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Portraits

Mads Jonsson: Switch vom Snowboard-Pro zum surfenden Farmer

Als Teamfahrer bei Burton prägte Mads Jonsson die goldene Ära des Snowboardens. Heute lebt der Norweger in seiner Heimat auf einer Farm am Westkap, wo Surfen und Snowboarden in Schlagdistanz liegen

Aufmacherfoto: Lindsey Bundschuh / @lindseyis

Mit seiner Harpune steht Mads Jonsson im Vanylvsfjord, zieht sich mit der freien Hand die Neoprenhaube tiefer ins Gesicht. Es ist ein frostiger Märztag im hohen Norden. Vom alten Traktor am Ufer dröhnt „I Wonder“ von Sixto Rodriguez aus der Bluetooth-Box, während der ehemalige Global Pro bei Burton Snowboards im Wasser abtaucht. Als er knapp eine halbe Stunde später zurück an die Oberfläche kommt, hängt ein prall gefüllter Netzsack mit Jakobsmuscheln am Bleigürtel. Langsam vervollständigt sich ein Gesamtbild, weshalb es den heute 38-Jährigen zurück in sein Heimatland gezogen hat – genau hierhin, an die entlegene Westküste, wo Möglichkeiten zum Surfen und Snowboarden nah beieinander liegen und er sich auf der eigenen Farm verschiedensten Projekten widmen kann. Muscheltauchen weniger als 100 Meter vor dem eigenen Wohnzimmer zählt da eher zu den Randnotizen im heutigen Leben des begnadeten Hobbykochs.

Als glücklichen Zufall lässt es sich wohl kaum beschreiben, dass Jonsson ausgerechnet in einer Gegend Wurzeln geschlagen hat, in der etliche Surfspots von Format die Küstenlinie der Halbinsel Stadlandet säumen. Erstklassige Wellen – von gemütlichen Longboardwalzen in der windgeschützten Bucht von Hoddevik bis zu exponierten Big-Wave-Slabs der härteren Gangart in der rauen See vor dem Kap – liegen in unmittelbarer Nähe zu jenem Bauernhof, auf den er bereits einige Jahre zuvor ein Auge geworfen hatte. Letztlich kaufte Jonsson 2013 die Farm, deren Geschichte zurückreicht bis ins 13. Jahrhundert. Mit der kanadischen Fotografin Lindsey Bundschuh, die in ihrer Heimat British Columbia vergleichbar naturnah aufwuchs, sowie der gemeinsamen Tochter Lily Summer sollte er nach seiner Rückkehr aus Kalifornien den lang gehegten Traum verwirklichen, fernab von Großstädten zu leben. Ein Bauernhaus mit Weideflächen bis zum Ufer des weit verzweigten Nordfjords und bewaldete Hügel im Hinterland zählen zum Grundbesitz, auf dem sich die beiden ihre Existenz aufgebaut haben.

Die Farm von Mads Jonsson am Westkap Norwegens. Foto: @surfingfarmer

Norwegische Wildschafe züchtet Jonsson auf dem Land, eine widerstandsfähige altnordische Rasse, die in den 1950er Jahren beinahe ausgestorben wäre und landläufig als „Wikingerschaf“ bekannt ist.

Doch sobald der Surf auf den Charts vielversprechend aussieht, lädt er Boards aus dem Materialschuppen auf seinen alten Chevy Pick-up, um mit anderen Locals Spots anzusteuern, an denen die Wellen gerade feuern. Spontaneität bleibt dabei, aufgrund der häufig inkonstanten Wetterlage, stets ein entscheidender Faktor – und der Farmer kann sie sich meistens leisten. Perfekte Bedingungen mit höchstens einer Handvoll Surfern im Wasser sind hier keine Seltenheit, sondern ganz normaler Alltag.

