta das Spielzeug aus seinem Quiverbag, auf das er am neugierigsten war: zwei aufblasbare Surf-Gummimatten. Seit er gesehen hatte, wie Byron Bays exzentrischer Gleiter George Greenough damit regelmässig die Spots in New South Wales‘ Norden unsicher machte, musste Rasta sie unbedingt ausprobieren. So kam es, dass er Matten-Surfen in seine Philosophie „ride everything“, die er seit seinem Ausstieg aus der Contest-Szene vor einigen Jahren aus vollem Herzen befolgt, einfügte. „Ein volles Quiver bedeutet für mich nicht, zehn 6’1″er zu haben, nur damit, falls mal ein paar davon brechen, noch genügend übrig sind. Für mich ist es wichtig, alles dabeizuhaben: Paddleboard, Longboard, Four Fin oder Thruster, Single Fin und Two Fin oder halt eine Matte. Es ist ein klasse Konzept, denn es gibt mir die Möglichkeit, in allen Bedingungen den grössten Spass zu haben“, erklärte Rasta. So war keiner, der ihn kennt, darüber erstaunt, dass er mit zwei Bags mit insgesamt neun Boards – viele davon aus alternativ-umweltverträglichem Material – und zwei Matten an Bord auftauchte.

Mike Stewart, vielleicht der weltbeste „Schaum-Surfer“ aller Zeiten, pumpte Rastas zweite Matte mit ein paar beherzten Luftstössen auf und gesellte sich zu ihm. Der neunmalige Bodyboard-Meister und achtmalige Pipeline Bodysurf Champ hatte keine Probleme mit seinem neuen Untersatz. Ozzie, einer von Australiens kreativsten und akrobatischsten Freesurfern, inspirierte die Session dazu, mit einem seiner „Batmo-Boards“ rauszugehen, die er im Look des Batmobils oder anderer Batman-Spielzeuge designt hatte. Tyler gesellte sich mit seinem superschweren 9’8″ 50/50 Rail Single Fin dazu. Tyler ist bekannt für seinen traditionellen Longboard-Stil, David Nuuhiwas Noseriding und Butch van Artsdalens Verrücktheit in grossen Wellen vereinend. Insider sehen in ihm einen der besten Surfer und Shaper.

Auch wenn Dan und Matt die ersten beiden Tage verpasst hatten, erkannte man doch schon Campbells Idee, solch einen Mix an Surfern zusammenzubringen. Von Ozzies High Speed Turns über Rastas und Mikes tief fliegende Biscuit Rides bis hin zu Tylers traditionellen Longboard-Linien war es eine wunderschöne Perfomance der Kunst, Wellen zu reiten. In den nächsten Tagen des Trips gab es umso mehr unterschiedliche Meinungen und Ideen, wie man das Beste aus den gegebenen Bedingungen herausholen könnte. Boards wurden getauscht, neue ausprobiert. Und mehr als einmal ging man einfach zusammen bodysurfen. Während solch einer Session zeigte Mike ein Manöver, das man selten zu sehen bekommt und den Rest der Crew mit offenen Mündern staunend zurückliess. „Dass Mike einer der besten Bodyboarder der Welt ist, wusste ich, dass er Cutbacks beim Bodysurfing draufhat, wusste ich nicht…“, staunte Ozzie kopfschüttelnd über das gerade Erlebte.

Nach dem Dinner machte sich das Boot endlich auf den Weg – zehn Boote in dieser Gegend waren mehr als genug Gründe, um sich davonzumachen. Während der Kahn im Takt der Wellen dahindümpelte, holte einer ein Stück Karton und legte es in die Mitte der Lounge Area. Rasta und Ozzie kramten ihre ansehnliche Stiftesammlung hervor und schon bald waren alle damit beschäftigt, eine „Acid -Trip-Collage“ auf den Karton zu bringen.

Dies passierte so gut wie jeden Abend und dabei gab es mehr als einmal interessante Diskussionen über Surfboard-Designs, Kunst, Politik, Kultur und natürlich über esoterische Ideen zum Thema Wellenreiten. Am nächsten Morgen, nach endlosen Reisetagen und unzähligen Stunden mit dem Geschmack seiner Galle auf der Zunge, sollte Matt Ratt endlich eine Atempause bekommen. Das Boot ankerte vor einer Kette namenloser Inseln. Da nicht viel Swell lief, wurde das Beiboot mit einer Hand voll Single Fin Longboards beladen, um eine nahe gelegene kleine Hoffnung auszukundschaften.

