Björn Richie Lob hat mit „Keep Surfing“ Geschichte geschrieben: Er hat den ersten deutschen (Fluss-)Surf-Film produziert, der deutschlandweit in die Kinos kommen wird. Ab dem 20. Mai flimmert er auch in deiner Nähe über die grosse Leinwand. Wir durften uns bereits einen Eindruck von Björns Werk verschaffen und sind schwer begeistert. So viele bekannte Gesichter sieht man schliesslich selten auf der Kinoleinwand. Was Björn zu seinem Film zu sagen hat, erzählt er uns hier.
Björn, erzähl mal kurz für die Leute, die dich nicht kennen: Wer bist du, woher kommst du, seit wann surfst du am Eisbach, was hast du gelernt und vor allem wie bist du zur Filmerei gekommen?
Mein Name ist Björn Richie Lob, ich komme aus Köln, lebe in München und surfe seit zwölf Jahren am Eisbach, habe aber im Meer angefangen. Zum Filmemachen bin ich vor circa zwölf Jahren auch über meinen guten Freund Hendrik Hölzemann gekommen, der damals an der Filmakademie Ludwigsburg studierte. Ich hab ihm bei seinen ersten Kurzfilmprojekten geholfen und selber Blut geleckt. Dann habe ich erst mal sehr viel als Beleuchter und Set-Runner gearbeitet und eigentlich in jedem Department, das es beim Film gibt, mal ein Praktikum gemacht oder als Assistent gearbeitet.
http://www.youtube.com/watch?v=nfq6THyoRyQ
Parallel dazu hab ich mich wegen meiner Leidenschaft für das Surfen auf Surfkamera im Wasser spezialisiert, weil es das in Deutschland ja nicht so oft gibt und ich dadurch mein Hobby mit dem Beruf verbinden konnte. Jedes Jahr hab ich dann ein paar Surfvideos gedreht, geschnitten etc., also komplett selbst produziert. Man konnte damit nicht viel verdienen, aber es war immerhin in der Sonne und im Wasser. Ausserdem hab ich einige Making-ofs gemacht, unter anderem zu den Kinospielfilmen „Nichts bereuen“ und „Kammerflimmern“. Dabei habe ich sehr viel gelernt. Bei „Nichts bereuen“ gibt es eine Urlaubssequenz, in der die Jungs in Portugal surfen. Da habe ich den Schauspielern Daniel Brühl und Dennis Moschitto Surfunterricht gegeben. Das war sehr lustig, weil die natürlich ganz schön Respekt vor den Wellen hatten und viel Wasser schlucken mussten. Sie haben es aber mit Humor genommen, ständig den Surfer-Slang parodiert und permanent die Obersurfer raushängen lassen, obwohl sie ja von Tuten und Blasen keine Ahnung hatten. Sogar den Neoprenanzug hatten sie mal falsch herum an. Ich hatte Glück, dass ich auch bei richtigen Spielfilmen immer wieder Beruf und Hobby miteinander verbinden konnte.
Seit wann arbeitest du als Regisseur?
So richtig als Regisseur würde ich mich erst jetzt bezeichnen. Davor hab ich zwar schon oft bei Kurzfilmprojekten, Musikvideos, Surf-Videos und Kurz-Dokus Regie geführt, mein Geld aber mehr als EB-Kameramann und Beleuchter verdient beziehungsweise immer wieder nebenher als Möbelpacker oder Barmann arbeiten müssen. Ich glaube, dass man sich für nichts zu schade sein darf. Da ich „Keep Surfing“ auch zusammen mit Tobias N. Siebert produziert habe, bin ich jetzt Regisseur und Produzent – und mächtig stolz darauf.
Erzähl mal kurz die Geschichte zu „Keep Surfing“. Du begleitest sechs Fluss-Surfer, richtig?
Wir haben uns sechs Hauptfiguren ausgesucht, über die man eine ganze Menge erfährt, also auch, was sie sonst so im Leben machen. Man lernt zum Beispiel ihre Familien kennen oder erfährt, dass sie in ihrer Vergangenheit kriminell waren. Was sie alle verbindet, ist ihre Leidenschaft fürs Surfen und im Speziellen für das Surfen im Fluss. Ein wichtiger Teil meiner Grundidee war es, einen richtigen Dokumentarfilm über das Surfen und die Lebensphilosophie dahinter zu machen und nicht nur schöne Bilder aneinander zu reihen und mit Musik zu unterlegen.
