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Galapagos

Im nachmittäglichen Gegenlicht zieht Shawn “Barney” Barron seinen letzten Turn in die steile RechtsWelle dieses vulkanischen Riffs. Er schiesst raus, hat definitiv zu viel Luft zwischen sich und dem Wasser und stürzt mächtig ab. Am Strand ist man sich einig: “Das war der heftigste wipe-out in der Geschichte der GalapagosInseln.”

Man konnte sich die Schlagzeile schon ausmalen: “Big Wave Surfer erlebt schweren wipe-out auf Galapagos!” Zumindest Pepe konnte das. Pepe ist unser Guide, ein schmaler Ecuadorianer. Er plant eine Zukunft des Surfens hier auf den GalapagosInseln. Er glaubt, das würde den armen Einwohnern hier im “Niemandsland” helfen. Oder vielleicht auch nicht(s)?

Die meisten sind überrascht, wenn sie hören, dass Menschen auf den unwirtlichen Galapagosinseln leben. Man denkt, dass in der verbrannten Vulkanlandschaft nur die kaltblütigen Schildkröten und Iguanas leben könnten. Mein erster Eindruck der Inseln stammt aus einem “Time Life”-Buch, das ich als Kind las. Ein Bild zeigte hunderte von pechschwarzen Iguanas übereinander gestapelt, während hinter ihnen glühende Lava ins Meer floss. Das sah wirklich nicht sehr einladend aus.

Aber seit der ersten Besiedlung in der Neuzeit im 18. Jahrhundert über die abgehärteten norwegischen Siedler von 1920 bis hin zu den heutigen bescheidenen Fischern haben immer wieder Menschen versucht, sich dieser Gegend anzupassen. Und wie überall spürt man den negativen Einfluss von Menschen auf das empfindliche Ökosystem.

Es ist der 16. Januar 2004 an der Gepäckausgabe des Guayaquil International Airport. Meine Reisebegleiter sind alle aus Santa Cruz. Da ist Barney mit seinem tolpatschigen Grinsen und der Gabe, alles zu sagen, was ihm gerade durch den Sinn geht. Dann Josh Mulcoy oder “Mulcs”: ein gewandter Bursche, ein Mann weniger Worte mit dem Grinsen eines Cowboys – wäre er ein Schauspieler, so wäre er Sam Elliot ohne den Schnauzbart. Patrick Trefz ist ein talentierter Fotograf mit Bubi-Face und kommt ursprünglich aus Düsseldorf. Er ist ziemlich gutmütig, doch sein Temperament schlägt blitzartig um, wenn er glaubt, seine Arbeit werde durch etwas kompromittiert. Wenn Patrick ein Tier wäre, wäre er ein Hammerhai.

Wir hatten alle dieselben klischeehaften Vorstellungen von Galapagos: heisser als die Hölle, aber mit interessantem Tierreich, sonst aber nichts. Wir konnten uns die Wellen auch nicht so recht vorstellen und das wenige, was wir hörten, waren auch nur Gerüchte.

Wir wussten von den drei Dörfern, die alle an den wenigen Buchten oder natürlichen Häfen der Galapagos liegen, und genau dort sollten auch die besten Wellen sein. Am Ende haben wir aber viel dazugelernt – über Galapagos, die Wellen und die Probleme, die die einzigartigen Tiere, Menschen und ihre gemeinsame Zukunft betreffen.

Wir trafen unseren Guide Pepe am Flughafen. Man kann die Stadtgrenzen nicht ohne Guide verlassen, noch nicht mal zum Surfen. Pepe zeigt uns die paar Breaks ums Dorf herum und bringt uns hoffentlich auch in die weniger erschlossenen Teile der Inseln auf der Suche nach Wellen. Wir übernachten im Dorf direkt am Strand. Vom Dach aus können wir das Dorf und den Hafen überblicken. Und am Hafen geht alles ab.

