Hallo Gosia. Was ist der Grund dafür, dass gambische Fischer das Risiko eingehen, auf der Flucht nach Europa ihr Leben zu verlieren? Und was haben wir im Westen damit zu tun?
Hast du schon mal etwas von Fischmehl gehört? China hat ein Abkommen mit der gambischen Regierung geschlossen, das ihnen erlaubt, mit großen Trawlern vor der Küste Gambias zu fischen. Diese Schleppnetztechnik zerstört jedoch das Ökosystem des Meeresbodens. Sie nehmen alles mit, was in die Netze gerät, Korallen, Delfine und sogar Schildkröten. Das ist eine sehr unnachhaltige Art des Fischfangs. Aber die gambische Regierung ist korrupt und erlaubt das alles, weil China ihnen Geld gibt, Kredite. Die Regierung hat eine Art Schulden bei China, die sie mit diesen Ressourcen bezahlt. Die chinesischen Trawler, die dort fischen, überfischen das Gebiet und nehmen einen großen Teil des Fisches mit, um ihn in speziellen Fischmehlfabriken zu verarbeiten. Dort wird der Fisch gemahlen. Das Produkt, das dabei entsteht, heißt Fischmehl und wird als Tierfutter verwendet. Es wird dann nach Europa importiert und zur Fütterung von Fischen in Fischfarmen und von Tieren wie Schweinen oder Hühnern in industriellen Farmen verwendet.
Früher war Fisch die wichtigste Proteinquelle für die Menschen in Gambia, weil es dort nicht so viel Vieh gibt. Jetzt wird er sehr, sehr teuer und immer weniger verfügbar, damit wir in Europa günstiges Fleisch kaufen können. Wenn wir in den Supermarkt gehen und sehen, wie billig das Fleisch dort ist, ist das doch fast unmöglich.
Denn ja – jemand zahlt diesen Preis, aber wir sind es nicht, es sind die gambischen Fischer.
Gambia ist so ein schönes Land, es hat wunderschöne Strände. Aber die Überfischung zerstört diese Schönheit, diesen Reichtum und die biologische Vielfalt. Außerdem werden die Fabriken an den schönsten Stränden Gambias gebaut. Deshalb wollen immer weniger Menschen diese Strände besuchen. Das Problem hat viele Aspekte, es ist so eine Schande!
Wie stehst du zur wirtschaftlichen Migration von Gambia nach Europa?
“Wirtschaftliche Migration” – ich finde diesen Begriff wirklich sehr, sehr ungerecht. Ich bin Polin. Es gibt viele Polen, die zum Arbeiten zum Beispiel nach Island gehen. Ja, das mag Wirtschaftsmigration sein, aber für mich ist das eine Frage der Notwendigkeit. Den Menschen in Gambia werden einfach ihre Ressourcen genommen. 20% der Gambier sind von der Fischerei abhängig. Die Menschen verlieren also ihre Arbeit.
Teneriffa, wo ich aktuell wohne, ist jetzt ein Einreisepunkt für Menschen, die diese irreguläre Migrationsroute in Holzbooten über den Atlantik auf sich nehmen. 2021 gab es einige Studien und Artikel, in “El Pais” zum Beispiel, wo darüber berichtet wurde, dass ein großer Teil der Migrant:innen, die aus dem Senegal, Gambia und Westafrika kamen, Fischer waren. Es war also sehr offensichtlich, dass die Fischer in ihren Herkunftsländern nicht mehr überleben können.
Mir war gar nicht so bewusst, dass so viele Leute von Afrika nach Teneriffa fliehen.
Ja, das höre ich öfter. Auf der einen Seite sind die Kanaren ein sehr bekanntes Reiseziel. Es ist ein wunderschöner, paradiesischer Ort für uns, die Leute kommen zum Surfen oder einfach nur, um Urlaub zu machen. Aber Teneriffa hat ein doppeltes Gesicht. Denn auf der anderen Seite gibt es zwei große Lager für Migrant:innen in Zelten dort. Es ist nicht schwer, diese Lager zu finden, man kann sie sogar besuchen und mit den Leuten sprechen, und man wird dort viele Migrant:innen aus Westafrika finden.
Ich lebe im Moment auch auf Teneriffa. Ich bin dorthin gekommen, wie viele, viele Leute, aus Gambia, aus dem Senegal. Ich habe einen fünf Stunden Flug auf mich genommen, und diese Menschen sind mit einem Holzboot gekommen, neun Tage übers Meer. Das ist irreguläre Migration auf die Kanarischen Inseln. Den Touristen ist oft gar nicht bewusst, dass Teneriffa für manche eine ganz andere Bedeutung hat, denn die Insel ist Ziel für Menschen, die ihr Zuhause verlassen müssen. Manchmal ist es gut, das im Kopf zu haben.