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Travel Stories

Cook Islands

Schnapp dir eine Landkarte. Nun suche Tahiti. Irgendwo, nur einen Fingerbreit von einer der am meisten fotografierten Wellen der Welt entfernt, befindet sich die am wenigsten fotografierte …

Sie liegt an einem Ort, der, falls es von dort so etwas wie eine Touristenbroschüre gäbe, garantiert mit “unberührtes Abenteuer” umschrieben würde. Im Gegensatz dazu nennt es der Pro-Surfer neben mir, der nun seit 15 Stunden so gut wie ununterbrochen gelbes Zeug über die Reling kotzt, “das Schlimmste, was ich je in meinem Leben gemacht habe!”

Schon der Flug hierher war alles andere als ein Zuckerschlecken. Die Lady neben mir wedelte sich wie verrückt mit der Sicherheitskarte aus ihrem Sitzfach Luft zu, als sie ein erneuter Brechreiz überkommt. In der anderen Hand für alle Fälle parat: eine zusammengeknüllte Kotztüte. Sie hat diesen “Ich reiss mich zusammen”-Ausdruck im Gesicht, es würde also nicht mehr allzu lange dauern…

Darüber hinaus trug der Kapitän mit seinen immer wiederkehrenden Durchsagen “Achtung, wir haben gefährliche Turbulenzen! Bitte bleiben Sie auf ihren Plätzen angeschnallt!” nicht gerade zu ihrer Beruhigung bei. Nicht mal der abgeklärte Ton in der Stimme des Kapitäns konnte uns Passagieren die Angst nehmen.

“Okay, das wär’s dann wohl! Was für ein Dreck: Jetzt sind wir so weit geflogen, nur um ein paar Kilometer vor unserem Ziel ins Gras zu beissen.” Ich schaute aus dem Fenster, und was ich sah, liess meine Eier auf Erbsengrösse schrumpfen: Der Flügel unseres Flugzeugs wackelte, als wären er aus Pudding, und es schien nur eine Frage der Zeit, bis er abbrechen und wir ins Wasser trudeln würden. Alles Mögliche ging mir durch den Kopf: Sachen, die ich gerne noch gesagt hätte, Dinge, die ich immer schon machen wollte, und die Frage, was wohl in der Surf-Welt über unseren Absturz berichtet werden würde. Irgendwie beruhigte mich dieser Gedanke und ich begann, mich zu entspannen.

Soll doch kommen, was will – ich machte einfach wieder die Augen zu. Schliesslich waren Makua Rothman, Mark Healey, Marcus Hickman, Mitch Coleborn, Andrew Mooney, Randall Paulson und ich schon über 20 Stunden unterwegs.

Von Honolulu und Australien ging es nach Neuseeland, dort dann ein neun Stunden langer Aufenthalt, weil unser Flug verschoben wurde, und nun das hier.

Doch nach 60 Minuten Geschaukel und Gewippe hatten wir entgegen allen Erwartungen wieder festen Boden unter den Füssen. Die Zollkontrolle auf Rao war nicht der Rede wert, ein nettes “Wie geht’s? Wie war die Reise? Schönen Aufenthalt, Sir!” empfing uns. Ganz im Gegensatz zu ihren nicht weit entfernt arbeitenden französischen Kollegen schien den Jungs hier der Job wirklich Spass zu machen.

Wir hatten zweimal die Datumsgrenze überquert bei dieser Reise, weswegen es nicht verwunderlich gewesen wäre, wenn wir ein wenig verwirrt und desorientiert ein paar Daten durcheinander geworfen hätten. Witzigerweise war es dann aber unser Kumpel, der uns abholen sollte, der ein paar Sachen nicht auf die Reihe bekam. Da er dachte, wir kämen erst am nächsten Abend, erwischten wir ihn, als wir ihn endlich an der Strippe hatten, mitten bei einem gemütlichen Barbecue. Endlich, eine Stunde später, sanken wir in die herbeigesehnten Kissen.

Am nächsten Morgen sollte unser Trip erst so richtig losgehen. Rauf auf den Katamaran “Bounty Bay” mit keinem geringeren Ziel, als ein paar jungfräuliche Wellen im Südpazifik zu finden.