Matt sprang mit seinem Standard-Shortboard ins Boot, Ozzie mit einem fetten Quad Tail. Matt war der Erste im Wasser. Doch er hatte Probleme, auf den kleinen Wellen anständige Manöver hinzubekommen. Währenddessen zogen Dan, Rasta und Tyler nahezu schwerelos an ihm vorbei und verpassten ihm in den nächsten zwei Stunden eine erstklassige Lektion in Sachen Longboarding. In der Gegend in Kalifornien, aus der Matt Ratt stammt, gelten Longboards als untrügliches Zeichen dafür, dass man nicht surfen kann. Doch das erste Mal in seinem Leben musste er zugeben, dass sie in Wellen wie diesen absolut Sinn machen. Auch Ozzie stand in seinem Leben höchstens ein-, zweimal auf einem Longboard. Doch nach seinem ersten astreinen Ritt nach einem Board-Tausch mit Dan war er ziemlich angefixt davon: „Es ist verrückt, dieses Noseriding, es sieht aus wie Magie! Man ist superschnell unterwegs und steht dabei auf der Nase – und das alles im Einklang mit der Welle.“

Fischen, Bodyboarding, Longboading, Matten-Surfen, Bodysurfen – was ging hier ab! Matt konnte kaum glauben, dass diese Surf Freak Show wirklich echt war, und hatte hart daran zu arbeiten, was er bisher gesehen hatte und gestern hörte. Ohne es schon zu wissen, genoss er ein spielerisches, unkonventionelles Beispiel dafür, auf wie viele Arten und mit wie viel unterschiedlichem Equipment Wellen geritten werden können.

Kurz vor dem Einschlafen warnte Rasta den Rest der Crew: „Dienstags esse ich nichts und sage nichts.“ – „Das ist nicht dein Ernst..!“ Matt Ratt streifte Rasta mit einem entsetzten Blick. „Es ist nicht gesund, nichts zu essen!“ – „Wirklich, Grommet? Fasten ist perfekt, um deinen Körper zu entschlacken. Viele Kulturen machen das seit tausenden von Jahren.“ – „Oh, davon weiss ich nichts. Aber nichts zu sagen..?“ – „Es ist nur eine Sache der Disziplin. Ich glaube, man muss nicht immer reden. Es verbraucht viel Energie. Ich denke einfach, es ist gesund, dem Körper einen Tag Pause zu gönnen.“ Die Diskussion ging noch eine Weile hin und her und am Ende hatte Matt immer noch einen ungläubigen Ausdruck im Gesicht.

Wie immer war Rasta als Erster am nächsten Morgen wach, um seine zwei Stunden Atemübungen und Yoga zu praktizieren. Wie auch immer es dies schaffte, er liess das Frühstück aus und sagte nichts, nickte nur oder schüttelte den Kopf, wenn man ihn ansprach. Zuerst war es hart, nicht darüber zu lachen, doch mit der Zeit gewöhnte man sich daran.

Die Anker wurden gelichtet, um auf der anderen Seite der Insel den Swell zu checken. Oh ja, es hatte Swell. Sehr guten Swell! Den ganzen Tag tobten sich die Jungs in einer Welle aus, die vor allem Dan völlig aus dem Häuschen brachte: „So eine Welle suche ich schon seit Jahren in Indo. Es ist eine Mischung aus ,Lower‘ und ,Purpukea‘.“

Am nächsten Morgen erwischte eine heftige Regenfront unser Boot auf dem Weg zu ein paar anderen Inseln. Schnell ankerte der Kapitän in einer geschützten Bucht. Hier lernte Matt eine gute Lektion in Sachen Zusammenleben auf engem Raum. Am Abend sass er am nächsten an der Schiebetür, die irgendjemand offen gelassen hatte. Rasta bat ihn, sie zu schliessen, um keine Mücken reinzulassen. In einem Anflug von Trotz antwortete Matt, dass Rasta das doch selber machen könnte. Kurz danach revanchierte sich Rasta während des Abendessens dafür. „Hey, Rasta, reichst du mir bitte mal das Brot?“, bat Matt. „Hmm, vielleicht solltest du um den Tisch laufen und es dir selber holen…“, antwortete Rasta. Nach einer langen plötzlichen Stille, kurz bevor Matt aufstehen wollte, um sich das Brot zu holen, reichte Rasta es ihm. „Matt Ratt, keiner will dich herumkommandieren. Aber wir sind auf einem Boot. Alle zusammen. Also, warum sollten wir uns nicht gegenseitig helfen?“ Verblüfft über Rastas unverschämte Ehrlichkeit nickte er lächelnd. Von diesem Abend an war Matt ohne Frage um einiges umgänglicher. Endlich lichteten sich die Wolken und die Reise konnte weitergehen.