Dort gibt es bunte Fischerboote, die Pangas. Ständig kommen und gehen Tourboote mit Touristen, die blaue Schwimmwesten anhaben und gerade eine Kolonie des seltenen Blaufusstölpels gesehen haben. Dorfeinwohner versammeln sich am zementierten Pier, um sich die Leute anzusehen und Souvenirs zu verkaufen. Ein Seelöwe ist an dem Rummel nicht interessiert und liegt auf dem Bug eines der Boote in der Sonne.

Am Hafeneingang gibt es das, was Surfer hierher zieht: die Rechte. Hier haben wir unsere erste Session. Eine sechs Fuss hohe Barrel rast über das scharfe Lavariff und ein teuflischer Wind fegt über die Oberfläche der Welle, was das Surfen erschwert. Es hilft auch nicht, dass ich Mulcs Brett zum ersten Mal surfe. Meine Bretter sind nicht angekommen – entweder hat die Airline sie an einen falschen Ort geschickt oder ein Flughafenangestellter hat sie sich unter den Nagel gerissen.

Ich versuchte also, mich anzupassen. “Websters Enzyklopädisches Wörterbuch” definiert Anpassung als “Modifizierung eines Organismus oder eines Teils davon, um sich den Umständen besser anzugleichen”. Anders als ein Iguana oder ein flügelloser Kormoran habe ich aber nicht so viel Zeit, mich anzupassen, weil wir nur zehn Tage hatten.

Ein Brett, ein Paar Shorts und ein T-Shirt – wegen meiner simplen Ausstattung nannte mich Patrick dann auch gleich “Simple Joe”.

Wir nahmen ein Panga zu einer langen, langsam laufenden Linkswelle, fast eine halbe Stunde vom Dorf entfernt. Sobald man es verlässt, beginnt man zu glauben, dass die Inseln wirklich nicht für Menschen gemacht sind.

Wir kamen spät los, und als wir endlich da waren, knallte uns die Mittagssonne erbarmungslos auf den Kopf. Nach einer Zweistunden-Session war unsere Haut knusprig verbrannt und mein ganzer Rücken sollte später pellen. Als wir fertig waren, liefen wir barfuss über scharfe schwarze Lavafelsen zurück zum Boot. Die Hitze dieser Steine brennt wie das Höllenfeuer und das ist zu viel für Mulcs. Nach diesem Erlebnis zieht er sich jeden Mittag wie eine der gigantischen Schildkröte in sein Hotelzimmer zurück. Patrick nannte ihn nun nur noch “den waagerechten Joshua”.

Wir besuchen Eddie, eine riesige Schildkröte, die schon länger im Dorf lebt als die Menschen. Eddie ist so alt und so gross, dass die Dorfbewohner ihn nicht verscheuchten, sondern das Dorf um ihn herum aufbauten und ihm sein eigenes Land gaben. Er ist nun das Maskottchen aller Dorfbewohner. Barney liebt Eddie. Er bringt ihm jeden Tag Obst und Gemüse. Eddie verputzt eine Banane und schneidet sie mit seinem scharfen Schnabel in Scheiben, während Barney arg auf seine Finger aufpassen muss. Wir sind alle sehr beeindruckt, bis auf Patrick, der lapidar bemerkt: “Hast du eine Schildkröte gesehen, hast du sie alle gesehen.”

Nach dem Great Barrier Reef ist das Galapagos Marine Reserve das zweitgrösste geschützte Seegebiet der Welt. Bis vor kurzem gab es nur ein Boot, um es zu patrouillieren. Die Seegurke bringt einen Dollar pro Stück und die Nationalpark-Behörde hat viel zu tun.

Hier kommt nun unser Guide Pepe ins Spiel. Pepe ist der inoffizielle Bürgermeister des Dorfes. Er ist eine Mischung aus Ricardo Maltaban aus “Fantasy Island” und seinem Kumpel Tattoo. Oft steht er an der Strassenecke und quatscht mit jedem. Er ist eine Art Pionier in diesem Teil der Erde und auch ein passabler Surfer. Er ist eine lokale Legende und wie der Butcher im Film “Gangs of New York” hat auch Pepe überall seine Finger drin.