Nach welchen Kriterien hast du deine Protagonisten ausgewählt?
Ich habe fast alle beim Surfen kennen gelernt. Am Anfang bin ich ja selbst noch sehr viel am Eisbach gesurft, aber mittlerweile habe ich, auch durch den Film, kaum noch Zeit dafür. Ich bin jemand, der generell sehr interessiert ist an seinen Mitmenschen und da habe ich mir einfach die rausgesucht, die ich am interessantesten, aber auch am ehrlichsten und authentischsten fand. Das sind für mich diejenigen, denen man anmerkt, dass sie das, was sie sagen, auch so meinen und dir nicht nur suggestiv oder direkt verklickern wollen, wie toll sie sind. Man muss natürlich auch schauen, dass sie telegen sind und nicht zu nervös werden, wenn es drauf ankommt. Das kriegt man aber bei fast allen irgendwie hin.
Was war bei dir der ausschlaggebende Moment, überhaupt eine Doku über das Fluss-Surfen zu drehen?
Die erste Idee war rein technischer Natur und noch ganz ohne Geschichte. Man kommt am Eisbach und an vielen anderen Flüssen sehr nah an die Surfer heran, kann Lampen aufstellen und alles richtig ausleuchten. Man kann mit Kran und in Super SlowMo drehen und die Surfer sogar inszenieren und immer wieder denselben Trick an der gleichen Stelle machen lassen. Zudem kann man beliebig in den Perspektiven und in der Zeit hin und her springen. So hat man schnell den Eindruck, als sei mit mehreren Kameras gleichzeitig gefilmt worden, was oft nicht der Fall war und wir uns aus Kostengründen auch gar nicht hätten leisten können. Der ausschlaggebende Moment, wirklich drehen zu können, war, als wir nach einer sehr aufwändigen Bewerbung von der FFF (Film Fernseh Fonds Bayern) Fördergelder zugesprochen bekamen.
Was waren die grössten Herausforderungen bei dem Film? Vielleicht die Zusammenarbeit mit dem „Hausmeister“?
Erstaunlicherweise gar nicht. Ich hab mich mit Walter von Anfang an sehr gut verstanden, ich musste ihm zum Beispiel nie wegen der Interviews hinterherlaufen. Aber gerade deshalb fand ich die Storys, die sich um ihm ranken, umso spannender. Ich hatte von Anfang an den Eindruck, dass er im Grunde genommen ein herzensguter Mensch ist. Die grösste Herausforderung war, ohne einen Pfennig einen Film zu drehen, der normalerweise eine halbe Million Euro kosten würde. Darum versuchten wir, zumindest einen Teil über Sponsoren und Förderungen aufzutreiben. Wenn man vorher noch nie einen Kino-Dokumentarfilm gemacht hat, traut einem das ja nicht jeder sofort zu und sagt: „Klar, hier, ich geb dir Betrag x, mach mal!“ Das hat sehr, sehr lange gedauert. Ich bin jahrelang auf der ISPO gewesen und habe den Leuten meine Trailer, Fotos und Konzepte unter die Nase gehalten. Die Reaktion war fast immer gleich: „Finden wir super, aber unser Budget ist schon verplant.“ Ich hab dann immer wieder versucht, ohne Geld zu drehen, auch wenn es teilweise auf Homevideo-Format war. Man wird automatisch kreativer, da man weiss, dass man die minderwertige Technik zum Beispiel durch eine besondere Perspektive wieder wettmachen kann. Die Verfolgungsjagd mit der Polizei während des Jahrhunderthochwassers haben wir auf dem billigsten Mini-Camcorder gedreht, den es damals bei Saturn gab.
Du hast zehn Jahre an dem Film gearbeitet. Was war der Grund für die langen Dreharbeiten?
Letztendlich lag es am Geld. Ich hatte halt keine 500.000 Euro, wollte aber nicht aufhören. Ich war lange Zeit einfach nicht zufrieden mit dem, was wir an Material gesammelt hatten. Und dann sind noch so viele coole Dinge passiert, die einfach noch mit reinmussten – zum Beispiel das Hochwasser in Frankreich und Kanada, Eli Mack aus Kalifornien kam dazu und so weiter. Das waren alles Geschenke des Himmels für den Film, aber es hat halt seine Zeit gebraucht, sie einzubauen. „Gut Ding will Weile haben“ trifft hier den Nagel auf den Kopf, denke ich.
