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Annika von Schütz

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Surfen als Tool für Women Empowerment

Im Gespräch mit Annika von Schütz über ihren Film “Femme Ocean”

Surfende Frauen? Das ging früher eher in die Richtung: Vermarktung der Frau als Produkt. Einiges hat sich inzwischen geändert, vieles noch nicht. Als surfende Frau hat man es nicht überall so leicht. Noch immer müssen Frauen kämpfen, für Gleichberechtigung im Wasser, gegen Sexismus bei den Contests oder überhaupt für das Recht, surfen zu dürfen.

Doch kann gerade das Surfen vielleicht ein Weg zu Women Empowerment sein? 

Diesem Thema hat sich die Filmemacherin und Surferin Annika von Schütz in “Femme Ocean” gewidmet. In ihrem Film wirft sie einen feministischen Blick auf die moderne Rolle der Frau in der Surfwelt und stellt die Geschichten von fünf Frauen vor, die durch ihre Erfahrung im Surfen Grenzen brechen. „Femme Ocean“ feierte in verschiedenen Ländern Premiere, bekam insgesamt 3 Filmfestival Awards (Ericeira, Indien, Toronto) und soll ab Sommer 2023 in Deutschland gezeigt werden. Wir haben die inspirierende Frau zum Interview getroffen.

Annika in Portugal
Annika von Schütz / Foto: João Cabrita Silva

Über Annika:

  • Femme Ocean:
  • Schnitt und Unterstützung des Drehbuchs: Nadja Werner
  • Design Logo: Valerie Schlieper
  • Spenden für die Postproduktion
  • T- Shirts über OY

Annika von Schütz (35) ist im Unterallgäu aufgewachsen, also ziemlich weit weg vom Meer. Mit 18 ging es mit zwei Freundinnen im Auto an den Atlantik. Nach einer Stunde Surfunterricht kauften sie sich 2nd Hand NSP Boards, stürzten sich in die Wellen und lernten so das Surfen. Während ihres Studiums der “Arts and Media” in Deutschland zog es Annika in den Semesterferien immer wieder an den Ozean, unter anderem auch nach Portugal. Nun ist sie freie Filmemacherin, lebt im Alentejo und hat ihre ersten  Kurzfilme produziert: 

 

  1. “Set up to sell – Surfen als Lifestyleprodukt (2017) ” – Über die Vermarktung der Frau als Produkt im Surfen
  2. “Fear as a tool (2021)” mit der Big Wave Surferin Joana darüber, wie man die Angst in großen Wellen für sich nutzen kann (realisiert mit Sunny Breger).

Einer der Gründe, warum sie in Portugal geblieben ist, war (neben dem Surfen versteht sich), ihr 3. Film “Femme Ocean”. 

“Ich habe das Meer gebraucht, als Inspiration, als Muße, um zu schreiben, um mir Gedanken zu machen, wie der Film werden sollte, und um das Team zusammenzustellen.” 

Aktuell hat Annika noch einen 4. Surffilm gedreht:

4. „El Alma“ (The stringer) (2022)

Er wird bis Ende März als Teil der Ausstellung über Geschichte des Surfens im Maritimen Museo Bilbao in Spanien zu sehen sein.

Ihren Alltag kann Annika nach der Tide planen. Surfen ist sie fast jeden Tag, immer dann, wenn es geht, mit einer Truppe Mädels. 

“Wir sind ein Frauen-Surfkollektiv, so ‘ne Gang aus 3-5 Frauen zwischen 30 und 65. Mit dabei ist sogar eine der ersten Surferinnen Frankreichs, das ist super cool!”

 

Femme Ocean title

Femme Ocean:

In ihrem Film “Femme Ocean” geht Annika auf das Surfen als Tool für Women Empowerment ein. Sie stellt dabei fünf Frauen aus drei verschiedenen Ländern vor, aus Portugal, Sri Lanka und Marokko, die von ihren Erfahrungen als surfende Frauen in ihrer Kultur berichten.

“Ich wollte, dass es so divers wie möglich ist. Ich habe geschaut, Frauen verschiedenen Alters zu finden, mit verschiedenen religiösen Hintergründen. Die Frauen im Film sind zwischen 14 und 65 Jahren.“

„Einige von ihnen sind super local, von der Fischerfamilie in Sri Lanka, andere sind professionelle Surferinnen, Surfpionierinnen, Künstlerinnen. Ich wollte so ein breites Bild schaffen.”

