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Surftrip Italien

Travel Stories

Kurztrip nach Italien: Besser als erwartet

2020 war bisher schon für zahlreiche Überraschungen gut. Unter die vielen unangenehmen mischten sich zum Glück auch ein paar schöne.

Text: Martin Stüllein – Fotos: Martin Stüllein & Astrid Hübner

Während eine Handvoll glücklicher Zeitgenossen den richtigen Riecher hatte und dieses Jahr an irgendwelchen tropischen Weltklasse-Wellen festsitzt, um diese bis auf Weiteres fast alleine zu reiten, sieht es für die meisten von uns eher ernüchternd aus. Nach einem kurzen Aufatmen im Sommer, was die Reisemöglichkeiten anging, wird es langsam eng – denn Spahn und Söder surfen nicht. Gefühlt im Minutentakt wird eine europäische Surfregion nach der anderen gerade zum Risikogebiet erklärt. Wie gerne hätte ich der Bretagne im Herbst noch einen weiteren Besuch abgestattet. Doch die Aussicht auf zwei Wochen Quarantäne bei Rückkehr ist ein echter Abtörner. Also werfe ich einen Blick auf die Europakarte und entscheide mich spontan für das Nächstliegende: Norditalien. Los geht es auf einen Kurztrip.

Surftrip Italien
Surftrip Italien
Surftrip Italien

Was dem Hamburger Surfer Dänemark, das ist dem Bayern sozusagen Ligurien. Und doch war ich seit gut zwanzig Jahren nicht mehr am italienischen Mittelmeer. Klar, Toskanaurlaube und Windsurfen in den 80ern und 90ern, so manch einer kennt das. Allerdings war seinerzeit Wellenreiten hierzulande noch nicht hip, sondern existierte praktisch nicht in unserer Wahrnehmung. Mittlerweile steht die Riviera zwar schon seit einiger Zeit auf meiner Surftrip-Wunschliste, jedoch eher im unteren Prioritätenbereich. Kurz gesagt habe ich also null Ahnung, ob ich auch nur eine einzige vernünftige Welle vorfinden werde.

Ankunft am Abend in Marina di Carrara am nördlichsten Zipfel der Toskana bei angenehmem Herbstwetter. Hier treffe ich eine Freundin. Die Straßen sind so schlecht wie schon vor Jahrzehnten, viele Bauwerke wirken marode und es herrscht momentan Maskenpflicht im öffentlichen Raum. Die norditalienische Küste ist dicht besiedelt und bebaut, es gibt viel Industrie und gigantische Marmorsteinbrüche fressen sich in die schroffen Berge des Apennins im Hinterland. All das zusammen empfinde ich als ein leicht morbides Flair. Aber es hat auch Wellen, zwar nur hüfthoch, doch halbwegs sauber, und so steige ich ins Wasser für die erste Surfsession meines Lebens im Mittelmeer. Mit Sonnenuntergang!

Tags darauf flaut es ab, die Küste erstrahlt im warmen Herbstlicht und wir genießen bei Cappuccino und Focaccia die Sonne am Strand. Letzte Chance, denn Sturmtief Brigitte wird bald schon für Starkregen sorgen – aber auch für Wellen. Letztere kommen dann in einer Intensität, wie ich sie nicht erwartet hätte. Wir fahren über den Berg nach Lerici, das bereits in Ligurien liegt. Der Wind trifft in Orkanstärke auf die Küste und die Bucht verspricht am ehesten etwas Schutz. Noch ist niemand im Wasser und ich hadere damit, mich in das graubraune Getöse zu stürzen, da ich keine Ahnung von den Strömungen habe und die Welle samt starkem Backwash in den Gesteinsblöcken der Uferbefestigung endet.

Als irgendwann zwei Jungs reingehen, habe ich eine Referenz und wage den Versuch. Es sieht wenig einladend aus, geht trotz starkem onshore Wind aber erstaunlich gut. Der Spot funktioniert im Prinzip wie ein rechter Pointbreak mit sich verlagernden Peaks. Steigt man rechtzeitig ab, kommt man auch den Felsen nicht zu nahe. Vorsicht und etwas Erfahrung sind dennoch geboten, Anfänger gehen lieber ans südliche Buchtende, wo eine linke Welle bricht, die am Strand ausläuft. Ein Local erzählt mir allerdings, dass Lerici nur etwa zehn Mal im Jahr surfbar ist. Insofern habe ich ein gutes Timing.

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Das wird mir am nächsten Tag umso mehr bewusst, als fünfzehn Surfer am Peak sitzen. Klingt nach wenig, doch der Take-off-Bereich ist hier sehr klein, so dass ich leicht frustriert die Session beende, ohne eine einzige Welle abbekommen zu haben. Trotz weniger Wind brechen diese außerdem schlechter als am Vortag. Ein größeres Board verschafft jedoch Abhilfe und die Abendsession wird richtig gut. Bei einigen Mitstreitern ist sie aber frühzeitig vorüber, da ihre Bretter dank gerissener Leash auf den Felsen landen.

Surftrip Italien

Wellen und Wind werden noch für mehrere Tage anhalten, ich begebe mich aber auf den Rückweg. Von anderen Gleichgesinnten erfahre ich, dass es auch in Levanto, dem wohl bekanntesten Spot Liguriens, feuern soll und dieser gut besucht ist von Deutschen.

Bis auf Surfer sind diesen Herbst jedoch kaum ausländische Touristen unterwegs. Vielen ist die Lust auf Urlaub wohl vergangen. Am Grenzübergang der Inntalautobahn werde ich dann kontrolliert, schließlich reise ich von Tirol aus ein. Risikogebiet. Aber ich war ja nur in Italien, bei Wellen, Cappuccino und Focaccia, also darf ich weiterfahren. Wir leben in seltsamen Zeiten.

Mehr davon: instagram.com/ummanandapics oder ummananda.de/pictures

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