“Direkt und indirekt schaffe ich 15 bis 20 Arbeitsplätze auf der Insel. Man kann es in den Restaurants, dem Taxifahrer, den Putzfrauen und den Köchen sehen.”

Pepe ist ehrgeizig und voller Energie, wenn auch mit der Unart, sich ständig an den Klöten herumzufummeln und sein Bauchhaar zu reiben. Er ging mit uns überall hin, um sicherzugehen, dass wir auch gut behandelt würden. Patrick nannte ihn dann nur noch “Moskito”. Pepe und ein Angestellter des Nationalparks namens Luis wollen eine Surf-Tour-Gesellschaft auf den Galapagos gründen, natürlich in Abstimmung mit dem Nationalpark. Sie glauben, dass das den Druck vom Fischen nehmen würde und mehr Gelegenheit für die Menschen schafft, legal ihr Geld zu verdienen – Angelschein gegen Touristenführerschein.

Macht sich Pepe auch Gedanken darüber, dass auch hier zu viele Menschen auftauchen werden? “Das Nationalparkamt würde eh nur eine limitierte Anzahl an Booten rauslassen. Die brasilianischen Reiseagenturen erzählen doch ihren Kunden, dass sie die Einzigen dort seien; die haben halt keine Regeln. Wir wollen das erst gar nicht anfangen. Wir wollen, dass der Nationalpark ein Limit setzt. Und ich finde es einfach besser, wenn die Leute hier Surfer mit rausnehmen, als Haie und Seegurken zu jagen.”

Wir hatten zwar nicht die Chance, nach neuen Spots zu sehen, aber wir bekamen viele Wellen an der Rechten, obwohl wir lange auf Sets warten mussten. Das legt den Verdacht nahe, dass nicht allzu viele Menschen an diesem Spot surfen können. Die Nord-Swells sind 6.000 Meilen vom Golf von Alaska unterwegs und es erinnert mich an die geschützten Buchten von Santa Barbara. Wir besichtigten ein Modell der Inselkette mit Tiefenangaben und der Küstenlinie im National Park Center. Die Nord-Swells werden durch einen Tiefsee-Canyon durch die östlichen Inseln gelassen, bevor sie die Rechte formen. Mehr als die bereits vorhandenen Locals und südamerikanischen Surfer verträgt der Spot einfach nicht.

Wir fanden auch ein paar gute Wellen auf der anderen Seite des Hafens, eine langsamere und eine längere, schnellere Linke. Doch die Rechte hatte die besten Wellen und bei unserer letzten Session war es am grössten. Das Set-up erinnerte mich an Soup Bowls von Barbados und genau dort hatte Barney den schlimmsten Wipe-out in der Geschichte von Galapagos.

Barney fand den Trip “lehrreich”. Ich für meinen Teil vergass sogar meine vier verlorenen Al Merricks (die ich nie wieder sah) und lernte, dass Menschen sehr anpassungsfähig sind und dass es gut ist, die Dinge einfach zu halten. Aber das Wichtigste war – trotz des spassigen Surfens -, dass die Essenz der Inseln für kommende Generationen beschützt werden muss.

Wahrscheinlich werden Luis und Pepe ihre Surf-Touren umsetzen. Hoffentlich werden sie es für die angegebenen Gründe tun und nicht, um ihre Position auszunutzen. Galapagos hat schon genügend Ausbeuter gesehen. Es wäre gut, wenn für Galapagos etwas Positives durchs Surfen entstehen könnte. Schliesslich ist es alarmierend, wenn man den Gerüchten Glauben schenkt, dass eine grosse Surf-Marke Grundstücke an den besten Surf-Spots der Welt aufkauft, um ihre Reiseagentur zu monopolisieren. Man kann nur hoffen, dass Surfen auf den Galapagosinseln zu etwas Positivem beiträgt – für das Tierreich und für die neuesten Bewohner, die Menschen.

den kompletten Text lest ihr in der SURFERS 04/04

Photos: Trefz, Curren, Ouhilal
Text: Joe Curren

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