Gab es Momente, in denen du dachtest, du schmeisst alles hin und gibst auf?
Nein! Diesen Moment gab es nicht, da ich immer fest daran geglaubt habe, dass ich, wenn ich nicht aufgebe, es einfach schaffen muss. Dass es nicht leicht würde, war mir klar. Halt… doch, einen Moment gab es! Das war in Frankreich, als Flori Kummer in den Strudel geriet und nicht mehr hochkam. Als circa 30 Sekunden verstrichen waren und er nicht wieder auftauchte, dachte ich: „Scheisse, das war’s, jetzt haben wir es einfach übertrieben und das Schicksal zu sehr herausgefordert.“ Da kam direkt ein Schuldgefühl in mir hoch und ich hätte, glaube ich, nicht mehr weitermachen können, wenn er nicht wieder hochgekommen wäre.
Wie ging es weiter, als du „Keep Surfing“ schliesslich fertig hattest? Du warst dann ja beim Münchner Filmfest, oder? Das Letzte, was ich gehört habe, ist, dass ihr jetzt sogar international Erfolg habt. Erzähl mal, was da alles genau passiert ist.
Allein schon die Einladung zum Münchner Filmfest war der Wahnsinn! Es ist das zweitgrösste internationale Filmfest in Deutschland und für uns war immer klar, dass wir da unsere Weltpremiere feiern wollten. Als der Anruf vom Leiter der deutschen Kinoreihe kam, habe ich dem lieben Gott im Himmel gedankt. Ich habe all die Plackerei, den Schweiss und das Blut gesehen, das ich und einige andere für das Projekt gelassen haben, und eine solche Erleichterung empfunden, dass ich die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. Du musst dir vorstellen, du arbeitest fast zehn Jahre an einem Projekt und erzählst hunderten von Leuten voller Begeisterung davon, du drehst, du schneidest und produzierst wie bekloppt, aber keiner glaubt so richtig daran.
Ich habe nie daran gezweifelt, dass der Film fertig und gut würde, aber ob ihn dann auch die anderen so gut finden, ist eine ganz andere Sache, und davor hatte ich riesige Angst und etliche schlaflose Nächte. Die Einladung zum Münchner Filmfest war die erste grosse Bestätigung. Ich dachte, wenn es sogar Filmkritiker gibt, die den Streifen gut finden, dann kann er nicht schlecht sein. Der Publikumspreis und die guten Kritiken in den Medien waren dann nochmals eine Steigerung, und als dann die Verleiher Schlange standen, um den Film deutschlandweit ins Kino zu bringen, war klar, dass wir anscheinend etwas Besonderes geleistet hatten. Zuletzt kam die Einladung zum internationalen Filmfest in Tribeca, New York, welches von Robert De Niro zum Gedenken an 9/11 gegründet wurde. Solche Ereignisse lassen mich manchmal zweifeln, ob das jetzt wirklich alles wahr sein kann.
Hand aufs Herz: Hättest du je mit solch einem Erfolg gerechnet? Du bist der Erste, der einen Surf-Film deutschlandweit in die Kinos bekommen hat, oder?
Gerechnet habe ich damit nicht, ich habe hart dafür gearbeitet und viel geblutet. In den letzten drei Monaten habe ich täglich 16 bis 20 Stunden am Schnittplatz verbracht, hab zehn Kilo abgenommen, weil ich teils vergessen habe zu essen. Ich glaube, den Erfolg habe ich mir verdient. Was ich aber noch hervorheben möchte, ist die Hilfe vieler Filmschaffender, Freunde und Surfer. Ich habe das Ganze angezettelt und zumindest am längsten daran gesessen, aber es ist ganz klar ein riesengrosses Gemeinschaftswerk. Keiner hat seinen Job für Geld gemacht, alle haben aus Überzeugung daran mitgewirkt. Das ist meiner Meinung nach der Grund, warum der Film jetzt deutschlandweit in die Kinos kommt und ein richtiger Dokumentarfilm daraus werden konnte.
KEEP SURFING
Regie: Björn Richie Lob
mit: Dieter Deventer, Walter Strasser, Quirin Rohleder, Eli Mack u.a.
Kinostart: 20. Mai 2010
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