„Im Film habe ich versucht, einen intimen Teil der Protagonistinnen zu finden, sie offen und fragil und nahbar darzustellen, eine Identitätsfläche.“

Surf Pioneer Teresa in her van
Teresa Ayala / Foto: Daniel Espírito Santo

 

ÜBER WOMEN EMPOWERMENT

Hey Annika! Was bedeutet für dich “Women Empowerment”?

Hi! Hier bei uns bedeutet es für mich: Gleichberechtigung, finanziell gesehen und auch, was die Möglichkeiten angeht, im Arbeitsbereich, im Ausbildungsbereich. Aber das kann man natürlich kulturell aufteilen. Sri Lanka ist da nochmal 10 Schritte zurück. Hier geht es mehr darum, Frauen eine Stimme zu geben, damit sie überhaupt darauf aufmerksam werden, dass sie Rechte haben und sie zu motivieren, dass sie für sich einstehen. Wir müssen ja nicht gleich mit der Kultur brechen, man kann auch Brücken schlagen. Bei uns ist das zwar schon weiter, aber es ist natürlich immer noch viel zu tun.

„Women Empowerment ist für mich, der eigenen Stimme zu vertrauen, ihr zuzuhören und für seine Rechte einzustehen.“

In deinem Film beschreibst du das Surfen als Tool für Women Empowerment. Inwiefern ist es ein Tool für dich?

Also, das fängt schon an, wenn du rauspaddelst, das ist ein Commitment und ein Mindset-Ding. Du musst dir bewusst eine Welle auswählen und sie so anpaddeln, dass man merkt, dass es deine Welle ist, und dir niemand reinpaddelt. So von wegen: “Diese Welle gehört mir, ich surfe sie jetzt, denn ich habe auch auf sie gewartet.” 

Für mich ist das wirklich eine große Übung. Es ist vielleicht eine kleine Übung im Surfen, aber ich finde, dass das so beispielhaft steht, für vieles im Leben – sich etwas bewusst auszuwählen, sich darauf zu fokussieren und dann voll und ganz danach zu gehen. Ich musste das wirklich erstmal lernen, muss ich sagen. Ich habe mich immer eingeschüchtert gefühlt, hing dann zwei Stunden im Lineup rum und habe keine Welle genommen. 


Morocco wave

Kenn ich ;)

Ja, ich spreche da viel mit Freundinnen drüber und ich glaube, dass das was sehr feminines ist, dieses: „Ah ne da paddelt auch jemand, ich lasse ihn vor, ich will keinen Stress, ich komme schon auch noch dran.“ Aber Männer sind da einfach im Durchschnitt anders: Die plustern sich auf, Ellbogen rechts und links, die gucken böse, schreien vielleicht auch und zack haben sie die Welle. Natürlich kann man das nicht verallgemeinern, aber so war es eben schon öfter, auch meiner Erfahrung nach. Das sind zwei unterschiedliche Herangehensweisen, glaube ich. Zwei unterschiedliche Energien, dieses Jagen und Sammeln vielleicht. 

„Also, Women Empowerment im Surfen ist, sich seine Welle zu nehmen und dafür einzustehen.“

Man gewinnt wirklich viel Kraft und Selbstbewusstsein durch die Auseinandersetzung mit dem Meer und den eigenen Ängsten. Wie groß sind die Wellen? Trau ich mir das zu? Wie fühle ich mich heute?

„Durch diese Auseinandersetzung mit der Natur, mit dem Wasser, den Wellen, aber gleichzeitig mit sich selbst wird man automatisch mental stärker und das ist gut für den Alltag.  „

Hast du ein Beispiel? 

Ja. Sonntags ist hier immer super voll. Aber Sonntag waren perfekte Wellen. Da waren 50 Portugiesen im Lineup, und ich, und noch EINE andere Frau, die ich nicht kannte. Meine Freundin war dann so: “Ich geh da doch nicht rein, ich kriege eh keine Welle.” Ich dachte mir aber, ich will diese Welle, die ist total schön, ich gehe da rein und ich kämpfe dafür  – und das war total gut. Ich bin sehr froh, dass ich da rein bin, denn ich habe mir dann auch Wellen geholt. Das war ein tolles Gefühl, so selbstwirksam.