Auf See

Wenn es um das Meer geht, gibt es nur eine Sache, vor der ich richtig Schiss habe: Seekrankheit. Hat sie dich erst mal erwischt, gibt es kaum noch etwas zu retten, vor allem wenn du noch zwei Tage auf See vor dir hast. Diesmal dachte ich, ich wäre safe, hatte ich mir doch dieses superneue “Relief Band” besorgt, das aussieht wie eine Uhr und auch am Handgelenk betragen wird. Mit Hilfe elektrischer Impulse soll es selbst die schlimmste Landratte problemlos in einen mit allen Wassern gewaschenen Seemann verwandeln und alle aufkeimenden Symptome von Übelkeit von ihm fern halten. Leider stand nicht dabei, dass es maximal eine halbe Stunde funktioniert…

Der erste Kotzanfall war nur der erste in einer langen Reihe von Dominosteinen, die in den nächsten Tagen nacheinander umfallen sollten. Als es den Ersten von uns erwischte, war der Damm gebrochen und wir hingen alle über der Reling: Mitch machte den Anfang, was mich so richtig auf den Geschmack brachte, und Tim, unser Video-Mann, wollte mir in nichts nachstehen. Wir beide boten eine unglaubliche Show in bester Stereoqualität. Wenigstens gab es so niemanden, der zu allem Überfluss noch in der Lage gewesen wäre, die Videokamera zu bedienen… Am Anfang machte ich mir noch Mut damit, dass ich dachte: “Besser jetzt ein paar Mal heftig und dann ist das Ganze vorbei!”

Doch leider hörte es nicht wieder auf. Wir benahmen uns die nächsten beiden Tage wie eine Horde hyperaktiver Kinder, die ihr Ritalin seit ein paar Wochen nicht mehr bekommen hatten. Ich erinnere mich noch, wie glücklich ich war, als ich mich vor dem Ruderhaus auf einer kleinen Matte zusammenrollte, um ja nicht mehr nach unten in die Schlafkojen abtauchen zu müssen.

So gut wie allen anderen erging es ähnlich. Gegen drei Uhr nachts hatte der Kapitän uns alle an die frische Luft verfrachtet. Diese Nacht war eine der schlimmsten in meinem Leben und die anderen waren da mit mir einer Meinung! Unsere Reise bis zum Aussenriff dauerte etwas mehr als 20 Stunden. Kein Wunder, dass ich – endlich am Ziel! – ein totales Wrack war.

Dass der Kapitän 100 Kästen bestes australisches VB-Bier zu einer der auf dem Weg befindlichen Inseln bringen sollte, machte unser Leiden vollkommen. Aufgrund des unerwartet heftigen Seegangs konnte er das flüssige Gold nicht ausliefern. Doch obwohl es mehr als ausgereicht hätte, um die gesamte Surf-Crew der Mentawais in den siebten Himmel zu befördern, durften wir uns auf gar keinen Fall ein Fläschchen davon genehmigen. Nein, uns blieben lediglich ein paar sehr, sehr dürftige neuseeländische Hopfenerzeugnisse als Trost – in einer Qualität, nach der man am liebsten seinen Rüssel in einen frische Schüssel Kava tauchen würde.

Hier draussen auf dem Atoll blies der Wind unerbittlich. Klar, es hatte Swell, keine Frage, doch er wurde von den Böen fein säuberlich zerblasen. Windsurfer hätten ihre wahre Freude daran gehabt, doch an Surfen war erst gar nicht zu denken. Graue Wolken hingen über unseren Köpfen und nach drei solcher Tage, die nur von ein paar Angelrunden unterbrochen wurden, liessen wir unser Beiboot zu Wasser. Wir wollten der Insel einen Besuch abstatten. Da es keine Lagune oder Ähnliches gab, musste man das Boot vor dem Riff ankern und die letzten Meter zur Insel schwimmen – nicht gerade die ideale Art der Fortbewegung, um eine Kamera mitzuschleppen.