Surfen rund um Stad lässt sich nicht mit Europas Hotspots in Frankreich oder Portugal vergleichen. Seeadler kreisen in der Luft, Surfer teilen sich die Breaks mit Robben und anderen Meeresbewohnern. Auch Orcas und Wale werden auf ihren Wanderungen hin und wieder im kristallklaren Wasser gesichtet. „Wir haben ein ziemlich einzigartiges Setup mit den Bergen direkt an der Küste, die unsere Beach- und Pointbreaks vor starken Winden abschirmen“, erklärt Jonsson. Fast senkrecht ragen hier die Felswände aus dem Meer und bieten aus der Perspektive im Wasser eine mehr als imposante Kulisse. Der Norwegische Strom transportiert zudem, als letzter Abschnitt des durch den Golfstrom initiierten Nordatlantikstroms, verhältnismäßig wärmere und salzhaltigere Wassermassen in die Region. Allerdings ist das Nordmeer bei Stadlandet mit neun Grad Wassertemperatur wahrlich keine Badewanne.

Progression, die Jonsson schon früh beim Snowboarden anstachelte, sucht er heute vor allem beim Surfen. Nach der aktiven Karriere legt er den Fokus weiterhin auf intensive Naturerlebnisse, heutzutage etwas breiter gestreut. Per Boot geht es zum Fischen raus auf den Fjord oder mit Nachbarn zur Hirschjagd in die angrenzenden Wälder. Unter dem Label Stad Kystmat vertreibt Jonsson ausschließlich regional erzeugtes „Küstenfleisch“ von erlesener Qualität. Er beschreibt abends am Kaminfeuer eine außergewöhnliche Landschaft, die sich sonst nirgendwo auf der Welt findet: „Es wirkt wie die schottische Tundra am Meer, mit 700 Meter hohen Gipfeln. Man kann sowohl den offenen Ozean als auch das Hochgebirge sehen.“ Das Wetter treffe hier nördlich von Stad direkt auf die Norwegische See sowie die Nordsee etwas weiter im Süden. Ständig sei viel los, häufig erlebe man „Schnee, Regen, Sonne, Regenbögen, Hagel, Wind, gefolgt von absoluter Windstille – und das alles im Laufe eines Tages, manchmal sogar innerhalb einer Stunde“.

Bei Neuschnee fährt er mit dem Bulli landeinwärts zu den nahgelegenen Bergmassiven im Umland. Die sich bietenden Optionen für feinste Abfahrten im Powder sind hier unerschöpflich. Seit Jahren verfolgt Jonsson mit mehreren Partnern das Ziel, Catskiing im Backcountry mit einem ähnlichen Konzept zu etablieren, wie es in anderen Ländern bereits erfolgreich funktioniert. Das Erlebnis, mit Pistenraupen unverspurtes Gelände der Skiresorts zu entdecken, unterscheide sich beim Catskiing kaum vom Heliskiing. Das Potenzial des vielseitigen Terrains lässt sich, trotz der deutlich kleineren Dimensionen, sogar mit Kanada vergleichen. Das Vorhaben zieht allerdings ein zähes Ringen mit der landestypischen Bürokratie nach sich. Ihn überzeugt bei dem Konzept vor allem die Kombination aus Snowboarden und Surfen am gleichen Tag. Das bekannte Skigebiet Harpefossen liegt etwa 1,5 Fahrstunden entfernt von Hoddevik. Ein Wechsel von Neopren- zu Snowboard-Boots ist also mit durchaus überschaubarem Aufwand verbunden.

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Foto: Blotto / @deanblottogrey
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Fotos: Steffen Schröer


Jonsson tickt etwas anders als die meisten erfolgreichen Snowboarder. Bei seiner Langzeitplanung realisierte er frühzeitig, dass die durch unvergessliche Snowboardtrips nach Alaska, Kamtschatka, Japan oder Patagonien konstant hohe Flut an Dopamin im Zeitraum seiner aktiven Laufbahn irgendwann in einem etwas ruhigeren Delta münden würde, in dem er möglichst jede sich bietende Verzweigung für seine Vorstellungen eines erfüllenden Tages nutzen kann. Wer ihn auch nur kurze Zeit begleitet, wird unmittelbar an Charaktere wie die Malloy-Brüder erinnert. 