„Ich glaube, Frauen machen sich oft zu klein oder suchen Fehler bei sich. Surfen lässt einen gut fühlen, stark und deswegen beflügelt einen das.“

 

Lizzy shadow

Und andersrum: Findest du, dass man manchmal auch Vorteile haben kann, als blondes, süßes Mädchen im Lineup? Dass einem z.B. Wellen geschenkt werden oder dass man gepusht wird? Was ist deine Meinung dazu?

Also, ich denke ja, vielleicht gibt es diesen positiven Sexismus, aber man darf das auch nicht so ernst nehmen. Das ist ja an sich auch schön, wenn man angesprochen wird im Lineup, das passiert ja aber auch, weil du du bist, offen bist, lachst, neugierig bist, und das ist ja total schön. Ich finde das total ok. Ich würde das jetzt nicht überbewerten. 

Und ich denke, das geht in beide Richtungen. Einerseits wird dieses blonde, süße Mädel vielleicht nicht ernst genommen, nach dem Motto: „Ach, die kriegt ja eh keine Welle!“ Oder die andere Attitude wäre: „Die ist aber cool, die soll jetzt die Wellen kriegen!“ Generell hat man da auch Vorteile glaube ich. Aber das liegt vielleicht nicht nur am Geschlecht, sondern einfach auch an der Persönlichkeit und Ausstrahlung. Die Frage ist nur, wie man damit umgeht. Ob man das total ausreizt oder ob man einfach so ist wie man ist, offen, neugierig, freudig. Und sich dann connected. 

Findest du, dass Frauen auch manchmal Konkurrentinnen im Wasser sind? Oder nur empowernd?

Also ich habe (lacht begeistert) so gute Erfahrungen gemacht. Wir sind manchmal nur Frauen im Lineup. Und es ist die Bombenstimmung. Wir teilen die Wellen. Wir freuen uns gegenseitig so sehr, wenn eine surft und feuern uns an. Ich habe wirklich sehr gute Erfahrungen gemacht.

Früher war ich mit meiner besten Freundin schon immer auf Abenteuertouren und uns ist aufgefallen, dass es eigentlich wenig Frauen gibt, die das so machen. Und heute in Portugal sind wir so 6 zwischen 30 und 65 Jahren und das sind alles so coole Frauen. Also total empowernd.

Lizzy
Lizzy

ÜBER DEN FILM

Wie bist du darauf gekommen, diesen Film zu machen? Gab es einen bestimmten Ausschlaggeber?  

Grundmotivation ist meine Faszination am Surfen. Ich finde, Surfen ist ein total spannendes Feld, was man vielseitig untersuchen kann. Basis für “Femme Ocean” ist mein 1. Film: “Set up to Sell – Surfen als Lifestyle-Produkt”, wo es darum geht, wie Surfen als kommerzielles Produkt vermarktet wird und die Rolle der Frau dabei. 

Seitdem ich 18 bin, surfe ich und seitdem ich Kind bin, fahre ich Ski und Snowboard. Ich setze mich massiv mit diesen Randsportarten auseinander und mir ist aufgefallen, dass Frauen so oft einfach in die Ecke gedrängt werden. Langsam ändert sich das, aber Frauen werden immer so passiv gezeigt, am Strand in knappen Badehöschen und mich hat das auf jeden Fall geprägt als junges Mädchen. Ja, wie sieht denn nun eine Surferin aus? Wie sollte sie aussehen? Das hat mich geprägt, dieses Image einfach.

Ich war viel auf den Kanaren während meiner Studienzeit, und in Frankreich und Portugal, und habe dort so viele tolle, spannende Frauen kennengelernt. Die hatten so ‘ne Power und waren alle Surferinnen und haben mich so fasziniert. Und deswegen dachte ich:

„Wow ich würde gerne einen Film machen über starke, inspirierende Surferinnen und dadurch zeigen, wie wichtig es ist, dass jeder Mensch seine eigene Kraft findet, um das durchzusetzen, was wir wollen.“

Surfen ist eben ein Mittel, diese Kraft zu finden. Deswegen kam ich darauf, Surfen als Mittel für Women Empowerment darzustellen. 

Annika
Annika

Wo ist gleichberechtigungsmäßig noch was aufzuholen in der Surfwelt? 