„Eine Left, endlich!“, platzte es aus Tyler, dem Ruhigsten der Crew und einer der drei Goofy-Footer an Bord, die lange warten mussten, um ihr Gesicht zur Welle drehen zu dürfen, beim Anblick des nächsten Spots heraus. „Zeit für ein paar Airs – lasst die Ozzie- und Matt-Ratt-Show beginnen!“ Die nächsten paar Tage verbrachten wir an dieser einsamen „Macaroni“-ähnlichen Left, ohne eine andere Menschenseele zu sehen. „Es ist eine unglaubliche Welle, aber für Aerials ist sie zu perfekt“, versuchte Matt, seine Enttäuschung darüber, die wenigsten seiner Aerials zu stehen, in Worte zu fassen. Nach ein paar Witzeleien der anderen holte er schliesslich seine drei Millimeter dicken Winterschuhe heraus. „Ohne die Dinger kann ich keine Airs“, lachte er. Ozzie war mit Matt einer Meinung über die Bedingungen. Er surfte unzählige Barrels, feilte an seinen Open Face Carves, doch er sagte, er sei nicht richtig motiviert zum Abheben. „Wenn es perfekt ist oder ich einfach müde bin, ist es schwer, Aerials zu ziehen. Hier ist es perfekt und da möchte ich Barrels kriegen oder fette Turns machen. Es ist eine Kopfsache. Airs sind einfach besser in schlechten, windverblasenen Close-out Beachbreaks: Der Wind macht die Lippe steiler und so zu einer besseren Rampe und der Wind hilft dir bei der Landung.“

Die Jungs dachten laut darüber nach und am nächsten Morgen kam er tatsächlich: leichter Onshore-Wind. Doch zumindest was Ozzie betraf, fehlte noch ein Element. Er kramte ein Rushgard und eine peruanische Tiermaske aus seinem Rucksack, schnappte sich zwei Plastiktüten, nahm eine Schere, ein paar Kabelbinder und bastelte sich ein improvisiertes Outfit für die kommende Session. Bevor er aus dem Beiboot ins Wasser sprang, schlug er ein paar Mal mit seinen neuen Flügeln, lächelte irre und sagte mit einem verrückten Ton in der Stimme: „Batsuits sind perfekt zum Fliegen!“ Wie ein Superheld verwandelte sich Ozzie so von einem gelassenen Tuberider zu einer hoch fliegenden Fledermaus. Angesteckt von dem Anblick, dass Ozzie mit jedem Air noch ein Stückchen weiter und höher flog, fand auch Matt Ratt endlich seinen Rhythmus.

Selbst Tyler tauschte sein Longboard gegen ein 5’10“ Twin Keel Fin Fish und begann zu fliegen. Matt: „Ozzies Surfing heute war wirklich inspirierend. Aber noch mehr war ich überrascht von Tyler: Den ganzen Tag holte er sich Barrels auf der Nase seines Longboards – und dann schnappt er sich ein Fish und springt fette Airs!“ Kurz stockend und noch mal nachvollziehend, was er da in den letzten Tagen erlebt hatte, redete Matt weiter: „Viele Kids in meinem Alter würden das hier nicht für den Traum-Boat-Trip halten. Einige würden das Ganze sogar langweilig finden. Für mich ist es mit das Beste, was ich bis jetzt erlebt habe. Es ist unglaublich, wie sich alle gegenseitig pushen, ganz egal auf welchem Board man gerade unterwegs ist.“ Keiner sagte etwas darauf, aber später meinten einige, dass dies wohl der Moment war, in dem der Sinneswandel des Kids begann, das noch ein paar Tage zuvor eine unglaublich eingeschränkte Sicht aufs Surfen hatte.

Zwei Stunden vor Mittag wurden die Motoren wieder gestartet. Der Swell hatte deutlich zugelegt. Es war ein Dienstag, der letzte volle Surf-Tag vor der Heimreise, und jeder hoffte auf eine letzte unvergessliche Session. Die nächste Left sollte die besten Barrels des ganzen Trip bieten, doch schon kurz nach dem ersten Ritt zerstörte ein höllischer Wind den Traum. „Schade, dass es nicht länger gehalten hat, das waren die grössten Wellen, in denen ich je gesurft bin“, sagte Matt mit einem stolzen Grinsen auf dem Gesicht. „Hey, Jock, wie weit sind wir von der Rechten entfernt – die für die Boards von Gerry..?“, fragte Dan. „Nicht weit, vielleicht eine halbe Stunde. Aber vielleicht ist sie total verblasen und wir haben noch 20 Stunden vor uns bis zum Hafen.“ – „Lass es uns versuchen, Jock!“ – „Okay, es ist ja kein grosser Umweg.“

