Als mediterrane Surf-Destination völlig unbekannt bewies Algerien einem Team französischer Surfer um Surf-Globetrotter Antony Colas, dass das Potenzial für klassischen Surf enorm ist. Betrachtet man einmal, wie oft dort der Mistral aus Nordwest bläst, wie viele linke Point Breaks versteckt liegen, wie viele saftige Beach Breaks gesurft werden können und wie gut die Riffe laufen, wenn der Wind auf offshore dreht, ist es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis Algerien vor allem bei europäischen Surfern berühmt wird.
Als sechste und letzte Destination in meiner Mittelmeer-Surf-Research-Serie, die 2005 startete, war der Trip nach Algerien der vielversprechendste.
Das durch Erdöl und Benzin relativ reiche Land war bis 1954 Teil des französischen Übersee-Territoriums. Nachdem in besagtem Jahr ein Bürgerkrieg ausbrach, in dem 362.000 Menschen ihr Leben verloren, erlangte das Land 1962 seine Unabhängigkeit. Es blieb ruhig bis 1991, als islamistische Fundamentalisten anfingen, die Regierung zu bekämpfen. Das folgende Jahrzehnt war von Bombenterror, Anschlägen, vor allem auch gegen Ausländer, und erneut annähernd bürgerkriegsähnlichen Zuständen geprägt. Laut den algerischen Locals konnte sich niemand wirklich frei bewegen und es entwickelte sich das ungeschriebene Gesetz, niemals ein Surfboard auf dem Autodach zu transportieren. Die Surfer wollten keinen Neid unter Hass und Gewalt leidenden Menschen provozieren und keine bewaffneten Horden auf sich aufmerksam machen, die zumindest neugierig, wahrscheinlich aber aggressiv reagiert hätten. Heutzutage kommt es immer noch zu seltenen Bombenanschlägen der Al Qaida, die jedoch in erster Linie auf Polizeistationen und Soldaten abzielen. Bei unserem Trip lief alles reibungslos und einfach ab, obwohl wir vier riesige Boardbags auf dem Dach transportieren.
Während unseres neuntägigen Aufenthalts in Algerien hatten wir drei entscheidende Swells und surften insgesamt sieben Tage. Der erste Swell schlug mit zehn Fuss und neun Sekunden Periode bei einem günstigen WSW-Wind ein, der uns eine schöne Linke in Casa Pêche bescherte, die sich in zwei bis drei Sections unterteilte. Als der Wind am nächsten Tag drehte, wurde es zu klein, so dass wir nur anderthalb Tage exzellenten Vier- bis Sechsfussswell geniessen konnten. Nach einem flachen Tag kam der zweite Swell mit einer Grösse von bis zu 13 Fuss und einer etwas kürzere Periode von 8,5 Sekunden. Gestört wurde er leider ausgerechnet von Onshore- Wind aus WNW, der alles ein bisschen vermasselte.
Der dritte Swell brachte uns aber wieder eine schöne Session. Es war nicht mehr so stürmisch wie die Tage zuvor und wir fanden ziemlich früh am Tag einen kleinen, aber supersauber laufenden zwei bis fünf Fuss grossen Reef Break. Am nächsten Tag war es wieder flat, also nutzten wir die Gelegenheit, Constantine, die atemberaubende „Stadt der Brücken“, zu besuchen.
Wir hatten noch zwei weitere Tage Swell, wobei die Wellen aber nie über die Dreifussmarke kletterten. Der letzte Tag war sehr windig und wir wurden von den typischen violetten Mittelmeerquallen, den Peligica Noctiluca, geplagt. Jep, es brennt schon sehr, wenn man sie mit Händen oder Füssen berührt! Aber weil das Wasser eh im Bereich von 18 °C bleibt, kann man getrost seine Booties anlassen.
Auf unserem Trip fragten wir uns, welche Nation wohl als Nächstes diese weit unterschätzte Surfküste besetzen würde. Auf unserem Trip trafen wir nämlich den berühmten Surf-Fotografen John Callahan mit seiner Crew, die gerade einen Artikel für ein Ami-Mag produzierten. Allen voran werden hier doch Algiers Locals zu finden sein. Danach wahrscheinlich die Surfer vom Norden des Mittelmeers, die ausflippen werden, wenn sie feststellen, wie gut der Surf beim Mistral auf der anderen Seite ihres Teichs werden kann. Achtung, es wird sogar grösser als auf Sardinien, was ja bisher als das Hawaii des Mittelmeers galt. Und wer wird wohl der erste deutsche Surfer in Algerien sein? So wie euch kenne, wird es zumindest nicht mehr lange dauern, bis Busse mit deutschen Nummernschildern auch an Algeriens Klippen stehen!
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