Da gibt es verschiedene Punkte. Im Surfen gehört dazu unter anderem, dass Frauen halt nur 50% bei den Contests bekommen. Bei der WSL hat sich das seit 2019 geändert, aber bei vielen anderen Contests ist das leider immer noch so. Oder, dass die Männer zuerst bei den Top-Conditions surfen dürfen und am nächsten Tag, wenn die Konditionen nicht mehr so gut sind, dürfen sich dann die Frauen auspowern. 

Das steht ja nur paradigmatisch für unsere Gesellschaft. Ich habe mich auch viel mit Freundinnen unterhalten, die junge, weibliche Führungskräfte sind, und die werden eben oft nicht ernst genommen. Ich glaube, dieses Nicht-Ernst-Nehmen von Frauen ist eben so verbreitet, und deshalb fand ich es wichtig, diesen Film zu machen. 

Lizyy Longboard

Kommen wir nun zum Film an sich. Wie lief die Produktion? Gab es Probleme? 

Ich muss sagen, dass ich oft auf Surf Sessions oder andere Dinge verzichtet habe, in diesen 3 Jahren, wo der Fokus fast nur auf dem Film lag. Ich hing oft am Telefon mit Leuten aus Marokko oder Sri Lanka, wo die Kommunikation und Planung wirklich schwierig war. Da macht man z.B. einen Termin in Sri Lanka aus, Dienstag, um die und die Zeit, aber das kann sich gern mal verschieben, auch um Wochen. Das ganze Projekt war eine große Herausforderung für mich und ich war auch oft richtig gestresst und dachte mir: Uff, worauf hast du dich da eingelassen? 

Hast du mal darüber nachgedacht, aufzuhören?

Oh ja, zwei Mal.
Einmal, weil ich mit Null € in den Film gegangen bin. Es war ein komplett freies Kunstprojekt, ohne Sponsor:innen oder Förderung. Ich wollte diesen Film aber unbedingt machen und war davon überzeugt, dass wenn ich das anfange, sich auch gewisse Türen öffnen werden, damit es möglich sein wird. 

Und dann sind wir natürlich mitten in die Pandemie gekommen. Surfen war in Portugal verboten, und ich musste den Dreh in Sri Lanka abbrechen. Ich konnte nicht mehr nach Marokko einreisen, um dort das Interview mit Maryam Gardoum zu führen, die ich unbedingt dabei haben wollte. Zu dieser Zeit habe ich wirklich hinterfragt, ob das Sinn macht, das Ganze nun so zu vollenden. Der Dreh in Marokko ist dann komplett digital zustande gekommen. Viel hat auch nicht so funktioniert, wie ich wollte, aber ich musste mich darauf einlassen.

Das waren die zwei Punkte, wo ich gedacht hab, ich lass es. Meine Mutter hat mich dann immer sehr dazu motiviert, weiterzumachen. Und auch viele Freunde standen hinter mir und haben immer nachgefragt: “Und was macht der Film?” Das waren die Auslöser, warum ich weitergemacht habe. Man muss aber wirklich sehr viel Eigendisziplin mitbringen, wenn man selbständig einen Film produzieren will. Denn es gibt niemanden, der dich pusht und dir sagt: “So, dann und dann muss das und das stehen”. Wenn du es nicht selber anstößt, dann passiert auch nichts.

Big wav_Joana Andrade
Joana Andrade

 

Bist du denn trotz der Unannehmlichkeiten zufrieden mit deinem Ergebnis? 

Ja, bin ich. Ich bin sehr zufrieden. Es gibt natürlich immer Dinge, die man verbessern kann. Und das ist total gut, weil es ja auch den Prozess zeigt. Im Großen und Ganzen bin ich sehr zufrieden mit dem Film und freue mich auch auf die weiteren Screenings. Der kam jetzt vor Weihnachten in Lissabon auf dem Filmfestival, dann in Prag, in Zürich und in Lagos nochmal. Ich warte noch auf die Deutschlandpremiere. Es wird eine Summer Filmtour geben, aber mehr kann ich noch nicht verraten. 

Hast du eine Lieblingsstelle im Film oder ein Lieblingszitat? 

Auja, ich habe einige Lieblingszitate. Zwei Zitate begleiten mich durch ganz viele Surfsessions. Eins ist von Teresa Ayala (Portugal). Sie sagt übersetzt sowas wie: 

“Ich gehe surfen, um Spaß zu haben. Ich surfe, um mit dem Ozean zu tanzen.”