Bei voller Fahrt bogen wir um ein kleine Insel, als wir am Horizont fette Berge von Weisswasser erkennen konnten. „Das ist die Welle, sie läuft!“, hörte man noch von Dan, bevor er sich daranmachte, seine Boards zu holen. Ohne einen Surfer im Wasser war es schwer zu schätzen, aber dreifach kopfhoch war eine vorsichtige Aussage über die Grösse der Welle. „Fuck, habt ihr das gesehen?!“, kam es von Matt, der nicht ganz sicher war, ob er sich freuen sollte oder lieber seine Shorts checken… „Ich bleib‘ an Bord. Raus mit euch! Meine Boards sind eh zu klein“, sagte er selber lachend über seine Ausrede.

Dan und Rasta hatten während des Trips schon ein bisschen mit Gerrys Board herumgespielt, aber das hier war der echte Test. Alle Elemente, auf die sie gewartet hatten, kamen zusammen. Auf einer absurd grossen Welle machte Dan einen frühen Takeoff, legte sein Gewicht übers Rail und surfte seine erste Barrel absolut perfekt. Danach brachte Rasta seinen Körper auf einer geraden Linie zum Bottom Turn niedrig über das Board und schoss die Welle wieder hinauf in eine fette, überkopfhohe Barrel. „Wie unglaublich gut ist das!“, schrie Rasta nach dem Ritt schwer atmend heraus. „Ich dachte, du sagst heute nichts?“, antwortete Dan. „Man darf im Leben nicht zu strikt sein, manchmal muss man Ausnahmen machen“, lächelte Rasta. In den nächsten fünf Stunden zeigten die beiden einen unglaublichen Ritt nach dem anderen. Für Dan war es wie eine Zeitreise, auf diesem Single Fin zu surfen: „Es könnten heute die frühen 70er sein. Wir leben es und müssen es uns nicht in einem alten Film oder Magazin ansehen.“ – „Für mich haben diese Boards nichts mit Retro am Hut. Es ist ganz einfach Power Surfing“, schätzte Rasta die Möglichkeiten der Boards ein. „Sobald du startest, fühlst du die Kraft der Welle und das Board richtet sich aus. Ich gebe ganz wenig Input, das Board gibt mir die Richtung vor.“

Matt Ratt schaute sich an diesem Abend den Sonnenuntergang an. Seine Gedanken beschäftigten sich offensichtlich mit dem, was er in den letzten Tagen alles erlebt hatte. Danach traf er sich mit den anderen am Essenstisch zu einer Abschiedsrunde eiskaltem Bintang-Bier. Er war nicht mehr der gleiche Junge wie der, der vor einer Woche an Bord gekommen war. Er strahlte Ruhe aus, war nicht mehr so verschlossen und wirkte einfach zufrieden mit dem, was er ist. Das erklärte, warum er vor allen anderen freimütig offenbarte, wie viel Eindruck dieser Trip bei ihm hinterlassen hatte: „Selbst wenn wir keine einzige Welle gehabt hätten, jeder Penny, den ich in diesen Trip investiert habe, war es wert. Vor diesem Trip sah ich Surfen als selbstverständlich an. Doch wenn ich jetzt nach Hause komme, werde ich nicht mehr sauer über zu kleine Wellen sein oder angeätzt, wenn es keinen Surf gibt. Auch wenn einige Leute ihre Spässe darüber machen werden, ich besorge mir ein Longboard und ein Fish! Und wenn es dafür gute Bedingungen gibt, werde ich rausgehen, anstatt an Land zu stehen und rumzumaulen.“

Auch wenn er es sich vorher nicht hätte ausmalen können, dass so etwas in Indo mit ihm passieren würde, erklärte Matt, dass ihn dieser Trip komplett verändert hätte und ihm hier eine neue Energie und neue Perspektiven des Surfens offenbart wurden. Matt hatte von jedem seiner Reisekumpels etwas gelernt. Und ironischerweise wurde er am meisten von jemandem beeinflusst, der auf der anderen Seite seiner Weltanschauung des Surfens steht: „Rasta mit seinem Fasten und seinem Yoga hat mich am meisten beeindruckt. Ich hätte nie gedacht, dass es so viel ausmachen würde, doch zu sehen, wie tief er seine Bottom Turns zieht und wie er seine Backside Roundhouses über die Kante des Boards fährt, hat mich davon überzeugt, zu Hause auch mal solche Sachen auszuprobieren.“

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