Na, wer hätte das gedacht! Man kann doch mehr in der Dom. Rep. machen, als am All-inclusive-Buffet fett zu werden und englische Touristen dabei zu beobachten, wie sie mit einheimischen Boardsteinschwalben anbändeln. Antony Colas erzählt uns, warum es sich lohnt, beim nächsten Stopp im Touristenparadies das Surfbrett mitzunehmen.
Eigentlich habe ich mich immer geweigert, in die Karibik zu fliegen. Nicht weil weisse Strände, Cocktails und Steeldrums nicht mein Ding wären, sondern weil sie in Sachen Wellen nicht gerade den besten Ruf hat. Kleine und oft verblasene Swells plus hohe Lebenserhaltungskosten schreckten mich ab. Zwar ist es kein Geheimnis, dass im Winter Inseln wie Puerto Rico, Guadeloupe, Barbados und auch die Nordküste der Dominikanischen Republik dicke und gute Wellen durch Nordatlantik-Stürme abbekommen, doch im Sommer? Keine Chance! Irgendwie schaffte es meine Freundin trotzdem, mich zu genau dieser Jahreszeit herzulocken. Nachdem das Ticket für Juni gebucht war, fiel mir plötzlich ein Trip ein, den ich vor 20 Jahren gemacht hatte. Damals scorte ich einige heftige Wellen an der Karibikseite Costa Ricas. Wellen wie vor Bocas del Toro in Panama oder Puerto Viejo vor Costa Rica haben genau im Sommer (Juni bis August) ihre Prime Time. Ob man es glaubt oder nicht, heftige Stürme über Kolumbien können Zehn- bis Zwölffusswellen vor Costa Rica produzieren. Und wer schon mal „La Salsa Brava“ bei Puerto Viejo an einem guten Tag gesurft hat, der weiss, dass auch die kleine Karibik Wellen produzieren kann, die einen das Fürchten lehren können – und ich spreche aus Erfahrung! Also versuchte ich, das Beste aus meiner Situation zu machen, und steuerte die Südküste der zweitgrössten Insel der Karibik an.
Die Nordküste bekommt im Winter wie gesagt gute Wellen ab und Orte wie Encuentro bei Cabarete oder Preciosa in der Nähe von San Juan werden überflutet von Surfern aus den USA, Puerto Rico oder Europa. Cabarete hat sich zudem zu einem Weltklasse-Kite-Revier gemausert. Aber die Südküste ist noch recht unerforscht, was Wellen angeht. Nahe der Hauptstadt Santo Domingo und nur wenige Minuten vom Las Americas Airport entfernt liegt der Spot La Baya. Von dem Spot erfuhr ich, als ich hörte, dass sich eine Gruppe Locals für die Welle stark machte, da Ausbauarbeiten des anliegenden Containerhafens den Spot zu zerstören drohten. Auf der langen Rechtswelle kann man schon mal ein gutes Dutzend Locals finden. Um dort zu surfen, nistet man sich am besten im Urlaubsörtchen Boca Chica ein. Hunderte von Touristen trinken hier an einem grossen Strand braunen Rum und lauschen der landestypischen Tanzmusik. Dort findet man Hotels für jeden Geldbeutel, Restaurants, gute Tauchreviere und, wenn man will, auch Eins-a-Striplokale.
Für mich mehr interessant: die Südküste der Provinz Barahona in der Nähe der haitianischen Grenze. Dort trifft eine Bergkette auf den türkisfarbenen Ozean in einer nur sehr dünn besiedelten Region. Auf einer 30 Kilometer langen Strasse zwischen Bahoruco und Los Patos fährt man entlang wunderschöner Flussmündungen, dichtem Dschungel, unberührter Natur, türkisem Wasser, traumhaften Stränden und niedlichen bunten Dörfchen. Man hat nicht viel Auswahl zwischen Low-Budget-Guesthouses und High-End-Hotels. Eines dieser High-End-Hotels ist die „Casa Bonita“, die Ausblick über den besten Spot der Gegend gewährt. Der Rivermouth Break Bahoruco hat bei richtigem Swell ein paar hohle Sections, die immer wieder surfbare Barrels schmeisst. Wenn man auf der Hauptwelle surft, hat das Wasser tropische 26 °C. Aber paddelt man etwas nach rechts auf die andere Seite der Flussmündung, wo das frische Bergwasser in das Meer fliesst, hat das Wasser gerade mal 19, 20 °C, was einen echten Unterschied ausmacht. Es gibt einige Einheimische, die hier surfen, aber in der Regel erst abends. Daher steht dir dieses Paradies oft ganz alleine zur Verfügung.
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