Der Ort war wild, völlig unberührt. Wir spazierten am Strand entlang und waren beeindruckt von den Massen an Muscheln und Seevögeln, die hier ihre Heimat haben. Doch als wir uns der nordwestlichen Spitze der Insel näherten, konnten wir die Augen kaum noch vom Wasser nehmen: Der Peak, den man vom Boot aus nicht sehen konnte, faszinierte uns. Ich war ja der Meinung, dass dies alles nur ein Traum sein könnte, so eine Art Robinson-Crusoe-Illusion, denn keiner von uns hatte bisher auch nur annähernd ähnlich gute Wellen vom Boot aus entdeckt. Und auch aus der Nähe betrachtet liefen noch fette Lefthander über das Riff. Es sah aus wie ein tropisches, etwas chaotisches J-Bay. Wir konnten schwer sagen, wie gross es war, da natürlich kein Mensch im Wasser war. “Acht Fuss!”, schätzte Tim. “Eher zwölf bis 15!”, so mein Tipp. Allerdings sah es chaotisch aus und nur ein paar Wellen hatten diese Grösse.

Trotzdem waren wir heiss darauf, den Spot zu checken. Als wir am Abend wieder auf dem Boot ankamen und den anderen von unserer Entdeckung berichteten, ernteten wir nicht viel mehr als ein paar äusserst skeptische Blicke.

Endlich änderte sich das Wetter und es ist schon erstaunlich, was so ein bisschen Sonnenschein ausmacht. Vor allem wenn man sich gerade eine Woche auf hoher See befunden hat!

Die erste Session

Ohne lange zu zögern, schnappten sich die Jungs ihre Boards und paddelten in einige zwar immer noch etwas verblasene, aber bei weitem nicht mehr so bedrohlich wirkende Brecher. Man konnte sehen, dass sie es nicht leicht hatten, doch sie holten alles aus den Wellen heraus und wir hatten endlich unsere erste Session im Kasten. Als der Wind dann noch etwas zunahm, hatten alle erst einmal genug und wir machten uns auf den Weg zu einer anderen Insel. Wir hatten Blut geleckt und hofften auf mehr Wellenausbeute…

Ein langer, tiefer Schlaf und ein kurzes Frühstück später tauchte sie im Sonnenlicht auf: Noch nie hatte eine Insel so schön ausgesehen! Kaum waren wir um ihre Leeseite herum, trafen wir auf flüssiges Gold. Die Bretter wurden gewachst mit der süssen Vorfreude auf richtige Wellen im Gesicht. Wie bei so vielen anderen Trips hatten wir die Wellenhöhe unterschätzt. Marcus schnappte sich die erste echte Welle unseres Trips, eine solide Fünf- bis Sechsfuss-Barrel. Von da an war keiner mehr zu halten. Das Ganze war eine mehr als unerwartete Belohnung für die alles andere als perfekte letzte Woche. Vier bis sechs Fuss hohe Barrels rollten herein wie an einer Perlenkette aufgezogen. Die grösseren Wellen erinnerten uns an ein Mini-Teahupoo. Wer hätte das gedacht! All die letzen Jahre hiess es: “Da gibt es keine ordentlichen Wellen. Die Riffpassagen liegen im falschen Winkel, die Riffe sind zu flach” usw. Alles Quatsch! Die Wellen an diesem Tag konnten es mit allem aufnehmen, was ich bisher gesehen hatte.

Zwei Stunden vergingen, als Makua plötzlich am Höhepunkt der Session weit nach draussen paddelte. Ein paar Sekunden später ritt er eine der besten und grössten Wellen des Trips. Einmal mehr bewies uns der Big-Wave-Sunnyboy, dass er das richtige Gespür hat.

Auf eigene Faust

Die Jagd hatte auf diesem Trip nicht wirklich Spass gemacht, aber die Beute war es allemal wert. Nach all dem Mist in der ersten Woche hatte keiner mehr mit solch einer Belohnung gerechnet. Scheinbar hatte es hier schon die ganze Woche über gute Wellen gehabt. Doch so ist es halt, wenn man ins Ungewisse aufbricht und nach neuen Wellen sucht. Man muss selbst seine Erfahrungen machen. Es gibt so viele Inseln da draussen, so viele Punkte auf der Karte. Also wartet nicht lange, pickt euch einen heraus und macht euch auf die Suche!

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