Und dann muss ich manchmal an Joana Andrade denken, die sagt: 

“Nutzt Angst als Mittel, als Generator, um euch neuen Herausforderungen zu stellen.” 

Ich bin ein riesen Fan von Poesie. Meine Lieblingsstellen sind eigentlich die des Gedichtes. Am Anfang, in der Mitte, und am Ende des Films kommen verschiedene Gedichte von Sophia da Mello Breyner Andresen. Das ist eine der ersten portugiesischen Schriftstellerinnen gewesen, die ganz viele Meeresgedichte geschrieben hat. 

Und ich liebe eine Stelle, wo auch das Publikum immer ganz stark reagiert. Wenn Maryam, die Marokkanerin sagt: 

“I think everything is good, we just have to, [und dann überlegt sie] I think we just have to change the men’s mind.” 

Das ist ein ganz starker Moment. Und dann habe ich noch eine letzte Lieblingsstelle mit Joana, der Big Wave Surferin. Oft werden Big Wave Surfer:innen stark porträtiert, als starke Held:innen, super confident und powerful. An einer Stelle zeige ich Joana ganz schwach. Sie hat vor dem Interview geweint, weil es schwierig ist, Sponsoren zu finden. Da ist sie ganz fragil, es ist ein sehr schöner, intimer Moment.

Nazar‚_Maya Gabeira_

Was gab es sonst noch zu beachten?

Femme Ocean ist ja doch eine Art feministischer Surffilm. Ich habe mir dann zwischendurch die Frage gestellt, ob es einen Unterschied macht, ob ich jetzt mit einer Frau oder einem Mann filme. Wegen des männlichen und weiblichen Blicks? Ich habe das erstmal offen gelassen und dann ist es doch so gekommen, dass mein Kamerateam komplett weiblich war. Deshalb waren wir oft als Girlsteam on Tour, das war cool. Ja das hat uns auch sehr zusammengebracht. Ich habe viel mit Sunny Breger gefilmt, die ebenfalls in Portugal wohnt.

Warum kommst du nicht im Film vor? Du bist doch auch eine starke, inspirierende, Surferin. 

Es war mir so wichtig, auf das Thema aufmerksam zu machen, dass ich mich entschlossen habe, nicht im Film vorzukommen, um die Geschichte der anderen inspirierenden Frauen besser erzählen zu können. Aber jede ist ein Teil von mir, ich finde mich gleichzeitig in verschiedenen Rollen immer wieder. 

Wie kamst du auf den Namen: Femme Ocean? 

Für mich waren drei Schlagwörter wichtig: Frauen, Ocean, Empowerment oder Independent. Dann habe ich mit dem Namen rumgespielt, mit Frau, Women, also auf verschiedenen Sprachen. Und dann kam ich auf Femme Ocean, weil es so schön klang, weil es so dynamisch klang. 

Annika
Annika / Foto: Angie P. González

Den Film angefangen hast du am Meer und beendet hast du ihn mit gebrochener Rippe im Krankenhaus. Was ist passiert? 

Ich hatte einen krassen Surfunfall mit meinem Longboard. Ich war bei Offshore surfen. Der Wind hat mein Brett erfasst, dann komplett gedreht und ich bin auf die Finne gefallen. Die hat meinen Neo aufgeschnitten und meine Rippe gebrochen. Ich hatte einen Pneumothorax im Wasser und das war echt echt heftig. 

Ich hatte wirklich Glück im Unglück und habe nochmal erfahren, wie verdammt wichtig es ist, mindestens zu zweit im Lineup zu sitzen. Ich hatte keine Stimme mehr und habe nur nach Luft gerungen. Ein inzwischen sehr guter Freund von mir (damals kannte ich ihn kaum), hat den Unfall gesehen und kam direkt zu mir. Er hat mich aufs Brett gezogen, mich rausgetragen und mich in die Klinik gefahren. Ab dann war ich komplett auf die Hilfe von Freund:innen angewiesen, ich konnte nicht mal einen Pulli anziehen. 

Wie bist du von dort wieder zurückgekommen? Ist das auch eine Art Empowerment? 

Der Freund, der mich gerettet hat, hat mir nach drei oder vier Monaten ein Softtop organisiert, damit ich ganz langsam wieder aufs Brett kann. Dann habe ich erst immer nur so 20 Minuten im Wasser ausgehalten, länger ging nicht. 