„Geldscheine sind Freedom-Tickets!“ – den Spruch hatte ihm sein Vater gerade noch rechtzeitig eingetrichtert, bevor dem Snowboarder unzählige Verlockungen zum Verprassen seiner Sponsorengelder wie am offenen Buffet serviert wurden. Doch die deutliche Ansage hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Als er mit Hauptwohnsitz im südkalifornischen Encinitas, beliebte Offseason-Enklave für Pro-Snowboarder aus aller Welt, in einer WG mit JP Solberg zusammenwohnte und viele Vorzüge des Lebensstils auskostete, lernte er nebenbei für seine Lizenz zum Helikopterpiloten, investierte einen Teil seiner Einnahmen mit Weitsicht und wusste schon damals, dass er im Anschluss an die Karriere in Norwegen etwas Eigenes aufziehen würde.

„Jake Burton hat mir mein Leben ermöglicht, er war mehr Freund als Boss. Ich werde ihm immer dafür dankbar sein!“

Knapp zehn Jahre liegt diese Ära zurück, es war die goldene Zeit im Snowboarden, die er entscheidend mitprägte, saftiger Gehaltscheck für den gelebten Traum inklusive. „Jake Burton hat mir mein Leben ermöglicht, er war mehr Freund als Boss. Ich werde ihm immer dafür dankbar sein“, erzählt er mit spürbarer Wertschätzung über die enge Bindung zum 2019 verstorbenen Pionier des Snowboardens.

Nie in seiner Karriere zwang ihn Kleingedrucktes in Sponsorenverträgen zur Teilnahme an großen Contests. Als einer der wenigen Europäer erschien Jonsson vor allem infolge von Videoparts – vornehmlich in den zeitlosen Streifen von Standard Films – mit legendärer Airtime auf dem Radar der Snowboardwelt. Bis heute hält er den Rekord für Parkjumps mit seinem Frontside 3 Nosebone über eine Flugweite von unfassbaren 57 Metern. Im Jahr 2005 zuckten angeblich allen anwesenden Fotografen und Filmern in Hemsedal die Augenbrauen hoch beim ersten Anblick des Kickers, den er gemeinsam mit Shaper-Guru Lars Erikson aufgetischt hatte.

 

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„Es ist schon verrückt“, bemerkt er beim Aufknacken der Muscheln, aufmerksam beobachtet von Kater Mike, „im Anschluss an die Session in Hemsedal sollte ich eigentlich für eine Produktion mit Terje nach Alaska fliegen“. Der Trip hätte im Nachgang wohl die Zündung der finalen Raketenstufe in seiner Zeit als Pro bedeutet. Jonsson zählte damals zum vertrauten Kreis von Leuten, mit denen Superstar Terje Haakonsen zu jener Zeit unterwegs war. Doch es sollte anders kommen: Er brach sich bei einem Backside 7 Mute über den monströsen Kicker das Handgelenk. Alaska fiel flach.

Ansonsten schaut er positiv zurück auf die bewegten Jahre bei Burton. Der Blick richtet sich mittlerweile klar nach vorne, ambitionierte Projekte gilt es zu verwirklichen. Die Farm soll sich kontinuierlich zur lokalen Attraktion für Besucher entwickeln, gemächlich wachsen wie ein gesunder Baum. Ein Skatepark mit Bowl ist derzeit nebenbei in Planung. Er scheint es gefunden zu haben, sein ganz persönliches Paradies am Western Cape, in dem er sich vollends ausleben kann.

Mads Jonsson hat seine Freedom-Tickets goldrichtig eingelöst.

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