Dominikanische Republik: Wind und Wellen inklusive – Eingefleischte Travel Surfer verziehen gerne angewidert das Gesicht, wenn man ihnen mit der Dominikanischen Republik kommt. Doch halt, zwischen Touristennepp und Pauschaltourismus verstecken sich noch jede Menge ungeschliffene Spot-Diamanten. Ein wenig suchen und schon glänzen sie in seltener Pracht…
Bis heute hat man zumindest an der Atlantikseite der Dominikanischen Republik eher das Gefühl, nicht in der Karibik, sondern in Südamerika zu sein. Die weiten Lichtungen, auf denen Rinder grasen, sowie die wenigen noch erhaltenen Königspalmen-Gruppen erinnern uns an Costa Rica. Das saftige, fast schon unanständige Grün der Wälder und Pflanzen an Ecuador. Die einfachen, an den Strassenrand gebauten Holzhütten, der überall getanzte Merengue, die spanischsprachige Bevölkerung erinnern an Hispaniolas Vergangenheit.
Fast 500 Jahre, nachdem Kolumbus auf Hispaniola landete, gibt es in der Dominikanischen Republik noch immer viel zu entdecken. Entlang der Küste liegen die Secret Spots wie an der Schnur aufgezogene Perlen. Von den Locals werden sie geheim gehalten. Wenn man einen guten Surf will, ist man auf seinen Instinkt angewiesen.
Schon seit fast einer Stunde quälen wir uns durch den dichten Dschungel. Nur mit Mühe können wir dem überwucherten Pfad folgen. Wir laufen parallel zur Küste, um eine verdächtig gut aussehende Bucht zu checken. In weiter Entfernung konnten wir Weisswasser erkennen.
Vielleicht finden wir einen Traumspot. Im Augenblick können wir das Meer, 50 Meter unter uns, nur riechen, so dicht laufen wir an ihm entlang. Plötzlich ein lauter Fluch. Thore greift sich an den rechten Unterschenkel. Er ist von irgendetwas gestochen oder gebissen worden. Vom Täter ist weit und breit nichts zu sehen – sofern dies im dichten Wald überhaupt ginge. Kurz darauf breitet sich um den Stich eine rote, harte Schwellung aus. Nach einer kurzen Pause gehen wir weiter – in der Hoffnung, dass es nichts Ernstes ist.
Die letzte Hürde ist der Weg nach unten. Ungefähr zehn Meter Abstieg liegen vor uns. Der Boden ist feucht und mit losen Steinen übersät. Die Kletterei endet in einem kleinen Flussbett, das wiederum in den Atlantik mündet. Unsere Vermutung bestätigt sich. Wir finden einen kräftigen Righthander, der mehr Power hat, als wir dachten.
Surfen in der Dominikanischen Republik hat bereits Tradition, wenn auch erst eine jahrzehntelange: “Surfen startete hier während der Revolution im Jahre 1965”, erklärt uns Gustavo Alvarez, ein Gründungsmitglied der Dominican Surfing Association am Strand von Encuentro. “Amerikanische Soldaten brachten ihre Boards aus der Heimat mit. Das war am Red Beach, wo die Truppen damals landeten. So begann alles.”
Encuentro ist für uns wie auch für alle anderen bei Sonnenaufgang die erste Adresse. Wenn hier nichts läuft, ist es schwer, eine surfbare Welle zu finden. Doch wehe, wenn die Left läuft. Dann nimmt sie Pipeline-Ausmasse an – keine Übertreibung.Der richtige Swell lässt aber auf sich warten.
“Die beste Zeit ist von Januar bis April”, erklärt Gustavo. “Ich habe Encuentro schon bei dreifach kopfhoch gesurft. Die Left arbeitet aber nur bei kräftigem Nord- bis Nordwestswell. Encuentro ist die beständigste Welle in der Dominikanischen Republik.” Aber auch mit nur “halb richtigem Swell” wird es schnell, zu schnell voll auf dem Wasser. Nach kurzer Zeit befinden sich mehr als 20 Surfer am Peak. Nichts für uns. Wir sind hierher gekommen, um neue, selten gesurfte Wellen zu finden.
Nach einigen Tagen kündet sich ein neuer Swell an – bis zu sechs Fuss. Bei uns breitet sich neue Entdeckerlust aus. In Playa Grande werden wir fündig. Wir finden einen nicht hohen, aber gut surfbaren Beachbreak. Mittlerweile ist auch der Swell an der Küste angelangt. Leider ohne Druck. Thore, Björn, Henning und Ole müssen in durchschnittlichen Wellen Überdurchschnittliches leisten.
Einer unserer Lieblingsspots heisst “Don Carlos”, etwas ausserhalb von Cabarete gelegen. Ein Beachbreak, der an mehreren Stellen bricht. Beide Righthander sind vom Timing nicht ganz einfach. Zumindest so lange nicht, bis wir herausfinden, dass beide je nach Tide unterschiedlich arbeiten. Wenn man von dem extrem weit draussen liegenden Riff in der Cabarate Bay absieht, kann man dort als Windsurfer gute Bedingungen vorfinden. Allerdings ist es wie mit den Surf Spots: Die wirklich guten muss man sich erarbeiten.
Da, wo alle windsurfen, ist es meist eher durchschnittlich. Unsere Erfahrungen beziehen sich nur auf den nordöstlichen Teil der Dominikanischen Republik, tendenziell eignen sich aber viele Surf Spots auch zum Windsurfen. Allerdings erst ab Mittag, wenn der Wind einsetzt. Die besten “Windsurfmöglichkeiten” bieten sich mitunter an einer der vielen Strandbars in Cabarete.
Dort schwärmen die Beach Boys den andächtig lauschenden Amerikanerinnen die tollsten Manöver vor, alleridngs oft nicht mit dem gewünschten Erfolg. Nach einer halben Stunde scheinen die Damen oft eher gelangweilt und der Held bleibt allein zurück. Um Sekunden danach gleich sein nächstes Opfer zu beeindrucken. Ein Schauspiel, das man sich wirklich nicht entgehen lassen sollte. Das ist schon das Interessanteste an Cabarete. Es sei denn, man steht auf überfüllte laute Strassen inklusive Touristennepp. Wie so oft wird dieses Klischee dem Land nicht gerecht.
Die Dominikanische Republik hat für Surfer und Windsurfer ein ungeheures Potential zu bieten, dass es mehr als einen Trip braucht, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Obwohl wir für hiesige Verhältnisse “schlechte Bedingungen” vorfanden, waren wir jeden Tag auf dem Wasser und konnten surfen. Jedoch gibt es entlang der Küstenlinie noch unzählige Plätze, die bisher nicht einmal von den Locals gesurft werden.
Menschenleere Buchten mit überhängenden Klippen, Höhlen auf Wasserspiegelniveau – die Insel bietet genug, um sich fast überall als Entdecker zu fühlen. Abseits des Massentourismus hat sich die Dominikanische Republik ihr eigentliches Gesicht bewahrt. Sie ist geprägt von einsamen Landstrichen, von milden tropischen Meeresbrisen, von herzlichen Menschen und einer wilden Schönheit. Ein ungeschliffener Diamant – a Caribbean gem.
text und photos: tom körber
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