Am Anfang hatte ich echt Herzklopfen. Ich musste mich mit einem richtigen Trauma im Wasser auseinandersetzen. Ich habe dann einen Apnoe-Workshop gemacht, um wieder mehr Vertrauen zu finden. Das war furchtbar. Ich habe geweint und hatte Panik. Nach einer Weile ging es zum Glück besser. 

Was sich seitdem Unfall geändert hat ist, dass ich jetzt viel vorsichtiger bin. Früher bin ich auch bei großen Konditionen rein und dachte mir, ach es wird schon. Aber jetzt frage ich mich zweimal: Sind das wirklich Konditionen für mich? Habe ich darin Spaß oder suche ich mir einen anderen Spot mit kleineren Wellen? Generell merke ich, dass ich mehr auf meinen Körper achten und auf mich aufpassen muss. 

Am wichtigsten für mich ist jetzt Meditation. Also die Situation immer wieder auch im Kopf durchzugehen. Mir die Frage zu stellen: Habe ich Angst? Und dann aktiv dagegen anzugehen, damit sich die Angst nicht verfestigt. Wir limitieren uns selbst durch unsere Ängste. Deswegen war es ganz wichtig, direkt wieder rauszugehen. 

Annika im Ozean
Annika / Foto: Tristan Page

 

Was hast du gelernt, im Prozess des Films?

Ich habe gute Freundschaften geschlossen. Und die Länder extrem gut kennengelernt. Ich habe Portugiesisch gelernt, weil mein Hauptanspruch war, immer in der Muttersprache die Interviews zu führen, damit die Protagonistinnen einfach noch näher dran sind. Ja, es war eine spannende Reise, in die ich viel Energie reingegeben habe. Ich habe schon viele Reisen gemacht, also geografische. Aber diese hier war bis jetzt die größte Reise meines Lebens, so persönlich.

Was muss sich noch ändern in Bezug auf Women Empowerment beim Surfen? 

Die WSL hat 2019 nun gleiches Preisgeld bei Contests eingeführt. Das ist schonmal ein erster Schritt. Aber was sich auf jeden Fall noch ändern muss, sind die Konditionen, dass Frauen nicht bei schlechteren Conditions im Contest surfen, sondern vielleicht auch am 1. Tag. Und generell auch die mediale Gestaltung von Frauen im Extremsport.

„Frauen müssen zunehmend als Athletinnen porträtiert werden und nicht nur als sexy Beach Babes.“

Frauen ohne den perfekten Model Körper sollten gezeigt werden, Frauen mit Muskeln, damit dadurch ein generell größeres Selbstbewusstsein zustande kommt. Das würde ich mir sehr wünschen. Mehr Diversität im Surfen, nicht nur weiße Westeuropäer:innen zeigen, sondern verschiedene Hautfarben. Alle möglichen Körperformen. Ältere Frauen, 40-50-Jährige. 

Annika_ phot by Trsitan Page
Annika / Foto: Tristan Page

Was hat sich bei dir verändert, nach der Auseinandersetzung mit dem Film?

Ich habe das Gefühl, dass ich nochmal sensibler geworden bin, also für Sexismus-Szenen im Alltag, die oft total versteckt sind. Also irgendwelche Kommentare Frauen gegenüber. 

Zum Beispiel Joana, die Big Wave Surferin. Sie ist die einzige Frau in Portugal, die große Wellen in Nazaré surft. Warum ist es so schwierig für sie, Sponsor:innen zu finden? Das ist ja eine total herausragende Leistung. Das ist eben wahnsinnig schwierig, als Frau, wenn man nicht diesem sexy Ideal entspricht. 

Also ich habe blonde Haare, geh gern surfen und habe nichts gegen Männer. Ich find es einfach total wichtig, dass Männer und Frauen zusammenarbeiten und dass man eine gute Zeit hat, im Lineup und überall. 

Bei mir persönlich verändert hat sich glaube ich, dass ich nochmal ein Stück weit selbstbewusster geworden bin. Was ist meine Rolle? Was möchte ich? Wie komme ich dazu? Es ist wichtig, dafür einzustehen, was man will und das bewusst zu kommunizieren und auch nicht so in eine Opferrolle zu verfallen, sondern aktiv zu werden.

Und sich von niemandem in die Welle droppen zu lassen, sondern sich seine Welle zu holen!

Den Trailer zu Femme Ocean findet ihr hier!

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