Und weiter geht die verrückte Reise unseres französischen Travel-Maniacs Antony Colas. Diesmal verschlug es ihn nach Libyen. In dem für Touristen schwer zugänglichen Land scheute er keine Mühen, um am Ende neben sehr gastfreundlichen Einheimischen endlos lange Lefts zu finden! Aber lest selbst.
The Land of Empty Lefts
Anders als die Nachbarn Ägypten und Tunesien, die jährlich von Millionen Touristen aufgesucht werden, legt Libyen, das etwa fünfmal so gross ist wie Deutschland, keinen grossen Wert darauf, den Tourismus zu fördern. Durch grosse Mengen an natürlichen Rohstoffen, haupsächlich Erdöl und Erdgas, ist Libyen mit seinen nur knapp sechs Millionen Einwohnern eines der reichsten Länder des afrikanischen Kontinents. Die meisten der 40.000 Touristen, die 2008 dennoch in das Land reisten, waren Rentner, die sich auf Gruppenreisen die archäologischen Schätze anschauten. Reisen im Alleingang sind sehr schwierig. Daher ist der erste Schritt zu einer erfolgreichen Einreise, deinen Reisepass ins Arabische übersetzen zu lassen und ein Visum zu beantragen. Staatschef Gaddafi regiert sein Land nach strengen Regeln und ist nicht unumstritten. Auch sein Sohn Hannibal scheint nicht ganz ohne zu sein, wie die Anzeige wegen Misshandlung zweier seiner Angestellten im Sommer 2008 bei einem Aufenthalt in der Schweiz nahe legt, woraufhin Hannibal festgenommen wurde. Das Ganze endete in einer Staatskrise zwischen der Schweiz und Libyen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Sobald man die Formalitäten mit dem Reisepass erledigt hat, muss man sich mit einer offiziellen Reiseagentur zusammensetzen, die einem Transport, Hotel, Verpflegung etc. organisiert. Wenn man also mit solchen Leuten über die Planung eines Surf-Trips spricht, kommt es schnell zu vielen Fragezeichen. „Also, erzählen Sie mal, was möchten Sie auf Ihrer Libyen-Reise alles unternehmen?“ – „Na ja, unser Plan ist sehr einfach, denn es gibt keinen. Wir wollen nur surfen gehen.“ Es empfiehlt sich, sich bei der Reiseplanung auf einen bestimmten Küstenstreifen zu konzentrieren. Wir beschränkten unsere Expeditionen auf die Region Kyrenaika im Osten des Landes. Die Attribute dieser Region sind nicht gerade verlockend. Es ist heiss und wüstenartig, dürres Gestrüpp prägt die Vegetation, aber ein Lefthander Point Break nach dem nächsten entschädigt für alles. Und neben all den Anstrengungen lohnt es sich wirklich, eines Tages mal nach Libyen zu reisen. Nicht nur die fürs Mittelmeer extrem guten Wellen entschädigen, es ist auch ein sehr sicheres und vor allem gastfreundliches Land. Niemand bettelt dich an, man hat nie das Gefühl, an der nächsten Ecke ausgeraubt zu werden, und sie begrüssen dich stets mit der Geste, ihre Hand auf ihr Herz zu legen.
Nach einer Hand voll Sessions scorten wir in der Nähe des Küstenorts Wadi Naga an einem Nachmittag zwölf Fuss Swell mit zehn Sekunden Periode, Offshore-Wind und blauem Himmel. Ich bereise das Mittelmeer nun seit fünf Jahren regelmässig und diese Session war eine der besten, die ich je hatte. Unerwartet zuverlässig rollten die grossen Sets rein und barrelten in der Inside. Und dank nur geringer Tidenunterschiede in dieser Region blieb das so bis spät in den Abend hinein. Nach sechs Tagen gutem Surf hiess es schliesslich au revoir, Libyen! Doch ich bin mir sicher, in naher Zukunft in dieses wunderschöne Land zurückzukommen und die vielen leeren Lefts zu surfen!
Travel-Tipps:
Beste Zeit für gute Wellen: Wie so oft in unseren Breitengraden ist der Winter auch in Libyen der Wellengarant. Von November bis März wird die Küste mit Wellen heftiger Stürme bombardiert. Der Mistral ist dabei der wichtigste Wind, seine Wellen malträtieren fast 1.000 Kilometer libyscher Küste und schenken uns Freude. Checkt www.passageweather.com für einen kostenlosen Siebentage-Forecast oder loggt euch bei www.buoyweather.com ein.
Anreise: Mit der Lufthansa geht es am entspanntesten nach Tripolis (TIP) und von dort weiter nach Benghazi (BEN) mit Libyan Air oder Afriqiyah Airways. Afriqiyah hat gute und günstige Flüge von Paris (CDG) nach Tripolis. Ein anderer Weg nach Benghazi führt über das benachbarte Tunesien mit Tunis Air. Auf jeden Fall sollte man ein spezielles Reisebüro beauftragen, sich um alles zu kümmern.
Wetter: In Libyen wurde die höchste Temperatur der Erde gemessen: 57,7 °C (in El Azizia im September 1922). Der Winter ist um einiges kühler, die Temperaturen liegen je nach Wind nachts bei 8 °C bis 12 °C und 13 °C bis 22 °C tagsüber. Es regnet nur sehr selten.
Share